VEB Textil- und Konfektionsbetrieb Cottbus (Textilkombinat Cottbus - Stammbetrieb / TKC)

Vinzenz Czech

Situation nach 1945

In Cottbus existierte seit Jahrhunderten eine traditionell gewachsene Textilindustrie. Von den ehemals dutzenden größeren und kleineren Fabriken werden 1946 in einem Branchenbuch noch insgesamt 17 Tuchfabriken, zwei Volltuchfabriken, drei Walk- und Appreturbetriebe, drei Färbereien, zwei Fabriken für Herrenbekleidung, eine Strumpffabrik, eine Hutfabrik, drei Teppichfabriken, eine Großstrickerei, zwei Zwirnereien, vier Spinnereien, drei Segeltuchwebereien und eine Weberei aufgeführt (Britza 2008, Anlage 2).

Die meisten der nach und nach wieder produzierenden Betriebe wurden in der Folge enteignet, verstaatlicht und zu größeren Einheiten zusammengefasst. Ehemalige Konfektionsbetriebe bildeten ab 1952 den „VEB Bekleidungswerke Cottbus“ (BeWeCo). Vorherrschende Bedeutung kamen darüber hinaus dem „VEB Cottbuser Wollwarenfabrik“ und dem „VEB Tuchfabrik Cottbus“ zu, die beide 1953 aus der Zusammenlegung zahlreicher, vormals eigenständige Betriebe entstanden. Über drei Viertel der in der Cottbuser Textilindustrie Beschäftigten verrichteten in diesen beiden VEB ihre Arbeit. Annähernd die Hälfte der hier produzierten Stoffe ging in den Export (Seidel 2013, 86).

Im Jahr 1966 wurde die Tradition der Tuchindustrie noch durch elf Betriebe aufrechterhalten: sieben Tuchfabriken, zwei Färbereien, sowie zwei Walk- und Appreturbetriebe (Zuckermann 1981, 102). Neben den VEB waren darunter auch noch einige private bzw. halbstaatliche Betriebe.

Neubau

Ende der 1960er Jahre sah sich die DDR-Führung genötigt, dem Problem bei der Versorgung der Bevölkerung mit klassischen Herrenanzügen und Damenkostümen endlich zu begegnen. Der Mangel sollte mit einer Fertigung von Bekleidungsstücken aus einem zu 100 % aus texturierter Polyesterseide gestrickten Gewebe überwunden werden. Der Ministerrat der DDR beschloss daher Ende 1967 die Errichtung eines Textil- und Konfektionsbetriebes in Cottbus zur Versorgung der Bevölkerung mit pflegeleichter Oberbekleidung aus texturierter Polyesterseide. Dass die Standortwahl des neuen Großbetriebes auf Cottbus fiel, hat sicher nicht allein mit der „textilen“ Vergangenheit der Stadt zu tun. Vielmehr sah man die Möglichkeit, dadurch genügend Arbeitsplätze für die zahlreichen Frauen zur Verfügung zu stellen, deren Männer im Braunkohlebergbau im Cottbuser Umland beschäftigt waren.

Am 15. Oktober 1968 erfolgte der erste Spatenstich und bereits am 16. April 1969 begann in Halle 1 die Montage der ersten, aus Westdeutschland importierten Mayer-Strickmaschinen (Abb. 1). Wenige Tage später lief der Probebetrieb an und am 26. Juni startete die Versuchsproduktion (Seidel 2013, 93). Bis 1972 musste die notwendige Polyesterseide aus der BRD und der Schweiz mittels Valuta teuer eingekauft werden. Erst danach fungierte das Chemiefaserwerk in Guben als Zulieferbetrieb (Heimhilger 2019).

Am 18. Februar 1972 begann schließlich die Inbetriebnahme der achten und letzten Produktionshalle. Die Werksanlage in Cottbus-Schmellwitz hatte sich in den Jahren nach 1968 zu einem umfänglichen Komplex entwickelt, inklusive Sozialgebäuden, Küchen, Betriebspolyklinik, Kaufhalle, Kindereinrichtungen sowie einem Rechenzentrum (Abb. 2, 3).

