Vereinigte Aluminium-Werke AG Lautawerk / Lausitz

 

Die Gründung der „Vereinigten Aluminiumwerke (VAW) Aktiengesellschaft Lautawerk / Lausitz“ wurde von der Kriegs-Rohstoff-Abteilung, einer Fachabteilung des Kriegsamtes im Reichskriegsministerium, am 12. Februar 1917 per Verfügung beschlossen. Neben dem Deutschen Reich gehörten die Firmen „Chemische Fabrik Griesheim Elektron AG, Frankfurt am Main“ und „Metallbank und Metallurgische Gesellschaft AG, Frankfurt am Main“, ein Unternehmen, das später in der „Metallgesellschaft AG“ aufgegangen ist, zu den Gründern. Das Grundkapital von 50.000.000 RM war zu 50 % auf die genannten Unternehmen und zu 50 % auf das Deutsche Reich verteilt. Die Gründungsunternehmen brachten die Aluminiumfabriken Horrem (bei Köln), Rummelsburg (bei Berlin) und das Werk in Bitterfeld mit in die Firma ein. Die Schaffung einer Dachgesellschaft „VAW“ sollte helfen, die Kräfte zu bündeln und die Forschungen auf dem Gebiet des Hüttenaluminiumwesens in Deutschland voranzubringen.

Das Deutsche Reich forcierte den Ausbau der heimischen Aluminiumhüttenindustrie im Hinblick auf das sogenannte „Hindenburg-Programm“ vom Herbst 1916. Danach sollte die Kriegs- und Rüstungsindustrie unter äußerster Anspannung aller Kräfte die Produktion steigern, um der vorgegebenen Maxime der Unabhängigkeit von ausländischen Rohstoffen gerecht zu werden, denn weder die Rüstungsindustrie noch das Deutsche Reich besaßen mehr das notwendige Kapital, um auf dem Weltmarkt die erforderlichen Rohstoffe - in erster Linie Kupfer - zu erstehen. Die Gründung der „VAW“ im dritten Jahr des Ersten Weltkrieges war somit die Folge der zwingenden Notwendigkeit, vom überteuerten Rohstoff Kupfer loszukommen, und die Alternative hieß Aluminium.

Da die heimische Braunkohle für den Betrieb des für die Aluminium-Elektrolyse notwendigen Kraftwerkes genutzt werden sollte, wurde der zunächst in Aussicht genommene Werksstandort in der Gemarkung Rödgen, Kreis Delitzsch, wegen in letzter Minute zutage getretener Schwierigkeiten in der Kohleversorgung wieder verworfen. Die großen Braunkohlevorkommen der Niederlausitz, besonders die unmittelbare Nachbarschaft zum Tagebau „Grube Erika" der „Ilse Bergbau AG“, führten zur Entscheidung für das Gelände bei dem Dorf Lauta. Nach Rodung einer kärglich mit Kiefern bestandenen Fläche von 12 km² wurde ab April 1917 in nur anderthalb Jahren Bauzeit die Aluminiumhütte bei Lauta quasi aus dem Boden gestampft.

Das für die Elektrolyse erforderliche Kraftwerk wurde zeitgleich auf demselben Grundstück erbaut. Desgleichen eine Tonerdefabrik zur Herstellung von kalzinierter Tonerde, einem Zwischenprodukt für die Aluminiumerzeugung. Die Vereinigung von Aluminiumhütte, Tonerdefabrik und Kraftwerk auf demselben Werksgelände stellte weltweit ein absolutes Novum dar. Die Verantwortlichkeit für die Errichtung der Werksanlagen hatte die „Kriegsmetall AG“ in die Hände des privatwirtschaftlichen Konsortiums gelegt, wobei die „Chemische Fabrik Griesheim-Elektron AG“ die Bauverantwortlichkeit übernahm, während die „Metallbank und Metallurgische Gesellschaft AG“ sich mit den juristischen und kaufmännischen Details des Projektes befaßte.

Bei der Errichtung des Werkes kamen zeitweise bis zu 11.500 Arbeiter zum Einsatz, unter denen sich auch englische, französische und russische Kriegsgefangene befanden sowie eine Division Griechen, die während des Balkankrieges 1914-1918 zu den Mittelmächten übergelaufen und in Görlitz interniert war. Die Verpflegung der Bauarbeiter oblag bis zur Inbetriebnahme der werkseigenen Verpflegungseinrichtungen der „Ilse Wohlfahrt-Gesellschaft“, einer Tochter der „Ilse Bergbau AG“.

Der hektische Baubetrieb führte zu einigen schweren und sogar tödlichen Unfällen, da die Sicherheitsvorschriften nicht in der erforderlichen Weise beachtet wurden. Auf diese Weise konnte im Lautawerk, dessen Ausbau bei weitem noch nicht abgeschlossen war, nach nur achtzehnmonatiger Bauzeit bereits am 17. Oktober 1918 das erste Aluminium gegossen werden.

