Luftschiffbau Schütte-Lanz, Zeesen
Kai Rehbaum
Das 1909 gegründete Unternehmen „Luftschiffbau Schütte-Lanz“ war einer der wichtigsten Luftschiff-Produzenten im Deutschen Kaiserreich und entwickelte sich bis 1915 zur größten Konkurrenz der von Ferdinand Graf von Zeppelin gegründeten „Luftschiffbau Zeppelin GmbH“. Neben den Schütte-Lanz Luftschiffen produzierte das Unternehmen später auch Flugzeuge und Automobile. Im Frühjahr 1916 wurde in der Gemeinde Zeesen (bei Königs Wusterhausen) eine Schütte-Lanz Werft zum Bau von Luftschiffen fertiggestellt (Fuchs/ Rehbaum, 203–207).
Das Unternehmen „Luftschiffbau Schütte-Lanz“
Das Unternehmen wurde am 22. April 1909 von Johann Schütte und Karl Lanz, dem Sohn des Unternehmers Heinrich Lanz, gegründet. Ersterer lehrte ab 1904 als Hochschullehrer an der technischen Universität Danzig und war ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Luftfahrt (Wentzler, 32). Mit der Firma „Heinrich Lanz AG“, die in dieser Zeit der größte Hersteller von Landmaschinen in Europa war, fand Schütte einen kapitalkräftigen und investitionsbereiten Partner für die Umsetzung seiner Vorhaben.
Die enge Bindung zum Kapitalgeber mit Sitz in der Industrie- und Handelsstadt Mannheim bestimmte auch den Hauptproduktionsstandort des Unternehmens. In der Werft Mannheim-Rheinau wurde 1911 das erste Schütte-Lanz Luftschiff mit dem Namen SL 1 fertiggestellt, welches am 17. Oktober 1911 zu seinem ersten Probeflug abhob. Das Luftschiff hatte eine Länge von 131 Metern und einen maximalen Durchmesser von 18,4 Metern. Es wies eine Nutzlast von 4,5 Tonnen auf und konnte eine Höchstgeschwindigkeit von circa 38 km/h erreichen. Nach geringfügigen Justierungen wurde es am 30. Dezember 1912 zu einem Preis von 550.000 Mark an das Kriegsministerium verkauft (Haaland, 56–63) (Abb. 1)
In den Jahren von 1913 bis 1915 wurde das Unternehmen zum Vorreiter des technischen Fortschrittes im Luftschiffbau (Wentzler, 43f.). Die Schütte-Lanz Luftschiffe profitierten insbesondere von ihrer Stromlinienform, die für die gesamte Luftfahrttechnik des Kaiserreiches eine wesentliche Verbesserung bedeutete und von anderen Konstrukteuren zeitnah übernommen wurde. Gegenüber dem Marktkonkurrenten „Zeppelin“ überzeugten die Schütte-Lanz Luftschiffe vor allem mit einer höheren Geschwindigkeit, die durch ihre aerodynamische Tropfenform erreicht werden konnte. Mit dem 1914 fertiggestellten SL 2 gelang es, eine bahnbrechende Höchstgeschwindigkeit von 88 km/h zu erreichen, wohingegen die Höchstgeschwindigkeit des im selben Jahr fertiggestellten Zeppelin VIII bei gerade einmal 73km/h lag. Die Presse des Kaiserreiches betitelte das SL 2 deshalb auch zurecht als „Deutschlands schnellstes Luftschiff“ (Leipziger Neuste Nachrichten vom 2. Mai 1914). Darüber hinaus war die Explosionsgefahr der SL-Luftschiffe deutlich geringer, da sie mit zwei vertikalen Gasschächten zur Ableitung des aus den Ventilen strömenden Wasserstoffs ausgerüstet waren.
Die Schütte-Lanz Luftschiffe waren grundsätzlich für militärische Zwecke bestimmt. Sie sollten hauptsächlich für Aufklärungsflüge und Schwertransporte eingesetzt werden. Im Januar 1914 entschloss sich die Militär- und Marineverwaltung des Deutschen Reiches das Unternehmen vertraglich an sich zu binden. Damit sollten zum einen der Verkauf von Patenten an potenzielle Interessenten im Ausland und zum anderen eine alleinige Abhängigkeit von Zeppelin verhindert werden. Schütte-Lanz wurde somit zu einem Rüstungsbetrieb, der, von den Prinzipien des Marktes losgelöst, sich von nun an bei seiner Produktion an den Vorstellungen und dem Bedarf des Militärs orientieren musste (Salewski, 161). Die vertraglich besiegelte Kooperation mit dem Preußischen Kriegsministerium ermöglichte dem Unternehmen eine größere Planungssicherheit beim Bau weiterer Luftschiffe und schuf dadurch die Grundlage für die Verwirklichung neuer technischer Innovationen (Wentzler, 102).
