Deka Pneumatik GmbH, Fürstenwalde

Hans-Jürgen Woldt (ergänzt und bearbeitet von Julian-Dakota Bock)

Im Jahr 1922 wurde in Berlin die „Deka Pneumatik GmbH“ zur Herstellung von Kraftfahrzeugreifen gegründet. Die Firma war eine Fabrik der bereits 1896 gegründeten „Deutschen Kabelwerke“ der jüdischen Familie Hirschmann. Die Ausbreitung des Kraftfahrzeugwesens in Deutschland hatte die Eigentümerfamilie zum Anlass genommen, das Reifengeschäft kontinuierlich auszubauen. Die „Deka Pneumatik“ bot verschiedene Produkte für Fahr- und Motorräder und für Automobile und Lastkraftwagen an. Anfang der 1930er-Jahre stellte die Firma in Berlin-Boxhagen täglich 1.000 Reifen her (Abb. 1-3).

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 wurde damit begonnen, die Familie Hirschmann zur Aufgabe zu zwingen und aus der Firma zu drängen. Unter dem Vorwand der Bilanzverschleierung verhaftete die Geheime Staatspolizei (Gestapo) Siegfried und Bernhard Hirschmann am 29. Juli 1933. Gegen die Hirschmanns wurde ab 15. Mai 1934 in Fürstenwalde die Hauptverhandlung begonnen. Diese Tatsache nahm man zum Vorwand, den Hirschmanns alle Verträge im Zusammenhang mit der Führung ihrer Firma zu kündigen. Gegen eine Abstandszahlung von 2.500 Mark war damit die sogenannte Arisierung der Kabelwerke vollzogen. In den Jahren 1934 und 1935 wurden die Hirschmanns zum Verkauf ihrer Anteile gezwungen. Die Gebrüder Hirschmann und ihre Familien verließen Deutschland zwischen 1935 und 1939.

In Fürstenwalde waren die „Deutsche Kabelwerke“ mit der Kabelproduktion bereits seit 1925 in einem modernen Werksbau in Ketschendorf bei Fürstenwalde aktiv. Im Jahr 1937 begann nun am nördlichen Ende des Tränkewegs in Ketschendorf bei Fürstenwalde der Bau eines neuen Werkes für die Herstellung von kriegswichtigen Reifen sowie Gummierzeugnissen für Panzer und Artilleriegeschütze (Abb. 4). Obwohl als Bauherr die „Deutsche Kabelwerke AG“ auftrat, wurde zur Verwirklichung dieses Vorhabens am 6. November 1936 in Berlin die „Wirtschaftsstelle für Kraftfahrzeugreifen (WIKRAFA) Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ mit einem Stammkapital von 20.000 RM gegründet. Das Werk war von Anfang an als reiner Rüstungsbetrieb zur Versorgung der Deutschen Wehrmacht geplant.

Die „Deka Pneumatik GmbH - Werk 2 Ketschendorf“ – ging im September 1940 in Betrieb. Sie umfasste im wesentlichen folgende Anlagenteile:

  • 1 Roh- und Fertighalle
  • 1 Walzwerkhalle
  • 1 Kalanderhalle
  • 1 Brennerhalle
  • 1 Aufbereitungshalle
  • 1 Dampfturm
  • 1 Elektroturm
  • 1 Wasserwerk mit Filterhaus und Maschinenhaus
  • und die erforderlichen kleinen Nebengebäude.

Im Jahr 1940 wurden in Ketschendorf 40.000 Reifen für Kraftfahrzeuge, 5.000 Gummipolster und 1.200 Bandagen und Geschützreifen produziert (Abb. 5). Dafür verarbeitete man rund 400 t Kautschuk. Die gesamte Produktion ging ausschließlich an die deutsche Wehrmacht. Der Kurswert der Deka Aktie stieg dadurch von 58,2 Punkten im Jahr 1933 auf 225 Punkte im Jahr 1942.