Die Fertigungsaufnahme kam indes für die Rüstungsindustrie zu spät, denn der Krieg war bereits verloren. Die Produktion wurde bis auf weiteres nur in sehr geringem Umfang aufgenommen, denn für die vorgesehene Jahresproduktion von 12.000 t Rohaluminium gab es keine Abnehmer. Hinzu kam die 1919 als Folge des verlorenen Krieges im Vertrag von Versailles angeordnete Demobilmachung des Werkes.

Einerseits dürfte dieser verbliebene Rumpfbetrieb „VAW“ für das privatwirtschaftliche Konsortium „Chemische Fabrik Griesheim Elektron/Metallbank und Metallurgische Gesellschaft“ wohl kaum noch von wirtschaftlichem Interesse gewesen sein. Zum anderen drängte das Deutsche Reich im Zuge der einsetzenden Sozialisierungsbestrebungen aber auch auf ein Ausscheiden der beiden Gesellschafter aus dem Unternehmen „VAW“ und zwang diese im September 1919 schließlich, das Auszahlungsangebot anzunehmen. Das Reich übernahm nunmehr sämtliche „VAW“-Aktien als Alleingesellschafter und vereinigte diese mit den übrigen in der Hand des Reichsschatzministeriums. Die seinerzeit von dem Konsortium eingebrachten Hütten Horrem und Bitterfeld verblieben zunächst noch bei den „VAW“. Vereinbarungsgemäß ging das Eigentum an der inzwischen stillgelegten Hütte in Horrem im Jahre 1920 wieder auf das Konsortium über. Die Rummelsburger Hütte, ohnehin nur als Provisorium geplant und betrieben, war schon bei Kriegsende stillgelegt worden. Das Kraftwerk wurde schließlich 1921 an die „Elektrowerke AG Berlin (EWAG)“ verkauft.

Erst in dieser Phase verminderter Produktion wurde das nach § 16 Reichsgewerbeordnung erforderliche Genehmigungsverfahren für die Fabrikationsanlagen des Lautawerkes im Benehmen mit den zuständigen staatlichen und kommunalen Stellen durchgeführt, also nachgeholt. Dabei setzte sich das Reichskriegsministerium im Verwaltungsverfahren über die meisten Einwendungen von Kommune und Kreis hinweg, indem es die von diesen geforderten Auflagen für den Betrieb verwarf.

Zusammen mit den Werksanlagen wurden Schulen, ein Krankenhaus, Kaufhäuser, zwei Kirchen, Straßen und Kanalisation in den Werkssiedlungen Nord und Süd gebaut bzw. wurden die Voraussetzungen für ein geordnetes Siedlungswesen geschaffen, denn die Arbeiter wohnten zunächst in Barackenstädten entlang des Werksgeländes.

Bereits seit August 1916 errichtete das Deutsche Reich im Verein mit den Firmen „Chemische Fabrik Gebrüder Giulini G.m.b.H“, Ludwigshafen am Rhein-Mundenheim, und den „Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerken (RWE)“ bei Grevenbroich am Niederrhein eine Fabrik für Aluminiumelektrolyse (Aluminiumhütte) und Elektrodenfabrikation. Das Unternehmen, das unter „Erftwerk Aktiengesellschaft“ firmierte, nahm im Dezember 1917 den Betrieb auf, und es war ihm u.a. die Funktion eines Zulieferbetriebes für das Lautawerk zugedacht, soweit es die Elektrodenherstellung betrieb, denn im Lautawerk war eine Elektrodenfabrikation (zunächst) nicht vorgesehen gewesen.

Nach Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an der „Erftwerk AG“ durch die „VAW“ wurde das Unternehmen per 1. Januar 1926 in die „VAW“ eingegliedert und zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung schließlich mit diesen per Datum 31. Dezember 1932 fusioniert.

Die „VAW“ wurden 1923 in die reichseigene „VIAG“ (Vereinigte Industrieunternehmungen Aktiengesellschaft), Berlin, eingegliedert. Sitz der VAW war bis Juni 1938 Lautawerk in der Lausitz. Danach wurde der Firmensitz aus organisatorischen Gründen - so die offizielle Begründung - nach Berlin verlegt.

Die Nachkriegsjahre des Ersten Weltkrieges waren von fehlender Nachfrage gekennzeichnet, und erst ab 1923 stieg die Produktion - mit gelegentlichen Einbrüchen - bis 1929 stetig an. Nun folgten wieder magere Jahre, in denen wegen fehlender Nachfrage und zu hoher Kosten die erzeugten Mengen kontinuierlich kleiner wurden. Bereits 1931 fiel die Jahresproduktion deutlich unter die 30.000 t Marke ab (26.900), sank 1932 gar unter 20.000 Jahrestonnen (19.000) und erreichte im Jahre 1933 mit 18.400 Tonnen ihren Tiefpunkt. Einhergehend mit der Nachfrageflaute sank schließlich auch der „VAW“-Anteil an der inländischen Jahresproduktion von 78 % im Jahre 1929 auf nur noch 58 % im Jahre 1933.

