VEB Großkokerei („Mátyás Rákosi“) Lauchhammer
Katrin Verch (bearbeitet und ergänzt von Vinzenz Czech)
Die Gründung des „VEB Großkokerei Lauchhammer“ erfolgte vor dem Hintergrund, dass die DDR über große Vorräte an Braunkohle, jedoch kaum über Steinkohle verfügte und insbesondere für die Versorgung der metallurgischen und chemischen Industrie vor der Aufgabe stand, aus der heimischen Braunkohle Koks herzustellen. Dessen Gasgehalt und Kohlenstoffkonzentration musste den Werten von Steinkohlenkoks entsprechen, Asche- und Schwefelgehalt sowie Heizwert dem Steinkohlenkoks nahekommen und dessen Stückigkeit und Abriebfestigkeit so groß sein, dass er in Niederschachtöfen, aber auch in kleinen Hochöfen eingesetzt werden konnte. Versuche zur Herstellung von Braunkohlenhochtemperaturkoks (BHT-Koks) gab es bereits seit den 1930er Jahren.
Der Verfahrenstechniker Prof. Dr. Erich Rammler (1901-1986) und der Bergbauingenieur Dr. Georg Bilkenroth (1898-1982) entwickelten ein entsprechendes Verfahren, das sie im Sommer 1950 dem Ministerium für Schwerindustrie/HA Kohle vorstellten. Sie konzentrierten sich dabei auf die Niederlausitzer Braunkohle, die den gewünschten Eigenschaften am ehesten entsprach und meldeten ihr Verfahren 1952 zum Patent an. Schon am 22. September 1951 gab das Ministerium die Weisung zum Bau der Großkokerei in Lauchhammer. Der Umbau der dortigen Brikettfabriken (Bfk) 5, 6 und 9/II (später 65, 66 und 69/II), der Neubau einer weiteren Brikettfabrik (später BfK 64) und weiterer Anlagen sollte ebenfalls erfolgen. Neben den Industrieanlagen galt es ebenfalls, Unterkünfte für die Bauarbeiter und deren Familien, soziale sowie kulturelle Einrichtungen zu schaffen.
Bereits am 1. Oktober 1951 war Baubeginn des Werks, am 14. Juni 1952 ging die erste Kammer der ersten von 24 geplanten Ofeneinheiten (mit 96 Koksöfen) in Betrieb. Hier wurde somit der erste BHT-Koks der Welt produziert. Ursprünglich sollten mit dem Enthusiasmus der Erbauer alle 24 Ofeneinheiten zu Stalins Geburtstag am 21. Dezember 1952 fertig sein.
Der Bau gestaltete sich jedoch schwierig, da bei Baubeginn noch kein bestätigtes Gesamtprojekt vorlag und die Projektierung stattdessen fortlaufend erfolgte. Gleichzeitig wurden weitere Versuche und Untersuchungen zur Verbesserung der Koksqualität durchgeführt. Manchmal nahm man während des Baus noch Änderungen vor oder es wurden Teile der Anlage nach dem Bau wieder abgerissen, weil die gewünschten Parameter nicht zu erreichen waren. Oft fehlte das nötige Material. Insbesondere nach dem Aufstand des 17. Juni 1953 wurden die Investitionsmittel gekürzt, um die Konsumgüterproduktion zu fördern. Der Aufbau der Großkokerei konnte erst Ende 1957 mit der Inbetriebnahme der 24. Ofeneinheit im Wesentlichen abgeschlossen werden. 1957 waren 2.317 Beschäftigte im Werk tätig (Abb. 1-6).
Nach dem von Erich Rammler und Georg Bilkenroth entwickelten Verfahren wurde in Lauchhammer außerdem Kohle aus den Tagebauen Kleinleipisch und Klettwitz in den extra umgebauten bzw. der neugebauten Brikettfabrik zu Feinstkornbriketts besonderer Körnung und bestimmten Wassergehalts verarbeitet und in einem weiteren Schritt in der Großkokerei zu Koks veredelt. Das anfallende Gas wurde von Teer und Mittelöl befreit, das Mittelöl wurde zu Leichtöl und Phenol weiterverarbeitet. Es war zunächst eher ein unliebsames Nebenprodukt, welches größtenteils abgefackelt und erst ab 1957 nach Montage einer Gaskompressionsstation in die ebenfalls fertiggestellten Ferngasleitungen gedrückt und primär der Industrie zugeführt wurde. Es setzte sich wegen seines üblen Geruchs erst nach der Inbetriebnahme der Rectisolreinigungsanlage 1961 als Stadtgas durch. Die Großkokerei entwickelte sich zum größten Stadtgasproduzenten der DDR, bis der „VEB Kombinat Schwarze Pumpe“ bei Spremberg diese Rolle übernahm.