Zum Werk gehörten ein Lagerbereich, der Mischsaal für die Herstellung von Gummimischungen, die Reifenkonfektion sowie die Brennerei (Reifenvulkanisation) mit der dazugehörenden Heizschlauchfertigung. Die notwendige Dampfenergie wurde aus dem nebenan liegenden Kraftwerk der „Deutschen Kabelwerke“ bezogen. Anfangs wurde neben dem bereits erfolgenden Einsatz von BUNA Kautschuk noch Naturkautschuk verwendet, dessen Bezug aber für Deutschland zunehmend schwieriger wurde. Deshalb setzte man ab 1941 verstärkt auf den Einsatz von BUNA Kautschuk, was technologische Folgeinvestitionen erforderlich machte, wie z. B. den Bau einer Kondensataufbereitungsanlage.

Neben dem eigentlichen Werksbau wurden zudem Sozialgebäude, Kantinen und Belegschaftsunterkünfte erstellt. Auch die Deka Siedlung mit ca. 140 Wohnungen wurde 1940 fertig gestellt.

Am 12. August 1941 beschloss eine außerordentliche Gesellschafterversammlung eine Kapitalerhöhung auf 100.000 RM. Die WIKRAFA wurde einer der Gesellschafter mit einem Eigenanteil von 2.000 RM.

Eine erste Erweiterung des Werkes war bereits 1943 notwendig. Diese umfasste u.a. die Erweiterung des BUNA Abbaus (ein technologisches thermisches Verfahren zur Plastizierbarkeit des BUNA Kautschuks), eine Benzinrückgewinnung und einer Abwiegerei für Reifenrohstoffe. Hauptgrund war aber die Erweiterung der Vulkanisation um eine dritte Kesselanlage, bestehend aus zwölf Autoklavkesseln nebst Autoklavkeller.

1944 wies die Deka Pneumatik GmbH bei einem Umsatz von 35,5 Mio. Reichsmark einen Gewinn von 5,2 Mio. RM aus. Das Werk Ketschendorf hatte zu diesem Zeitpunkt ca. 1.500 Beschäftigte.

30 % der Beschäftigten im Jahr 1944 waren Deutsche und hier überwiegend Frauen. Dadurch, dass fast alle Männer an die Front mussten, waren z. B. in der Konfektion nur noch zwei Männer in einer Schicht.

Neben der Reifenwerksiedlung mit insgesamt 175 Wohnungen für die leitenden Angestellten (nur 22 Arbeiter leisteten sich die Wohnungen dort) wurden auch verschiedene Wohnkomplexe für Arbeitskräfte verschiedener Klassen gebaut, zum Beispiel eine sogenannte Gefolgschaftsbaracke südlich der Hauptwerkstraße für inländische Arbeitskräfte.

Das Ausländer-Lager weiter südlich war für französische, belgische und italienische Zwangsarbeiter und das Lager der „Ostarbeiter“ für polnische und sowjetische Zwangsarbeiter. Es waren Unterkünfte, in denen die Beschäftigten unter haftähnlichen Bedingungen untergebracht waren. Verstöße jeglicher Art, wie auch das Nichterbringen der geforderten Arbeitsleistung, wurden mit Überführung in das Nebenlager des KZ Sachsenhausen am Fuße der Rauener Berge geahndet.

Am 16. April 1945 gab es im Zuge des Sturms der Sowjetarmee auf Berlin einen Fliegerangriff auf Fürstenwalde. Obwohl die gesamte Stadt erhebliche Schäden und Zerstörungen zu verzeichnen hatte, blieben die Produktionsstätten der „Deutschen Kabelwerke“ und der „Deka Pneumatik“ nahezu unversehrt. Lediglich ein Treffer ging in das Barackenlager am Tränkeweg. Dabei kamen 17 Zwangsarbeiter ums Leben.

Literatur

Woldt, Hans-Jürgen: Profilspuren. 80 Jahre Reifenwerk, Kulturfabrik Fürstenwalde 2020.

Abbildungsnachweis

Abb. 1-3 Gemeinfrei

Abb. 4, 5 Museum Fürstenwalde

Empfohlene Zitierweise

Woldt, Hans-Jürgen: Deka Pneumatik GmbH, Fürstenwalde, publiziert am 17.08.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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