VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg

Katrin Verch (ergänzt und bearbeitet von Julian-Dakota Bock)

In der unmittelbaren Nachkriegszeit gab es auf dem Gebiet der DDR nur wenige intakte Stahlwerke. Aus diesem Grund forcierte die SED durch die Beschlüsse des II. Parteitages von 1947 den Ausbau der ostdeutschen Schwerindustrie. Nachdem in Kirchmöser bei Brandenburg am 23. Februar 1949 der Grundstein für ein Walzwerk gelegt worden war, beschloss der Ministerrat der DDR am 15. Dezember 1949 den Aufbau eines Stahlwerkes am Standort der ehemaligen „Mitteldeutschen Stahlwerke AG“. Bereits im Juli 1949 war mit Räumungsarbeiten begonnen worden, die Grundsteinlegung erfolgte am 15. Februar 1950.

Am 25. Juli 1950 floss der erste Stahl. Erster technischer Direktor des Werkes wurde Friedrich Franz, welchem bereits seit 1947 die Leitung der Planungs- und Wiederaufbauarbeiten am Stahlwerk oblagen. Am 7. Juli 1951 wurde bereits der achte Siemens-Martin-Ofen in Betrieb genommen, bis 1967 waren es zwölf. Weitere Schritte bei der Erweiterung des Werkes waren die Inbetriebnahme der 850er-Straße für die Walzung von Halbzeugen und Profilen am 13. Oktober 1953, die Inbetriebnahme der Halbkontinuierlichen Drahtstraße am 8. Mai 1956 und die Inbetriebnahme der Drahtzieherei am 17. Oktober 1960 (Abb. 1-6). Es folgten die erste Warmfunktionsproben der 1120er Block- und Brammenstraße am 15. Mai 1962, die Warmfunktionsprobe des Elektrostahlwerkes am 5. Oktober 1979 sowie die Inbetriebnahme der Konti-Drahtstraße am 30. März 1981.

Ab 1957 war das Walzwerk „Willy Becker“ in Kirchmöser als selbstständiger Betrieb aufgelöst und in das Stahl- und Walzwerk eingegliedert worden. Trotz der zahlreichen Erweiterungen kam es in den späten 1960er-Jahren zu einem massiven Investitionsstau im Betrieb, weshalb die überzogenen Erwartungen der DDR-Staatsführung nicht erfüllt werden konnten. In der Folge dieses Konfliktes wurde die gesamte Leitungsebene des Betriebes ausgetauscht sowie zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt.  

Im Werk befanden sich außerdem eine Grobblechstraße, eine Haldenaufbereitungsanlage, zwei Schrottscheren und zwei Schrottpressen. Zum Produktionssortiment des VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg“ (SWB) gehörten Rohstahl, Halbzeug, Formstahl, Schienen, Stabstahl, Grobbleche, Walzdraht, gezogener Stahldraht, Konsumgüter und Mineralbeton. Das SWB entwickelte sich zum größten Rohstahlerzeuger der DDR. Aus diesem Grund nahm er neben der ökonomischen Bedeutung auch eine wichtige ideologische Rolle für die Staats- und Parteiführung ein.

Das Werk entwickelte sich schnell zu einem der größten Arbeitgeber in der Region. So gab es 1953 im Werk 4.510 Beschäftigte. Bereits 1954 wurde aus diesem Grund an die Tradition des Werksiedlungsbaus angeknüpft und eine Arbeiterwohnungsbaugesellschaft gegründet (Abb. 7). Bis Mitte der 1980er Jahre stieg die Anzahl der Beschäftigten im Werk auf ca. 10.000. Zu diesem Zeitpunkt verfügt man über 1.726 Arbeiterwohnungen.

Der Aufbau des Werkes wurde durch die VVB (Z) Vesta Leipzig, einer VVB zur Produktion und Verarbeitung von Roheisen, Stahl und Walzerzeugnissen, begleitet. Ab 1951 unterstand das SWB dem Ministerium für Schwerindustrie, Ministerium für Hüttenwesen und Erzbergbau bzw. Ministerium für Berg- und Hüttenwesen direkt. 1958 wurde es der VVB Stahl- und Walzwerke Berlin zugeordnet. Zum 1. Januar 1969 wurde der VEB Qualitäts- und Edelstahlkombinat gebildet, dem das SWB nun angehörte, ab 1. Januar 1979 als Stammbetrieb.

1990 wurde der volkseigene Betrieb zur „Stahl- und Walzwerk Brandenburg GmbH“ umgewandelt. 1993 wurden die Walzenstraßen und das Siemens-Martin-Stahlwerk stillgelegt, das Elektrostahlwerk, die Kontinuierliche Drahtstraße und die Haldenaufbereitungsanlage hatte 1992 der italienische Riva-Konzern gekauft.

