Senftenberger Kohlenwerke Aktiengesellschaft
Die „Senftenberger Kohlenwerke Aktiengesellschaft“ gründete sich am 13. März 1900 mit einem Grundkapital von 1 Mill. Mark in Berlin unter Führung von Carl Albert Schultz. Gegenstand des Unternehmens war der Abbau von Braunkohle im Tief- und im Tagebau auf den erworbenen Gruben Elisabethglück bei Senftenberg und Hansa bei Tröbitz. 1901 wurde auf der Grube Hansa neben dem bestehenden Tiefbau der erste Tagebau aufgeschlossen und eine Brikettfabrik errichtet. Die notwendigen Investitionen überforderten schnell den finanziellen Spielraum des jungen Unternehmens. Nach zeitweiliger Zwangsverwaltung 1903 musste die Gesellschaft 1906 Konkurs anmelden (Abb. 1-4).
Aus der Konkursmasse erwarb der bereits im Rheinischen Braunkohlenbergbau u.a. durch Beteiligung an der „Horremer Briket-Fabrik“ GmbH engagierte Unternehmer Wilhelm Werhahn aus Neuss (Rhein) beide Grubenbetriebe und brachte diese in die am 23. März 1909 mit einem Grundkapital von 3,5 Mill. Mark gegründete „Neue Senftenberger Aktiengesellschaft“ ein. Sie kaufte am 23. Juni 1909 von Wilhelm Werhahn die Gruben Hansa und Elisabethglück mit allem Vermögen und Grundbesitz. Zum 31. August 1909 übernahm die neue Gesellschaft den Betrieb der Gruben. Der im Handelsregister bestimmte Sitz der Gesellschaft war zunächst Tröbitz, ab 1914 Senftenberg. Die Geschäftsführung erfolgte vom Sitz der Verwaltung aus, der sich in Berlin am Standort der Meierei Schweizerhof (später „A. C. Bolle AG“), Emdener Str. 46, befand. Laut Gesellschaftsvertrag war Zweck des Unternehmens der Betrieb von Braunkohlenbergbau, die Brikettfabrikation, der Ziegeleibetrieb und sonstige mit dem Braunkohlenbergbau zusammenhängende Nebengewerbe, ferner der Erwerb von Grundstücken, Kuxen und anderen Bergwerksanteilen. Bis Oktober 1910 gelangte die „Neue Senftenberger Kohlenwerke AG“ in den Besitz aller 100 Kuxe der Gewerkschaft Louise II und damit auch der zu dieser Gewerkschaft gehörenden Grube Meurostolln bei Senftenberg mit Tief- und Tagebau, Brikettfabrik und Ziegelei (5-7).
In den folgenden beiden Jahrzehnten wurde die technischen Ausstattung der Grubenbetriebe ausgebaut, anstelle des in den 1920er Jahren eingestellten Tiefbaus der Tagebaubetrieb erweitert und in technische Ausstattungen investiert. So kam 1911 im Tagebau Elisabethglück erstmals im deutschen Braunkohlenbergbau ein Spitzbodenselbstentlader als Abraumwagen zum Einsatz. Auf den Gruben Meurostolln und Hansa wurden Abraumförderbrücken in Betrieb genommen.
Trotz einiger Änderungen an den Rechtsverhältnissen und Firmenbezeichnungen blieben die Grubenbetriebe im Besitz von Wilhelm Werhahn und unter Kontrolle seiner Familie. Wilhelm Cornelius Werhahn, Bruder des Firmeneigentümers, leitete von 1924 bis zu seinem Tod 1945 die Gruben in der Niederlausitz. Nach Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 22. Januar 1929 führte die Gesellschaft wieder ihren ursprünglichen Namen „Senftenberger Kohlenwerke AG“ (SKW). Die wirtschaftliche Lage im Braunkohlenbergbau und die Bereitstellung von Mitteln für Investitionen und den Kohlenfeldererwerb verringerten die Ertragsfähigkeit der Gesellschaft. Zum 1. April 1936 legte Wilhelm Werhahn die Grube Elisabethglück still, weil deren Leistung durch die rentabler geführte Grube Meurostolln kompensiert werden konnte. Zur Fortführung eines wirtschaftlichen Betriebes und vor allem zur Beschaffung einer neuen Abraumförderbrücke für die Grube Meurostolln, wo die Kohle von einer Abraumdecke in Höhe von 70-80 m überlagert war, verpachtete die „SKW“ mit Wirkung zum 1. Mai 1938 für die Dauer von 10 Jahren ihr gesamtes Unternehmen, bestehend vor allem aus den Grubenbetrieben Hansa und Meurostolln, an die „OHG Wilhelm Werhahn“ in Neuss (Rhein). Nach dem Pachtvertrag vom 7./9. Mai 1938 übernahm die Pächterin alle Anlagen, die gesamte Belegschaft sowie die Steuern und Verbindlichkeiten der „SKW“. Die Grubenbetriebe firmierten seit 1938 unter der Firmenbezeichnung „Wilhelm Werhahn, Abteilung Senftenberger Kohlenwerke“. (Abb. 8-10)
Während des Krieges konnte die Produktion, auch unter Einsatz von Zwangsarbeitern, gesteigert werden. 1942 wurde die seinerzeit modernste Abraumförderbrücke mit großem Schaufelrad im Tagebau Meurostolln in Betrieb genommen. Ausbaupläne für ein neues leistungsfähigeres Kraftwerk auf der Grube Hansa kamen kriegsbedingt nicht zur Fertigstellung. 1943 betrug die Jahresförderung in den Gruben Hansa und Meurostolln zusammen insgesamt 3,35 Mill. t Kohle und die Brikett-Jahresproduktion 1,2 Mill. t. Die Belegschaft beider Grubenbetriebe umfasste im Jahresdurchschnitt 1943 insgesamt 1.948 Arbeiter (davon 642 Ausländer und Kriegsgefangene) und 139 Angestellte.
