Kraftwerk Finkenheerd

Julian-Dakota Bock

Bis in das frühe 20. Jahrhundert stagnierte der Ausbau der Energieversorgung in der Provinz Brandenburg auf einem sehr geringen Niveau. Dies war v.a. in der östlichen Hälfte der Provinz deutlich zu spüren. Um dieser Problematik Abhilfe zu schaffen, hatte die „Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft“ (AEG) im Jahr 1909 zusammen mit der Elektro-Bank Zürich die „Märkischen Elektrizitätswerke“ (MEW) mit einem Kapital von 2 Millionen Reichsmark gegründet. Eines der ersten Projekte der MEW war der Bau des Kraftwerkes Heegermühle in Eberswalde gewesen, welches die Kreise Ober- und Niederbarnim mit Strom versorgte.

Nicht nur weitete sich das Versorgungsgebiet der MEW kontinuierlich aus, auch der allgemeine Stromverbrauch stieg in der Zeit des Ersten Weltkrieges merklich an. Um der unzureichenden Versorgungslage entgegenzukommen, hatte die Provinz Brandenburg im Jahr 1916 daher 7/12 der AEG-Aktien gekauft. Nach Ende des Krieges wurde die Provinz im Jahr 1920 schließlich alleiniger Eigentümer des MEW. Umgehend begann man mit der Planung & Konzeption eines weiteren Kraftwerkes auf Braunkohlenbasis.

Die Pläne für die Errichtung des Großkraftwerkes Finkenheerd gehen ganz wesentlich auf den damaligen Generaldirektor des MEW Georg Warrelmann zurück. Er erkannte den Wert der bei Frankfurt (Oder) gelegenen Finkenheerder Braunkohlenfelder als preiswerten Energieträger zur Stromerzeugung und die guten Standortbedingungen: kurze Transportwege für die Kohle, Wasserversorgung und Kühlung durch den Brieskower See, einen damals noch schiffbaren Oderarm, ausreichender Bauplatz sowie die territoriale Lage mitten im Versorgungsgebiet.

Das Finkenheerder Braunkohlevorkommen waren bereits seit 1908 von der „Frankfurt-Finkenheerder Braunkohlen-A.G.“ abgebaut worden (Abb. 1). Die Braunkohlengrube wurde daher vom MEW erworben, um eine kostengünstige Zulieferung von Brennstoff zu ermöglichen. Der Transport der Kohle erfolgte anfangs durch zwei Dampflokomotiven, welche 1928 bzw. 1936 durch elektrische Lokomotiven ersetzt wurden.

Der Bau des Werkes und einer zugehörigen Werksiedlung begann im September 1921. Aufgrund der ökonomischen Instabilität infolge der Inflation konnte der Bau erst im Juli 1923 vollendet werden. Dennoch war man bestrebt, einen hohen technischen Entwicklungsstand bei vertretbaren Risiken zu realisieren. Geplant war, das Werk in fünf Ausbaustufen mit einem Abstand von etwa jeweils zwei Jahren zu errichten. Dabei war durchaus einkalkuliert, dass der technische Fortschritt in einer Zeit stürmischer Entwicklungen stets Berücksichtigung finden müsste (Kahl 2009, 111) (Abb. 2-4).

Im Jahr 1923 brachte das Werk mit seinen zwei Generatoren eine Leistung von 12,5 MW auf. Die kontinuierliche Erweiterung des Versorgungsgebietes, so kamen bspw. West-Prignitz, Wittenberge, Meseritz und Schwerin hinzu, machte dabei auch eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Kraftwerkes erforderlich. Daher wurden im Werk zwischen 1926 und 1931 weitere Generatoren errichtet. Bis 1931 verfügte das Kraftwerk in Folge daraus über eine Leistung von 170 MW.

Diese Leistung wurde allerdings nur kurzzeitig vollkommen ausgenutzt. Bedingt durch die Weltwirtschaftskrise, war das Kraftwerk Finkenheerd zwischen 1929 und 1933 nur zu 50-60% ausgelastet. In der Zeit nach 1933, vor allem durch die Rüstungspolitik der Nationalsozialisten, stieg die Auslastung auf ca. 80%. Erst in der Zeit des Zweiten Weltkrieges kann von einer Vollauslastung gesprochen werden.

Aufgrund des immensen Stromverbrauches während des Krieges wurde das Werk in einem letzten Bauabschnitt zwischen 1941 und 1943 um weitere 100 MW erweitert, womit es eine Gesamtleistung von 270 MW hatte. In dieser Zeit wurden auch Zwangsarbeiter im Werk eingesetzt.

Mit dieser Leistung verdiente Finkenheerd zu jener Zeit durchaus die Bezeichnung „Großkraftwerk". Mit seinen sechs 110 bzw. 125 m hohen Schornsteinen war es in der Region als industrielles Großobjekt überzeugend wahrnehmbar und prägte das Landschaftsbild am Brieskower See (Kahl 2009, 112) (Abb. 5).

Bis 1945 war es im Werk zu zwei größeren Unfällen gekommen. So hatten sich sechs Arbeiter 1923 bei dem Riss eines Rohrs schwere Verbrühungen zugezogen. Im Jahr 1930 legte ein Hochwasser darüber hinaus Teile des Betriebes lahm.

Bereits vor Ende des Krieges war das Werk außer Betrieb gegangen, nachdem die Freileitung am Brieskower See im Februar 1945 durch die in unmittelbarer Nähe stattgefundenen Kampfhandlungenzerstört wurde. Am 16. April ging das Kraftwerk Finkenheerd schließlich in die Hände der sowjetischen Militäradministration (SMAD) über.

Literatur

Glöde, W.: Kohle und Kraft. Großkraftwerk Finkenheerd. In: Heimatkalender für den Landkreis Guben 1925, S. 31-34.

Kahl, Dieter u.a. (Hrsg.): Braunkohlenverstromung im Lausitzer Revier. Die Geschichte ehemaliger Braunkohlenkraftwerde (= Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Niederlausitz, 10). Cottbus 2009, S. 110-114.

o.A.: Von der Braunkohle zur elektrischen Kraft. In: Kalender für den Kreis Niederbarnim 1929, S. 79-81.

Wulff, Hans u.a.: 40 Jahre Kraftwerk Finkenheerd 1921-1961. Vom MEW-Konzern zum volkseigenen Betrieb. o.O. 1961.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Frankfurt a. O. Führer durch die Stadt nebst zahlreichen Ausflügen in die nähere und weitere Umgebung. Bearbeitet von F. Plage. 4. Auflage. Frankfurt a. Oder 1914.

Abb. 2 Heimatkalender für den Landkreis Guben 1925.

Abb. 3-5 Wulff, Hans u.a.: 40 Jahre Kraftwerk Finkenheerd 1921-1961. Vom MEW-Konzern zum volkseigenen Betrieb. o.O. 1961.

Abb. 6 Kalender für den Kreis Niederbarnim 1928.

Abb. 7 Archiv brandenburgikon.

Empfohlene Zitierweise

Bock, Julian-Dakota: Kraftwerk Finkenheerd, publiziert am 15.03.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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