Betriebsname

Etwas Verwirrung kommt mitunter bei der Benennung des neuen Betriebs auf (dazu ausführlich: Seidel 2013, 99-101). Noch während des Baues erhielt der Betrieb am 1. Dezember 1968 den Namen „VEB Textilkombinat Cottbus“. Am gleichen Tag erfolgte die Gründung eines Industriekombinates gleichen Namens. Zusammengeschlossen wurden dazu der „VEB Cottbuser Wollwarenfabrik“ und der „VEB Tuchfabrik Cottbus“, wobei der „VEB Wollwarenfabrik“ tatsächlich noch einige Zeit weiterbestand, bis alle Beschäftigten im TKC eingegliedert wurden. Und auch der „VEB Tuchfabrik“ galt ab 1974 wieder juristisch selbstständig und nicht mehr als Teil des Kombinates. Damit trugen der neue Betrieb und das Kombinat den gleichen Namen. Als im Januar 1970 die VEB „Forster Tuchfabriken“, „Gubener Wolle“, „Spremberger Textilwerke“, „Feintuch Finsterwalde“, „Volltuch Luckenwalde“, „Oberlausitzer Volltuchfabrik Görlitz“ sowie der „VEB Herrenmode Dresden“ und der „VEB Bekleidungswerke Cottbus“ (BeWeCo) dem Kombinat zugeordnet wurden, wandelte sich das Cottbuser Werk zum Stammbetrieb und erhielt den Namen „VEB Textilkombinat Cottbus – Stammbetrieb“. Im Zuge der Verstaatlichung von privaten oder halbstaatlichen Betrieben kamen 1972-1974 weitere Betriebe zum Kombinat.

Die Leitung des Stammbetriebes und des Kombinates waren anfangs noch integriert, was jedoch zu Organisations- und Kommunikationsproblemen führte. 1973 wurde der Stammbetrieb daher aus der Kombinatsleitung herausgelöst und dieser als eigenständiger VEB unterstellt. Er erhielt daraufhin auch den neuen Namen „VEB Textil- und Konfektionsbetrieb Cottbus“ und trug diesen bis zu seiner Auflösung 1993. Bei der Bevölkerung behielt der Betrieb umgangssprachlich jedoch weiter seine erste Bezeichnung „Textilkombinat Cottbus“ oder kurz „TKC“, was streng genommen nicht richtig ist, da zu einem „Kombinat“ immer mehrere VEB zusammengeschlossen wurden.

Erzeugnisse

Der „VEB Textil- und Konfektionsbetrieb Cottbus“ spezialisierte sich auf die Erzeugung von Damenoberbekleidung aus vollsynthetischem Gestrick. Aus Anlass des 20. Jahrestages der Gründung der DDR 1969 erhielt der dafür produzierte Stoff die Bezeichnung „Präsent 20“. Am 14. Juli 1969 waren die ersten Bekleidungsstücke von den Bekleidungswerken Cottbus (BeWeCo) fertiggestellt worden. Zum Cottbuser Werk gehörten auch Betriebsstätten in Forst, Lauchhammer, Hoyerswerda und Peitz. Dort wurden die in Cottbus zugeschnittenen und vorgefertigten Stoffteile ausschließlich zusammengenäht. Danach kamen sie wieder nach Cottbus zur Endfertigung zurück. Hier wurden die Bekleidungsstücke noch gesäumt, Knöpfe angenäht, gebügelt, kontrolliert, verpackt und zum Versand bereitgestellt (Heimhilger 2019).

Aufgrund der Kooperation mit dem „Chemiefaserwerk Guben“ konnte der Inlandsmarkt Anfang der 1970er Jahre mit moderner Bekleidung versorgt werden (Abb. 4). „Präsent 20“ wurde in der DDR und auch darüber hinaus in der Folge propagandistisch zu einem Prestigeartikel aufgewertet. Der Stoff war zwar pflegeleicht und gut waschbar, wies aber die typischen Nachteile synthetischer Stoffe auf. Elektrostatische Aufladungen wirkten oft unangenehm, „Fadenzieher“ führten zu Fehlern im Stoff und Träger bzw. Trägerinnen schwitzen recht schnell. Nichtsdestotrotz waren „Präsent 20“ Modestücke bei Veröffentlichung beliebt und angesehen in der Bevölkerung (Seidel 2013, 113f.).