VVB – Vereinigung Volkseigener Betriebe

Quellen

Betriebsparteileitung der SED (Hrsg.): Roter Stahl. Betriebszeitung des VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg. Organ der Parteileitung des VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg/ Havel. Betriebszeitung für die Belegschaft der Werke Brandenburg und Kirchmöser. Organ der Parteileitung des VEB Stahl- und Walzwerk, 1959-1990.

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 502 VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg. [Siehe: Hier]

SED-Betriebsparteiorganisation des VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg (Hrsg.): Brandenburger Stahlwerker. Betriebszeitung des VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg, 1954.

Literatur

Autorenkollektiv: 90 Jahre Stahl aus Brandenburg. Zeitzeugen berichten. Berlin/Bonn 2005.

Baxmann, Matthias / Hänsel, Jessica: Das Stahl- und Walzwerk in Brandenburg an der Havel. In: Die Mark Brandenburg. Zeitschrift für die Mark und das Land Brandenburg Sonderheft (2018), S. 12-14.

Geschäftsführung der SWB GmbH (Hrsg.): Das Stahl- und Walzwerk Brandenburg im Spiegel der Zeit. Brandenburg 1994.

Krohn, Marius: Versteinerte Geschichte. Die „Walzwerksiedlung“ in Brandenburg an der Havel. In: Historischer Verein Brandenburg (Havel) e.V. Jahresbericht 26 (2017), S. 145-157.

Menzel, Stefan: Die Konsumgüterproduktion im VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg. In: Historischer Verein Brandenburg (Havel) e.V. Jahresbericht 26 (2017), S. 7-46.

Ott, Alexander / Kessner, Freimut: Die Stärkeren. VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg/ H. o.O. 1957.

Treskow, Sieglinde von: Stahl- und Walzwerk Brandenburg. In: Geiseler, Udo / Heß, Klaus (Hrsg.): Brandenburg an der Havel. Lexikon zur Stadtgeschichte (= Einzelveröffentlichungen der Brandenburgischen Historischen Kommission e.V.; 13). Berlin 2008, S. 358-359.

Treskow, Sieglinde von; Sponholz, Wolfgang: Stahlstandort am Silokanal. In: Heinrich, Gerd u.a. (Hrsg.): Stahl und Brennabor. Die Stadt Brandenburg im 19. und 20. Jahrhundert (= Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte; 3). Potsdam 1998, S. 419-431.

Zentrale Parteileitung der Betriebsparteiorganisation des VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg (Hrsg.): Zeittafel. 30 Jahre DDR. 30 Jahre VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg. Brandenburg 1979.

Verch, Katrin: VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg. Stammbetrieb des VEB Qualitäts- und Edelstahlkombinat Brandenburg. In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 331-333.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-45948-0011,_VEB_Stahl-_und_Walzwerk_Brandenburg-Havel.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-45948-0011; Foto: Junge, Peter Heinz/Sturm, Horst - CC-BY-SA 3.0).

Abb. 2 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-45948-0006,_VEB_Stahl-_und_Walzwerk_Brandenburg-Havel.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-45948-0006; Foto: Junge, Peter Heinz/Sturm, Horst - CC-BY-SA 3.0).

Abb. 3 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-67095-0005,_VEB_Stahl-_und_Walzwerk_Brandenburg,_Gie%C3%9Fgrube.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-67095-0005; Foto: Zühlsdorf, Erich - CC-BY-SA 3.0).

Abb. 4 https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Bundesarchiv_Bild_183-27430-0002,_VEB_Stahl-_und_Walzwerk_Brandenburg-Havel.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-27430-0002; Foto: Quaschinsky, Hans-Günter - CC-BY-SA 3.0).

Abb. 5 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-45948-0001,_VEB_Stahl-_und_Walzwerk_Brandenburg-Havel.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-45948-0001; Foto: Junge, Peter Heinz/Sturm, Horst - CC-BY-SA 3.0).

Abb. 6 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-27429-0009,_VEB_Stahl-_und_Walzwerk_Brandenburg,_Walzenprofil.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-27429-0009; Foto: Quaschinsky, Hans-Günter - CC-BY-SA 3.0).

Abb. 7 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-45948-0008,_VEB_Stahl-_und_Walzwerk_Brandenburg-Havel.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-45948-0008; Foto: Junge, Peter Heinz/Sturm, Horst - CC-BY-SA 3.0).

Empfohlene Zitierweise

Verch, Katrin: VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg, publiziert am 21.03.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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