Bedingt durch die Absatzflaute und noch verstärkt durch die Weltwirtschaftskrise, mussten bei den VAW viele hundert Arbeitnehmer entlassen werden. Auch sank der Weltmarktpreis für Rohaluminium unaufhörlich. Die verbliebenen Arbeitnehmer hatten zum einen die Gehaltskürzung nach der 2. Notverordnung (1931) hinzunehmen, und 1932 stellte sie das Unternehmen dann vor die Alternative: „Freiwilliger" Gehaltsverzicht von 5 % oder Verlust des Arbeitsplatzes.

Erst das Rüstungsprogramm der Nationalsozialisten bewirkte eine Nachfragesteigerung beim Aluminium. Einsetzend 1934 stieg die inländische Produktion permanent an. Die ursprünglich vorgesehenen Kapazitäten reichten schon bald nicht mehr aus, um diesen Bedarf zu decken, weswegen ein Werksbau- und -ausbauprogramm aufgelegt und ausgeführt wurde.

Die „VAW“ kamen 1939 auf eine Aluminiumerzeugung von 136.878 Tonnen, Deutschland insgesamt auf rund 195.000 Tonnen, womit es zum größten Aluminiumproduzenten der Welt geworden war. Die „VAW“ konnten ihre Erzeugung 1940 nochmals, in erster Linie durch Ausbau des Lautawerkes, auf 142.074 Tonnen steigern.

Selbst diese Menge reichte nicht aus, um den immensen Aluminiumbedarf im Inland zu decken. So bauten die „VAW“ im österreichischen Ranshofen (bei Braunau am Inn) eine weitere Aluminiumhütte, die 1941 die Produktion aufnahm. Hier betrug die Anfangskapazität 22.000 Jahrestonnen Aluminium.

Durch vermehrte Einberufung von Arbeitern ergaben sich Engpässe in der Produktion, sodass verstärkt Zwangsarbeiter, in erster Linie Kriegsgefangene, eingesetzt werden mussten. Nur so konnte der Betrieb auf dem hohen produktiven Niveau gehalten werde. Untergebracht waren diese in mehreren Lagern. 1944 waren allein 1.000 Ostarbeiter im Lautawerk, dem Kraftwerk und dem angrenzenden Tagebau Erika beschäftigt (Kahl 2005, 104).

Das Lautawerk war mehrfach Ziel von Luftangriffen - so u. a. am 12. September 1944 - und es kam zu massiven Zerstörungen im Werk. Am 20. April 1945 wurde das Werk von der Roten Armee besetzt und zur Kriegsbeute erklärt. Ein Großteil der Anlagen wurde in der Folgezeit demontiert und in die UdSSR verbracht.

Durch die Bildung der beiden deutschen Staaten kam es zu einer faktischen Teilung des Konzerns „VAW“. Das Lautawerk wurde nach Freigabe durch die UdSSR in „VEB Aluminiumwerk Albert Zimmermann Lauta“ umbenannt und wieder als Aluminiumhütte betrieben, während die in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Werke von der „VAW“ zunächst von Berlin und später (ab 1949) von Bonn aus weiter betrieben und verwaltet worden sind.

(Textvorlage: Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 75 Vereinigte Aluminium-Werke AG Lautawerk / Lausitz, Bestandsübersicht / Firmengeschichte, ergänzt und bearbeitet von Vinzenz Czech)

Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 75 Vereinigte Aluminium-Werke AG Lautawerk / Lausitz [Siehe: Hier]

Literatur

Belli, Peter Josef: Das Lautawerk der Vereinigte Aluminium-Werke Aktiengesesllschaft (VAW) von der Bauentscheidung 1916 bis zu den Folgen der Enteignung von 1948. Zugleich ein Beitrag zur Unternehmensgeschichte der VAW Aluminium AG Bonn. 1998.

Belli, Peter Josef: Das Lautawerk der Vereinigte Aluminium-Werke AG (VAW) von 1917 bis 1948. Ein Rüstungsbetrieb in regionalen, nationalen, internationalen und politischen Kontexten (zugleich ein Beitrag zur Industriegeschichte der Niederlausitz). Münster 2012.

Noack, Maximilian: Zwischen wilhelminischer Bedarfsarchitektur und moderater Moderne. Die Werkskolonien im Niederlausitzer Braunkohlerevier. Petersberg 2016.

Verch, Katrin: VEB Aluminiumwerk „Albert Zimmermann“ Lauta. In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 337-339.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 SLUB / Deutsche Fotothek / Unbekannter Fotograf

Abb. 2-6 Gemeinfrei

Empfohlene Zitierweise

Vereinigte Aluminium-Werke AG Lautawerk / Lausitz, publiziert am 24.10.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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