Am 29. Oktober 1952 weilte im Rahmen eines Staatsbesuches der Ministerpräsident Ungarns, Mátyás Rákosi, im Werk. Auf Antrag erhielt das Werk am 7. November 1952 den Namen „Mátyás Rákosi“ verliehen. Nach dem Ungarischen Volksaufstand Ende 1956 beantragte es die Löschung des Namens ab dem 1. März 1957.
Investitionsträger war die VVB Braunkohlenverwaltung Lauchhammer, ab April 1952 die VVB Braunkohlenverwaltung Senftenberg. Ab dem 1. Mai 1953 unterstand die Großkokerei direkt dem Staatssekretariat für Kohle bzw. Ministerium für Schwerindustrie und von 1955-1958 dem Ministerium für Kohle und Energie.
Am 1. Juli 1958 wurden der „VEB Großkokerei“, der „VEB Braunkohlenwerk Freundschaft“ und der „VEB Braunkohlenwerk Friedenswacht“ zum „VEB Braunkohlenkombinat Lauchhammer“ zusammengeschlossen und der VVB Braunkohle Cottbus, Sitz Senftenberg, zugeordnet.
Am 30. Oktober 1991 wurde die Großkokerei stillgelegt und abgerissen (Abb. 7). Heute künden nur noch die „Biotürme“, in denen ab 1958/59 phenolhaltige Abwässer biologisch behandelt wurden, von den einstigen Industrieanlagen (Abb. 8, 9).
In gewisser Weise war der Aufbau der Großkokerei Lauchhammer eine Pionierarbeit, ein Versuch im Kleinen, für den 1955 begonnen Aufbau des „VEB Kombinat Schwarze Pumpe“ mit drei geplanten Kokereien und dem später beschlossenen Ausbau zum Gaskombinat.
VVB – Vereinigung Volkseigener Betriebe
Quellen
Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 901 VEB Großkokerei („Mátyás Rákosi“) Lauchhammer [Siehe: Hier].
Das Braunkohlenkombinat. Betriebszeitung der Betriebsparteiorganisation des Braunkohlenkombinat Lauchhammer.
Literatur
Arandt, Rudolf: Die Braunkohlengroßkokerei Lauchhammer. Traditionsverein Braunkohle Lauchhammer e.V. 2006.
Geschichte des VEB Braunkohlenkombinat Lauchhammer, hrsg. von d. Kommission für Betriebsgeschichte im Auftrag der SED-Betriebsorganisation des VEB Braunkohlenkombinat Lauchhammer. 2 Bände. Berlin 1960/70.
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (Hrsg.): Lausitzer Braunkohlenrevier. Wandlungen und Perspektiven 18. Braunkohlenveredlung in der Lausitz. Teil I (Brandenburg). Senftenberg 2011.
Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (Hrsg.): Lausitzer Braunkohlenrevier. Wandlungen und Perspektiven 05. Plessa/Lauchhammer/Schwarzheide. Senftenberg 2016.
Steffens, Angelika: „Hör bloß off mit deine Kokerei!“ – Erinnerungen an die Großkokerei Lauchhammer. Lauchhammer 2004.
VEB Braunkohlekombinat Lauchhammer (Hrsg.): Hochtemperaturkoks aus Braunkohle - Eine Großtat des Sozialismus. 1962.
Verch, Katrin: VEB Großkokerei („Mátyás Rákosi“) Lauchhammer. In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 322f.
Abbildungsnachweis
Abb. 1 SLUB / Deutsche Fotothek / Walter Möbius.
Abb. 2 SLUB / Deutsche Fotothek / Walter Möbius.
Abb. 3, 4, 7 Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (Hrsg.): Lausitzer Braunkohlenrevier. Wandlungen und Perspektiven 05. Plessa/Lauchhammer/Schwarzheide. Senftenberg 2016.
Abb. 5 Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (Hrsg.): Lausitzer Braunkohlenrevier. Wandlungen und Perspektiven 18. Braunkohlenveredlung in der Lausitz. Teil I (Brandenburg). Senftenberg 2011.
Abb. 6 SLUB / Deutsche Fotothek / Klaus Dreßler.
Abb. 9 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Biot%C3%BCrme_Lauchhammer_005b_-_K.jpg (Foto: Wolkenkratzer - CC BY-SA 4.0).
Empfohlene Zitierweise
Verch, Katrin: VEB Großkokerei („Mátyás Rákosi“) Lauchhammer; publiziert am 18.05.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)