Maschinen, Stoffe, Beschäftigte

Der Maschinenpark in der Strickerei wurde nach und nach bis auf 216 Großrundstrickmaschinen erweitert. Dadurch stieg die Herstellung von 5 Mio. auf 14,3 Mio. Quadratmeter Tuch in den achtziger Jahren. 120 Strickerinnen waren zu der Zeit an den Maschinen beschäftigt. Im Frühjahr 1971 begann die Montage der Ringzwirnmaschinen mit den deutschen Maschinen RZ 6 und den sowjetischen Maschinen vom Typ TK 200. Beim Ringzwirnen werden Garne zu einem Faden zusammengedreht. Ab Mai begann die Produktion, ohne die sowjetischen Maschinen. Sie waren für diesen Produktionsprozess nicht geeignet (Heimhilger 2019).
Am 21. April wurde die modernste Texturseidenfärberei der damaligen Zeit in Betrieb genommen. Entwickelt, gebaut und installiert wurde diese Anlage von einer Schweizer Firma unter Aufsicht der Staatssicherheit, um Wirtschaftsspionage zu verhindern. Die Arbeitsgänge der Färbeprozesse wurden durch eine Steuerzentrale kontrolliert und gesteuert (Abb. 5).

Mehrere Umzugsetappen erfolgten schrittweise ab Februar 1972. Es galt die externen Betriebsstellen an nur einen Ort zu konzentrieren, um Transportwege einzusparen. In Halle 7 sollte die zentrale Vorarbeit, die Endfertigung, die Bügelei und das Fertigwarenlager untergebracht werden. Der Zuschnitt und die Konfektionsnähbänder fanden in Halle 8 ihr neues Domizil. Die Verlagerung der Abteilung Flächenveredelung aus dem Werk in der Ewald-Haase-Straße (ehemals Cottbuser Wolle) in die Halle 5 wurde im Januar 1973 abgeschlossen. Bis 1975 war mit dem vollständigen Umzug der Maschinen und der Mitarbeiter aus den Zweigbetrieben und die Konzentration der Fertigungsstufen von der Veredelung der Seide bis zum fertigen Erzeugnis an nur einem Standort vollendet. Die Anzahl der Mitarbeiter wuchs seit der Übergabe des Werkes und der Gründung des Kombinates auf etwa 4.000 im Stammbetrieb an. Allein in der Konfektion waren etwa 1.000 Mitarbeiterinnen beschäftigt (Heimhilger 2019) (Abb. 6).

Am 30. August 1980 begann im „TKC“ mit 60 Mitarbeitern die Veredelungsproduktion von gezwirnter fixierter Dedotexpolyamidseide aus dem „Chemiefaserwerk Guben“ für die Herstellung velourartiger Teppiche für das Teppichwerk in Malchow. Die Fasern wurden hier veredelt und gefärbt. Man versuchte eine weitere Produktionspalette auf dem Markt zu bringen. Waren es im ersten Jahr 700 Tonnen, die veredelt wurden, so stieg die Produktion bis zum Ende des Jahrzehnts auf über 7.000 Tonnen an (Heimhilger 2019).

Am 16. Dezember 1981 erfolgte die Übergabe einer spanischen computergesteuerten Gradations- und Schnittbildoptimierungsanlage „Investronica“ mit den dazugehörigen Programmen an den Betrieb. So konnten Schnittbilder auf Heißsiegelpapier gezeichnet werden, die auf die Stofflagen aufgebügelt wurden und nach deren Konturen zuerst manuell ausgeschnitten wurde. Später erfolgte eine automatische Zuschneide über eine Anlage, die an das System angeschlossen wurde. Dadurch erfolgte das Ausschneiden automatisch. Durch Einsatz der neuen Maschine erhielten die Stoffe ein exaktes Schnittbild und das Ausschneiden verschiedener Größen nach Tabellen war möglich. Das war damals die neueste Technologie auf dem Weltmarkt (Heimhilger 2019) (Abb. 7).

Probleme

Spätestens in den 80er Jahren gingen die Nachfrage und der Absatz der Produkte jedoch ständig zurück. Eine Abneigung gegenüber Chemiefasern und die Hinwendung zu Naturfasern, Jeans und sportlicher Bekleidung führten zu völlig veränderten Anforderungen. Auch war die Nachfrage nach Baumwollgewebe weltweit gestiegen. Trug bei Veranstaltungen jeder zweite DDR-Bürger zwar noch „Präsent 20“ Bekleidungen, passte die stark formelle Kleidung nicht mehr in das sich wandelnde Modebild. So gab es durchaus kritische Stimmen zur modischen Produktion der Bekleidungen. Die hergestellten Modelle waren nicht mehr ansprechend genug. Das „TKC“ musste sich umstellen.

