VEB Stahl- und Walzwerk „Wilhelm Florin“ Hennigsdorf

Katrin Verch (ergänzt und bearbeitet von Vinzenz Czech)

Das Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf (SWH) bei Berlin bestand, ursprünglich durch die AEG errichtet, bereits seit dem frühen 20. Jahrhundert. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte dessen Demontage und Enteignung. Mit dem Befehl Nr. 175 der SMA Brandenburg vom 25. Oktober 1947 wurde der sequestrierte Betrieb in Besitz und Nutzung des Landes Brandenburg übergeben und die Produktionsaufnahme, wie bereits im Befehl Nr. 170 vom 18. Oktober 1947 vorgegeben, angewiesen. Mit dem Wiederaufbau floss am 12. März 1948 der erste Stahl (Abb. 1-3). Den Namen „Wilhelm Florin“ erhielt das in einen VEB umgewandelte Werk 1951.

In den 1980er Jahren gehörten zum Sortiment Rohstahl, Halbzeug, Formstahl, Stabstahl (warmgewalzt, gezogen, geschält oder geschliffen), Stahlformguss, Grauguss und gezogene Sonderprofile. Das Werk produzierte über 160 Stahlmarken. Es war Alleinhersteller von Spannbetonstahl nach dem Verfahren der hochtemperatur-thermomechanischen Behandlung, erzeugte 80 Prozent der Blankstahlproduktion der DDR und war Hauptproduzent von Stahlwerksverschleißmaterial (Grauguss). Schiffsschrauben aus der Stahlformgießerei wurden in den Werften eingesetzt.

Die Basis hierfür bildeten folgende Produktionsabteilungen: das Siemens-Martin-Stahlwerk mit fünf Hochleistungsöfen, der Gießbetrieb im Wagengussverfahren, das Elektrostahlwerk I mit zwei Elektro-Lichtbogen-Öfen, das Elektrostahlwerk II mit drei Hochleistungs-Elektroöfen und zwei Stranggussanlagen à 4 Strängen, das Walzwerk I mit 850er-Blockstraße, 630er-Grobstahlstraße, 450er-Mittelstahlstraße, 300er-Feinstahlstraße und 280er-Drahtstraße, das Walzwerk II mit kontinuierlichem Feinstahlwalzwerk, Stahlformgießerei und Graugießerei sowie die metallurgische Weiterverarbeitung mit Zieherei, Schälerei, Schleiferei und dem Zweigbetrieb Ziehwerk Delitzsch. In den 1980er Jahren beschäftigte das Werk über 8.500 Arbeiter und Angestellte. Hinzu kamen etwa 700 Auszubildende (Abb. 4, 5).

Wie überall in der DDR musste auch das Hennigsdorfer Werk ab den 1970er Jahren eine „Konsumgüterproduktion“ zur Versorgung der Bevölkerung aufnehmen. Neben Schubkarren, Gartentoren, Rasenmähern oder Türverrieglungen wurden in einem dafür neu aufgebauten Hallenkomplex auch Fahrgestelle für den Campingwohnwagen „QEK-Junior“ und für kombinierte PKW-Boots- und Lastenanhänger produziert. Der begehrte „QEK-Junior“

war durch eine Arbeitsgruppe im Stammwerk Hennigsdorf des „VEB Qualitäts- und Edelstahlkombinates (Abkürzung „QEK“) entwickelt worden, die Endmontage erfolgte jedoch im „VEB Maxhütte Unterwellenborn, Betriebsteil Schmiedefeld“ (Pflüger 2012, 79f.) (Abb. 6).

Der „VEB Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf“ gehörte ab 1948 zur VVB (Z) Vesta Leipzig, einer VVB zur Produktion und Verarbeitung von Roheisen, Stahl und Walzwerkerzeugnissen. Ab 1951 unterstand er dem Ministerium für Schwerindustrie, dem Ministerium für Hüttenwesen und Erzbergbau bzw. direkt dem Ministerium für Berg- und Hüttenwesen. 1958 wurde er der VVB Stahl- und Walzwerke Berlin zugeordnet. Zum 1. Januar 1969 wurde der „VEB Qualitäts- und Edelstahlkombinat“ gebildet, dem das SWH nun angehörte. Zunächst war das SWH Stammbetrieb, zum 1. Januar 1979 wurde das Stahl- und Walzwerk Brandenburg Stammbetrieb. 1990 erfolgte die Umwandlung zur Hennigsdorfer Stahl GmbH. Einen Teil des Werkes kaufte 1992 der italienische Riva-Konzern.

VVB (Z) – Vereinigung Volkseigener Betriebe

Quellen

Arbeit und Aufbau: Zeitung der VE Betriebe LEW und Hüttenwerk Hennigsdorf.

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 502 VEB Stahl- und Walzwerk „Wilhelm Florin“ Hennigsdorf. [Siehe: Hier]

Literatur

100 Jahre Stahlwerk in Hennigsdorf, hrsg. vom Stadtarchiv Hennigsdorf. 2017.

Lauck, Hans-Joachim: Edel sei der Stahl, stolz der Mensch. Erinnerungen eines Kombinatsdirektors und Ministers. Berlin 2017.

Pflüger, Rosemarie: Seit über 90Jahren fließt Stahl in Hennigsdorf – gelesen, nachgefragt, aufgeschrieben. Hennigsdorf 2012.

Verch, Katrin: VEB Stahl- und Walzwerk „Wilhelm Florin“ Hennigsdorf. In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 333-335.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Bundesarchiv, Bild 183-S80220

Abb. 2 Bundesarchiv, Bild 183-S87473

Abb. 3 Bundesarchiv, Bild 183-70782-0002

Abb. 4 https://www.hennigsdorf.de

Abb. 5 Bundesarchiv, Bild 183-S1027-0030

Abb. 6 https://ddr-reklame.tumblr.com/search/qek

Empfohlene Zitierweise

Verch, Katrin: VEB Stahl- und Walzwerk „Wilhelm Florin“ Hennigsdorf, publiziert am 17.05.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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