Slawische Pferdefigur
Thomas Kersting
Archäologische Zeugnisse zu Weltbild und Jenseitsvorstellungen der Slawen sind eine Seltenheit. Schriftquellen überliefern zwar manchmal Namen und Aussehen von Götterfiguren, oder Beschreibungen von Kulthandlungen - wie z.B. beim Tempel von Arkona auf Rügen. Hier spielen Pferde eine entscheidende Rolle im Tempelkult. Archäologische Funde, die sicher kultisch interpretiert werden könnten – egal ob heidnisch oder christlich - sind kaum vorhanden, und eine Zuordnung der wenigen bekannten figürlichen Darstellungen zu dieser Lebenssphäre ist nicht mit Sicherheit möglich.
Wenn man im archäologischen Material Tierfiguren findet, so sind es meist Pferde. Das bronzene Pferdefigürchen, welches auf der Brandenburger Dominsel gefunden wurde, stammt aus dem 11./12. Jahrhundert. Es wurde bei regulären Ausgrabungen auf dem Lehm-Fußboden eines verbrannten Blockhauses entdeckt. Es ist 2,6 cm lang und etwa 2,3 cm hoch, und wiegt 29 g; das Pferd ist in der Seitenansicht ganz naturalistisch gestaltet (Vorder- und Hinterbeine sind nicht getrennt), und es trägt offenbar einen Sattel, ist also als Reitpferd gemeint.
Eine ganz ähnliche Figur – aber längst nicht so gelungen wie diese – ist auch in der „benachbarten“ Burg von Berlin-Spandau gefunden worden. Es gibt noch weitere Vergleichsstücke von Fundplätzen im ostslawischen, baltischen und finnischen Ostseeraum, die offenbar jeweils als Handelsplätze und Burgen bzw. Frühstädte herausgehobenen Charakter hatten. Sehr wahrscheinlich dürfte auch unser Exemplar ursprünglich aus diesem Raum stammen. Metallene Stücke wie dieses sind wohl als Glücksbringer oder Amulette zu deuten, könnten aber auch (außerdem?) als Gewichte Verwendung gefunden haben. Hölzerne oder tönerne Pferdchen dürften dagegen wohl eher Spielzeug gewesen sein.
Das Pferd diente bei den Slawen als Arbeits-, Reit- und Zugtier und genoss eine hohe Wertschätzung im Alltag, was auch Funde von Pferdestriegeln als „Pflegeartikel“ belegen – es muss regelrechte Zucht-Gestüte gegeben haben. Andererseits zeigen Pferdeknochen aus slawischem Zusammenhang keine Spuren von Schlachtung und Zerlegung, ihr Verzehr war offensichtlich nicht üblich.
Das Pferdchen von der Dominsel dient der Archäologischen Gesellschaft in Berlin und Brandenburg (AGiBB) heute als Logo.
Der Beitrag erschien unter dem Titel „Pferdefigur aus Bronze“. In: Cottin, Markus / Merkel, Lisa (Hrsg.): Thietmars Welt – Ein Bischof schreibt Geschichte. Ausstellungskatalog Merseburg 2018, S. 483.
Literatur
Grebe, Klaus: Die Brandenburg vor 1000 Jahren. Potsdam 1991.
Brather, Sebastian: Archäologie der westlichen Slawen. Siedlung, Wirtschaft und Gesellschaft im früh- und hochmittelalterlichen Ostmitteleuropa. Berlin, New York 2001.
Abbildungsnachweis
Abb. 1 D. Sommer, BLDAM.
Empfohlene Zitierweise
Kersting, Thomas: Slawische Pferdefigur, publiziert am 09.10.2023; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)
Kategorien
Epochen: Ur- und Frühgeschichte
Themen: Archäologie und Siedlung