Mit der Einfuhr sowjetischer Baumwolle in die Baumwollspinnerei in Leinefelde (Thüringen) wurde beschlossen, dass die Texturseidenproduktion von dort nach Cottbus verlegt werden sollte. Das bedeutete für das Cottbuser Werk, die Großrundgestricke (GRS) schrittweise einzustellen und die Produktion der Texturier-, Färbe-, Ringzwirn- und Cornereikapazitäten zu erhöhen. Nach und nach wurden die Strickmaschinen in das Kombinat „Wolle und Seide“ nach Glauchau umgesetzt. Die letzte GRS-Maschine verließt 1985 den Standort Cottbus, von einst 216 Maschinen. Somit war die Herstellung von Flächentuchen eingestellt worden (Heimhilger 2019).

Aus dem Werk „Fläche“ wurde das Werk „Texturseide“. Es wurde nur noch Polyesterseide veredelt. Die veredelte Seide wurde an etwa 50 Großabnehmer in der DDR und im Ausland geliefert. Die benötigten Gestricke für das Werk „Konfektion“ erhielt das TKC seitdem aus dem Glauchauer Werk (Heimhilger 2019).

Ab 1987 wurden wegen Arbeitskräftemangel wie vielerorts auch im „TKC“ vietnamesische Mitarbeiterinnen angeworben. Sie arbeiteten als Näherinnen im Dreischichtsystem in einem separaten Saal.

Schließung

Nach der politischen Wende merkte man recht schnell, dass unter marktwirtschaftlichen Bedingungen die Produktion des Betriebes so wie bisher nicht mehr weitergeführt werden konnte.
Mit dem Rückgang der außenwirtschaftlichen Beziehungen verschlechterte sich die Lage für das „TKC“. Es gab kaum noch Abnehmer für die Bekleidungen. Weiterhin fehlten Arbeitskräfte, Material und Ersatzteile für den veralteten Maschinenpark. Zunächst erfolgten Werksausgliederungen und der Mitarbeiterabbau wurde vorangetrieben.

Auf dem Gelände des „TKC“ versuchte ein Teil der Belegschaft 1990 einen Neubeginn als „Textil und Konfektionsbetrieb GmbH“. Es dauerte jedoch nicht lange, bis der Betrieb geschlossen werden musste. Am 13. Oktober 1993 erfolgt die Liquidation des Unternehmens.

Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep 907 VEB Textilkombinat Cottbus [Siehe: Hier]

Literatur

Britza, Rita / Trautmann, Helga / Gadau, Hans-Dieter: 50 Jahre Textilindustrie Cottbus. Dokumentation bei der ACOL, Gesellschaft für Arbeitsförderung mbH Cottbus. 2008.

Heimhilger, Günter: VEB Textilkombinat Cottbus (TKC). In: https://cottbuswiki.de/textilkombinat/ (Redaktionsschluss 9/2019).

Seidel, Robert: Auf verlorenem Posten im Reich der Braunkohle? Von den Anfängen der Niederlausitzer Tuchindustrie bis zur Errichtung des Textil- und Konfektionsbetriebes Cottbus im Kohle- und Energiebezirk der DDR. Berlin 2013.

Verch, Katrin: VEB Textilkombinat Cottbus. In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 396-398.

Zuckermann, Bettina: Standortentwicklung und Standortverteilung der Tuchindustrie im Bezirk Cottbus in der Zeit von 1870 bis 1967 – eine historisch-geographische Analyse. Cottbus 1981.

Abbildungsnachweis

Abb. 1, 3 Heimhilger 2019

Abb. 2, 5, 7 Britza u.a. 2008

Abb. 6 File:Bundesarchiv Bild 183-1987-0118-018, Cottbus, Textilkombinat, Zwirnerin.jpg (Bundesarchiv, Bild 183-1987-0118-018, Foto: Kasper, Jan Peter - CC-BY-SA 3.0)

Empfohlene Zitierweise

Czech, Vinzenz: VEB Textil- und Konfektionsbetrieb Cottbus (Textilkombinat Cottbus - Stammbetrieb / TKC); publiziert am 06.05.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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