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges erhöhte den Bedarf an neuen Luftschiffen erheblich. Die rasant gestiegene Nachfrage war für das Unternehmen nicht kalkulierbar und konnte deshalb mit den vorhandenen Ressourcen nicht bedient werden. Während in der bestehenden Werfthalle in Mannheim-Rheinau das SL III gebaut wurde, stellte das Kriegsministerium dem Unternehmen die Militärluftschiffhallen in Mannheim-Sandhofen und in Darmstadt zum Bau von weiteren Luftschiffen zur Verfügung. Dennoch wurde deutlich, dass aufgrund der hohen Auftragslage und des Drucks seitens des Militärs eine Expansion des Unternehmens dringend notwendig geworden war (Fuchs/ Rehbaum, 204f.).
Die Schütte-Lanz-Werft in Zeesen
Bei ihrer Suche nach einem geeigneten Standort für eine Zweigniederlassung mit eigener Werft wurde die Unternehmensführung auf den Ort Zeesen bei Königs Wusterhausen aufmerksam. Die Gemeinde bot sich insbesondere durch die unmittelbare Nähe zu Berlin für die Expansion des Unternehmens an. Mit der Nähe zur Reichshauptstadt waren kürzere Wege zu leitenden Funktionären des Kriegsministeriums und Reichsmarineamts verbunden. Darüber hinaus konnte das Unternehmen vom pulsierenden Technologietransfer in der Metropole, den lokalen Rohstoffen und dem lokalen Arbeitsmarkt profitieren (Salewski,198ff.). Nicht unerheblich bei der Wahl des Standortes war auch der Umstand, dass sich Zeesen weiter entfernt von der Westgrenze befand als die bis dato betriebenen Schütte-Lanz Werften und somit nicht der unmittelbaren Gefahr von Flugzeugangriffen ausgesetzt war (Salewski,198ff. sowie Meiners, 80).
Nachdem Schütte-Lanz im September 1915 vom Kriegsministerium die Erlaubnis zum Bau einer weiteren Produktionsstätte in Zeesen erhalten hatte, beauftragte das Unternehmen die Firma M.A.N. Werk Gustavsburg mit der Errichtung der Luftschiffwerft. Der Bau wurde durch ein verzinsliches Darlehen des Preußischen Kriegsministeriums und des Reichsmarineamts in einer Höhe von zwei Millionen Reichsmark und einem Zuschuss von einer Million Mark finanziert (Haaland, 115f.). Im Gegenzug verpflichtete sich das Unternehmen dazu, den Bau der gesamten Anlage innerhalb von sechs Monaten abzuschließen und für jeden verspäteten Tag eine Geldstrafe von 5.000 Mark zu zahlen.
Die Werft wurde am 1. April 1916 fristgerecht eröffnet, obwohl sie weder fertiggestellt noch produktionsbereit war. In seiner Eröffnungsrede bemerkte Johann Schütte selbst, dass die Werft „noch nicht fertig, sondern nur eine Werkstatt“ sei und die Eröffnung eher einem „Aprilscherz“ gleichen würde (BArch, R 5, Nr. 3834, o. Bl.). Auf dem insgesamt 264.467 Quadratmeter großen Gelände wurden neben der Halle, die eine Länge von 252, eine Breite von 46,5 und eine Höhe von 35 Metern besaß, jeweils ein Verwaltungs- und ein Wirtschaftsgebäude eingerichtet (BArch, R 5, Nr. 3834, o. Bl.) (Abb. 2)
Die Werft war Ende April 1916 produktionsbereit und nur sechs Monate später lief das erste Luftschiff mit dem Namen SL 12 zum Einsatz bei der Marine aus. Das SL 12 wurde lediglich für Aufklärungsmissionen eingesetzt und nach insgesamt nur neun Einsätzen bei einer Landung in Alhorn am 28. Dezember 1916 so stark beschädigt, dass es danach nicht mehr flugtauglich war. Bis 1917 wurden in der Werft in Zeesen zudem die Luftschiffe SL 17 und SL 21 fertiggestellt (BArch, N682, Nr. 29, o. Bl.). Inzwischen war die militärische Führung ab 1916 dazu übergegangen, vermehrt Flugzeuge einzusetzen, weil sich deren Bau weniger zeitaufwendig, kosten- und personalintensiv gestaltete. Zudem waren diese deutlich schneller und weniger anfällig.