Nach Kriegsende waren die Grubenbetriebe von Produktionseinschränkungen und Demontagen betroffen. Auf Grube Meurostolln wurde 1946 die Abraumförderbrücke abgebaut. Das Vermögen der „Senftenberger Kohlenwerke AG“ wurde enteignet und in Volkseigentum überführt. Zunächst erfolgte die Beschlagnahme gemäß SMAD-Befehl Nr. 124 vom 30. Oktober 1945. Nach zwischenzeitlicher Verwaltung durch Treuhänder ist im Land Brandenburg auf der Grundlage des SMAD-Befehls Nr. 323 vom 20. November 1946 der „Brandenburgische Bergbau, Provinzeigene Betriebe“ mit Sitz in Senftenberg als Körperschaft des öffentlichen Rechts eingerichtet worden. Zum 1. Januar 1947 sind die Grubenbetriebe dem „Brandenburgischen Bergbau“ unterstellt worden. Am 28. Juni 1947 beschloss der Brandenburger Landtag das „Gesetz zur Überführung der Bodenschätze und Kohlenbergbaubetriebe in die Hand des Volkes“. Die Überführung der Grubenbetriebe in Volkseigentum wurde 1948 in Umsetzung der SMAD-Befehle Nr. 64 vom 17. April 1948 und Nr. 76 vom 23. April 1948 mit Enteignungsurkunden vom 15. Juli 1948 abgeschlossen. Ab 1. Juli 1948 waren die Grube Hansa der VVB (Z) Braunkohlenverwaltung Mückenberg/Lauchhammer und die Grube Meurostolln der VVB (Z) Braunkohlenverwaltung Senftenberg unterstellt. Im Handelsregister ist die „Senftenberger Kohlenwerke AG“ am 7. Juli 1948 gelöscht worden.
Die Grubenbetriebe wurden unter den Namen „Werk Tröbitz“ (später „Betrieb Tröbitz“) und „Werk Meurostolln“ weitergeführt (Abb. 11).
VVB – Vereinigung Volkseigener Betriebe
(Textvorlage: Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 75 Senftenberger Kohlenwerke AG, Bestandsübersicht / Firmengeschichte, ergänzt und bearbeitet von Vinzenz Czech)
Quellen
Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 75 Senftenberger Kohlenwerke AG [Siehe: Hier]
Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 901 Lausitzer Braunkohlenwerke [Siehe: Hier]
Literatur
Eyll, Klara van: Wilhelm Werhahn KG Neuss am Rhein - Unternehmen und Unternehmer 1841-2011. Neuss (Rhein) 2013.
Knauth, Friedrich: Brikettfabriken in der Lausitz. Ein Streifzug durch mehr als 100 Jahre Braunkohlenbrikettierung in der Lausitz. Großenhain 1999.
Lausitzer Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (Hrsg.): Brikettfabrik Meurostolln 1889 – 1995. 1995.
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) (Hrsg.): Tröbitz/Domsdorf (= Lausitzer Braunkohlerevier. Wandlungen und Perspektiven; 06). 2015.
Mader, Gerald: Die Braunkohlentagebaue des ehemaligen Förderraumes Tröbitz-Domsdorf (= Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Niederlausitz, 9). Cottbus 2006.
Sperling, Dieter: Betriebe und Produktionsstätten der Braunkohlenindustrie des Lausitzer Reviers. (= Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Niederlausitz, 13). Cottbus 2018.
Abbildungsnachweis
Abb. 1-6, 9, 10 Sammlung Dr. Günter Grundmann (Detmold).
Abb. 7 Lausitzer Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (Hrsg.): Brikettfabrik Meurostolln 1889 – 1995. 1995.
Abb. 8 Gemeinfrei.
Abb. 11 https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hoerlitz_meurostolln.JPG (Foto: Z thomas – GNU).
Empfohlene Zitierweise
Senftenberger Kohlenwerke Aktiengesellschaft, publiziert am 21.10.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)