Gebr. Wiemann-Werft, Brandenburg (Havel)

 

1867 gründete Carl Wiemann in Brandenburg (Havel) einen Schlosserei- und Maschinenbaubetrieb, der nach dem Beitritt seines Bruders Wilhelm den Namen „Gebr. Wiemann“ erhielt. Sitz des Unternehmens wurde die Packhofstraße, unweit der Langen Brücke (Abb. 1, 2). In zweiter Generation leitete Paul Wiemann, der Sohn des Gründers, den Familienbetrieb. Als dieser 1930 starb wurden seine Witwe Helene und sein Bruder Fritz Firmeninhaber.

Zunächst wurden Maschinen für die Ziegelindustrie angefertigt, dann solche, die zur Herstellung von Schiffen benötigt wurden. Bis zur Jahrhundertwende spezialisierte man sich auf die Reparatur von Schiffen und Schiffsmaschinen. Im Jahr 1901 lief dann der Schleppdampfer „Helene“ als erstes von „Gebr. Wiemann“ selbst hergestelltes Schiff aus. Der Übergang von der Maschinenschlosserei zur Maschinenfabrik wurde nicht zuletzt durch die Aufstellung eines Dampfkessels 1885 und die Errichtung einer Eisengießerei 1889 ermöglicht. Dreißig Jahre später waren bereits 264, bis 1945 insgesamt 379 Schiffe von der mittlerweile offenen Handelsgesellschaft „Gebr. Wiemann, Maschinenfabrik, Schiffswerft, Eisengießerei“ gebaut worden. Es handelte sich dabei unter anderem um Schlepp-, Fracht- und Passagierdampfer mit Schrauben- und Radantrieb, Motorschiffe, Eisbrecher, Spül- und Tankschiffe, Prähme oder Bagger, die vor allem in der Binnenschifffahrt eingesetzt wurden. Aber auch Modelle für die Küstenschifffahrt, wie der Schlepp- und Bereisungsdampfer „Oder“ aus dem Jahr 1912, wurden hier produziert (Abb. 3, 4, 5).

Nicht nur die 1916 von „Gebr. Wiemann“ selbst entwickelte Wiemann-Schraube, auch das um 1930 erworbene Patent der Kort-Düse brachte der Firma großen Erfolg bei ihrem Bau von schnelleren und zugstärkeren Schiffen. Diese wurden in der Schiffbauhalle sowie auf dem Quer- und Längsslip an der 500 m langen Wasserfront gefertigt, über die die Firma verfügte. Auf dem 47.150 qm großen Grundstück befanden sich daneben eine Schlosserei, Dreherei, Eisengießerei, Gussputzerei, Formerwerkstatt, Schmiede, Tischlerei, Maschinen- und Motorhäuser mit zugehörigen Anlagen sowie ein Bürogebäude.

Die Zahl der hier Arbeitenden stieg durch den florierenden Schiffbau zunächst auf ca. 450 und pendelte sich zwischen 1913 und 1928 auf etwa 350 ein. Hatte schon der Erste Weltkrieg mit der Umstellung der Maschinen auf die Produktion von Granaten wirtschaftliche Einbußen und der Winter 1923/1924 das Geschäft fast zum Erliegen gebracht, führte die Weltwirtschaftskrise zu einem Rückgang auf ein Drittel der normalen Leistung. Die Beschäftigtenzahlen sanken 1931 auf 150 und erreichten 1933 den Tiefststand mit 62 Arbeitern. Von 1932 bis 1938 zwang ein Neubauverbot von Flussschiffen auf den märkischen Wasserstraßen die Werft, betriebsfremde Fabrikationen aufzunehmen. Diese sicherten das finanzielle Bestehen der Firma jedoch kaum. Ein Großbrand im April 1937 zerstörte zudem die Schiffbauhalle und weitere Gebäude, sodass vorübergehend unter freiem Himmel gearbeitet werden musste. Am Ende der 1930er Jahre zog das Geschäft wieder an, im Zweiten Weltkrieg auch befördert durch Aufträge der Marine, die sogar einen Slipbau finanzierte. Im Frühjahr 1945 waren 429 Arbeiter sowie 40 Angestellte und 26 Kriegsgefangene beschäftigt. Auch Zwangsarbeiter verschiedener Nationalitäten wurden seit 1940 von „Gebr. Wiemann“ zur Arbeit herangezogen.

Am 31. März und 20. April 1945 wurden bei einem Bombenangriff große Teile des Fabrikgeländes zerstört. Nach Kriegsende konnten mithilfe des Schwimmkrans der „Gebr. Wiemann“ mehrere Brandenburger Brücken wieder aufgebaut und die Havel von Schiffswracks geräumt werden. Als ehemaliger Zulieferer der Marine musste der Betrieb 40 % seiner Anlagen und Maschinen als Reparation an die Sowjetunion demontieren. Auch der 1946 wiederaufgenommene Neubau von Schiffen diente dem Zweck der Reparationsleistungen, wie am Beispiel des seetauglichen Fischereifahrzeuges „Seiner“ deutlich wird. Ende 1945 wurde der Betrieb in Treuhandverwaltung übernommen, 1948 enteignet und in den „VEB Volkswerft Ernst Thälmann“ umgewandelt, der mit dem Jahresende 1962 die Produktion einstellte.

 

(Textvorlage: Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 75 Wiemann-Werft Brandenburg (Havel) - Bestandsübersicht / Firmengeschichte [Siehe: Hier], ergänzt und bearbeitet von Julian-Dakota Bock)

Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 75 Wiemann-Werft Brandenburg (Havel).

Literatur

Historischer Hafen Brandenburg e.V. (Hrsg.): Die Wiemann Werft. Brandenburg 2017.

Nothnagel, Peter: Die Wiemann-Werft im Wechsel der Konjunkturen. In: Heinrich, Gerd u.a. (Hrsg.): Stahl und Brennabor. Die Stadt Brandenburg im 19. und 20. Jahrhundert (= Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte; Bd. 3). Potsdam 1998, S. 511-517.

Stahlberg, Herbert: Die Werft der Gebrüder Wiemann in Brandenburg an der Havel. In: Heimatkundliche Blätter 39 (2015), S. 4-7.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Gemeinfrei.

Abb. 2 Wolf, Moritz (Bearb.): Brandenburg (Havel). Berlin 1926.

Abb. 3 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Elbdampfer_%27Sachsenwald%27_in_Pirna_(01-2).jpg (Foto: Norbert Kaiser - CC BY-SA 3.0).

Abb. 4 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gustav-Havel-Potsdam-08-VII-2007-02.jpg?uselang=de (Foto: Botaurus – Gemeinfrei)

Abb. 5 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:DS_Gustav_(3).JPG (Foto: Biberbaer - CC BY-SA 3.0).

Empfohlene Zitierweise

Gebr. Wiemann-Werft, Brandenburg (Havel), publiziert am 28.03.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.