Bei der Konzeption der Werft in Zeesen wurde dieser zukünftige Trend bereits berücksichtigt, sodass man in ihr auch Flugzeuge herstellen konnte. Im Oktober 1916 begann das Unternehmen mit dem Bau von verschiedenen Flugzeugtypen auf dem Gelände der Werft in Zeesen. Bis März 1918 waren in Zeesen rund 100 Flugzeuge und bis Ende 1918 sogar über 500 Flugzeuge fertiggestellt. Schon 1917 wurde eine Fliegerschule in Betrieb genommen und eine Versuchs- und Prüfungsabteilung eingerichtet, die sich mit technisch-wissenschaftlichen Versuchen beschäftigte. Auf dem Gelände in Zeesen arbeiteten im Dezember 1917 genau 181 Angestellte und Beamte sowie 1.536 Arbeiter, wovon nur noch 324 an Luftschiffen und genau 882 an den Flugzeugen tätig waren (BArch, R5, Nr. 3834, o. Bl. sowie Robinson, 403) (Abb. 3).
Die Schütte-Lanz Werft Zeesen nach dem Ersten Weltkrieg
Mit dem Waffenstillstandsabkommen vom 11. November 1918 galt der Erste Weltkrieg als beendet. Im Friedensvertrag von Versailles wurde von den Siegermächten die Einstellung der Werftbetriebe und die Demontierung aller Luftschiffe, außer für zivile Zwecke, festgeschrieben. Der Bau von Luftfahrzeugen blieb laut Vertrag bis Mai 1921 untersagt (Haaland, 88). Auch die Werft in Zeesen wurde gemäß dem Friedensvertrag stillgelegt und vollständig demontiert (Abb. 4).
In Zeesen gründete sich nach dem Krieg die „Schütte-Lanz-Edelholz GmbH“, die sich auf die Herstellung von Türen, Fenstern, Möbeln und Booten spezialisierte, die „Schütte Lanz Kleinautomobil GmbH“, bei dem bis 1925 komplette Personenwagen einer schwedischen Firma in Lizenz gebaut wurden und die „Schütte-Lanz Kommanditgesellschaft“ (Meiners, 90–95). Diese auf dem Gelände der ehemaligen Schütte-Lanz Werft nach dem Krieg gegründeten Unternehmen wurden jedoch am 26. März 1925 aufgelöst und das Grundstück an die Reichspost verkauft.
Das Wirken des Unternehmens Schütte-Lanz in Königs Wusterhausen und darüber hinaus
Zweifelsohne war Johann Schütte ein „Luftfahrtpionier“, der als einer der ersten im Deutschen Kaiserreich akademisch ausgebildeten Ingenieurwissenschaftler mit seinem Erfindergeist wichtige Innovationen und Impulse in die noch junge Luftfahrtindustrie vor dem Ersten Weltkrieg brachte (Salewski/Saul,19). Das Unternehmen Schütte-Lanz stellte für die Region Königs Wusterhausen einen innovativen Wirtschaftsmotor und wichtigen Arbeitgeber dar. Die Ansiedlung einer modernen Luftschiffwerft trug zur Industrialisierung der Gemeinden Zeesen, Königs Wusterhausen und der unmittelbaren Umgebung bei und prägte damit nachhaltig die Region (Albrecht, 25f.)
Nicht unerwähnt sollen hier aber auch die enormen Auswirkungen der militärischen Rüstungsproduktion auf die Zivilbevölkerung im Ausland sein. Die Luftschiffe der deutschen Heeresleitung leisteten inzwischen einen Beitrag bei der Anwendung der völkerrechtswidrigen Taktik des „moral bombing“, bei denen Bomben auf vorzugsweise britische Städte abgeworfen wurden und dabei kein anderes Angriffsziel als die Zivilbevölkerung verfolgten, die dadurch in Angst und Schrecken versetzt werden sollte. Das Unternehmen Schütte-Lanz leistete einen Beitrag zur militärischen Aufrüstung und war durch die enge Kooperation mit dem deutschen Militär einer der wenigen Profiteure des Krieges, der für den Großteil der Bevölkerung Not und Elend bedeutete. Dies wird besonders am Bau der Werft in Zeesen deutlich, der nur umgesetzt wurde, um die kriegsbedingt erhöhte Nachfrage des Militärs bedienen zu können. Die militärische Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg sorgte dafür, dass das Unternehmen seine eigentliche Produktionsware, nämlich militärisches Fluggerät, nicht mehr herstellen durfte.
Quellen
Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde (BArch), R 5, Nr. 3834; N682, Nr. 29.
BLHA, Rep. 37, Nr. 2172; Rep. 37, Nr. 2173; Rep. 5E, Nr. 154; Rep. 5E, Nr. 155; Rep. 5E, Nr. 156.
Leipziger Neueste Nachrichten vom 2. Mai 1914.
Unterhaltungsblatt des Vorwärts vom 10. Dezember 1916.
Literatur
Ahlbrecht, Bernd: Der große Konkurrent – im Schatten eines Riesen? Ein Beitrag über den Luftschiffbau in Zeesen (= Schriftenreihe zur Luftfahrtgeschichte, 8). Berlin 2009.
Fuchs, Christian / Rehbaum, Kai: „Im Bannkreis der Reichshauptstadt“. Königs Wusterhausen zwischen Reichsgründung und Weltkrieg, in: Engel, Felix / Hübener, Kristina (Hg.): Königs Wusterhausen. Eine Stadtgeschichte (= Einzelveröffentlichungen des Kreisarchivs Dahme-Spreewald, 7; Einzelveröffentlichungen der Brandenburgischen Historischen Kommission e.V., 23). Berlin 2020, S. 172-211.
Haaland, Dorothea: Der Luftschiffbau Schütte-Lanz Mannheim-Rheinau (1909-1925). Die Geschichte einer innovativen Idee als zeitlich-räumlicher Prozeß (= Südwestdeutsche Schriften, 4). Mannheim 1987.
Meiners, Reinhard / Meyer, Lioba / Post, Dieter: Unternehmensgeschichte Luftschiffbau Schütte-Lanz. In: Bleibler, Jürgen / Meyer, Lioba (Hg.): Der Traum vom Fliegen. Johann Schütte – ein Pionier der Luftfahrt (= Veröffentlichungen des Stadtmuseums Oldenburg, 38). Oldenburg 2000, S. 76-97.
Robinson, Douglas H.: The Zeppelin in Combat. History oft he German Naval Airship Division 1912-1918. London 1966.
Salewski, Christian Rainer: Ein Luftfahrtpionier aus Nordwestdeutschland. Biographische Studien zu Johann Heinrich Schütte (1873-1940). In: Wissenschaftliches Jahrbuch Zeppelin Museum Friedrichshafen 2007, S. 45-321.
Salewski, Christian Rainer / Saul, Klaus: Der Luftfahrtpionier Johann Heinrich Schütte. In: Einblicke –Forschungsmagazin. Nr. 45, Oldenburg 2007.
Schütte, Johann: Der Luftschiffbau Schütte-Lanz 1909-1925. München 1926.
Wentzler, Sebastian: Die Schütte-Lanz-Innovation. Technische Neuerungen des Luftschiffbaus Schütte-Lanz in den Jahren 1909-14 im Vergleich zum Luftschiffbau Zeppelin. Oldenburg 2000.
Abbildungsnachweis
Abb. 1, 2 Engel, Felix/ Hübener, Kristina (Hrsg. in Verbindung mit dem Dahmelandmuseum): Königs Wusterhausen. Eine Stadtgeschichte (= Einzelveröffentlichungen des Kreisarchivs Dahme-Spreewald,7; Einzelveröffentlichungen der Brandenburgischen Historischen Kommission e.V., 3), Berlin 2020.
Abb. 3 Unterhaltungsblatt des Vorwärts, Jg. 33, Nr. 283 v. 10. Dezember 1916.
Abb. 4 Schütte, Johann: Fliegende Zigarren. Ein historischer Bildband der Luftschiffe Schütte-Lanz von 1909-1925, München 1926.
Empfohlene Zitierweise
Rehbaum, Kai: Schütte-Lanz Werft, Zeesen, publiziert am 14.03.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)