VEB Forster Tuchfabriken

Katrin Verch (bearbeitet und ergänzt von Vinzenz Czech)

Die Stadt Forst als ein Zentrum der niederlausitz-brandenburgischen Textilindustrie ist ein Beispiel für die Kleinteiligkeit dieses Industriezweiges. Bis zum Jahr 1945 existierten hier über 200 Textilbetriebe und weitere Unternehmen der Zuliefer- und Ausrüstungsindustrie. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war eine Vielzahl dieser Betriebe zerstört, verlassen oder die Textilmaschinen waren demontiert und in die Sowjetunion verbracht worden (Abb. 1). Tatsächlich nahmen noch ca. 60 Betriebe die Produktion wieder auf, darunter auch etwa 30 Privatunternehmen.

Mit den Enteignungen und der Überführung in Volkseigentum sowie durch spätere Zusammenführungen wurden kleinere Betriebe zu größeren Wirtschaftseinheiten zusammengeschlossen. Gab es 1948 ca. 23 Betriebe (Abb. 2), so waren es 1953 nur noch sieben VEB: Erste Forster Textilwerke, Ostdeutsche Tuchfabrik, Hänselwerk, Sporttuche, Vereinigte Feintuchwerke, Tuchfabrik Am Haag und Reißwollwerke. 1960 bestanden fünf Werke: Erste Forster Textilwerke, Ostdeutsche Tuchfabrik, Sporttuche, Vereinigte Feintuchwerke und die Reißwollwerke. Durch weitere Zusammenschlüsse blieben 1964 nur drei Betriebe übrig: der „VEB Forster Tuchfabriken“, der hier erstmals unter dieser Bezeichnung erscheint, der „VEB Vereinigte Feintuchwerke“ und der „VEB Reißwollwerke“. Jene vereinigten sich 1969 zu dem Großbetrieb „VEB Forster Tuchfabriken“.

Weitere Eingliederungen gab es nach der Überführung von privaten und halbstaatlichen Betrieben in Volkseigentum im Jahre 1972. Einige Betriebe wurden gleich dem „VEB Forster Tuchfabriken“ zugeordnet, 17 weitere Betriebe dagegen zunächst als neun eigenständige VEB geführt und erst 1974/75 angegliedert. In dieser Struktur bestand der „VEB Forster Tuchfabriken“ bis 1990.

Die zahlreichen VEB gehörten ab 1948 zumeist zur VVB (L) Textil, Bekleidung und Leder Cottbus Wirtschaftsleitende Organe und Betriebe oder VVB (Z) Spinnweber Cottbus bzw. deren Nachfolgern, ab 1958 unterstanden sie der VVB Volltuch Cottbus. Der „VEB Forster Tuchfabriken“ war ab seiner Bildung im Jahre 1964 ebenfalls der VVB Volltuch Cottbus zugeordnet und ab 1970 dem VEB Textilkombinat Cottbus.

Die Tuchfabriken lieferten bis in das Jahr 1948 fast den gesamten Erzeugnisumfang als Reparationsleistung zur Ausrüstung der sowjetischen Armee. In den Folgejahren wurde eine breite Produktpalette von Ausrüstung, Einnäherei, Spinnerei, Zwirnerei, Weberei bis zur Wirkerei und Veredelung bedient. Hergestellt und veredelt wurden vor allem Streich- und Kammgarngewebe. Hinzu kamen Gewebe für Schlafdecken, Flachkettengewirk und ab 1973 Schichtverbundstoffe. Der Betrieb war der größte Hersteller von Streichgarngeweben in der DDR.

Aufgrund er vielen Eingliederungen kleinerer verstaatlichter Betriebe war der VEB ein unübersichtliches, kaum zu beherrschendes Gebilde, dessen Gebäude und Ausrüstungen zum Teil stark überaltert waren (Abb. 3-5). Nach und nach wurden daher einzelne Betriebsstätten geschlossen. Neben der Konzentration kam es in den 1970er und 80er Jahren dann auch zu Modernisierungen. Moderne Webautomaten, Ringspinner, Spul- und Zwirnmaschinen, die aus der Sowjetunion und Polen bezogen werden mussten, wurden eingerichtet (Abb. 6-8). Trotz besserer Produktivität brachten die neuen Maschinen jedoch eine beträchtliche Einschränkung des Sortiments mit sich. 30 % der Tuche wurden nach Westeuropa geliefert, 60 % in den sozialistischen Wirtschaftsraum. Die Zahl der Beschäftigten sank in dieser Zeit von ca. 2.700 auf etwa 2.000.

Nach Auskunft des damaligen Betriebsdirektors waren unzureichende Technik, sinkendes Ausbildungsniveau und reduzierte Arbeitskräfte der Grund für die schon in dieser Zeit abnehmende Konkurrenzfähigkeit der Forster Tuchindustrie (Krönert/Leibger 1995, 34). Auch mit der Aufstellung italienischer Webmaschinen verbesserte sich daran in den 1980er Jahren kaum etwas. Die fehlenden Arbeitskräfte ersetzten etwa 260 vietnamesische Vertragsarbeiter. Am Ende der DDR hatte der Forster Betrieb noch 23 Betriebsstätten (Abb. 9).

1990 erfolgte die Umwandlung zur „Forster Tuchfabriken GmbH“, die in den kommenden Jahren jedoch keine Chance auf ein Weiterbestehen hatte und abgewickelt wurde.

VVB – Vereinigung Volkseigener Betriebe

Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep 907 VEB Forster Tuchfabriken [Siehe: Hier]

Literatur

Clemens, Petra: Die aus der Tuchbude. Alltag und Lebensgeschichten Forster Textilarbeiterinnen. Münster 1998.

Kaiser, Annett / Nareike, Ines / Ploschenz, Petra / Voss, Kaija: Forst – ein deutsches „Manchester“ in der Lausitz. In: kunsttexte.de, Nr. 2, 2002 (12 Seiten), www.kunsttexte.de [Siehe: Hier]

Krönert, Gertraute / Leibger, Heide: Tuchstädte der Niederlausitz gestern und heute. Forst, Guben, Spremberg, Finsterwalde. Dokumentarisches Auf und Ab in einem traditionsreichen Berufszweig. Cottbus 1995.

Verch, Katrin: VEB Forster Tuchfabriken. In: Posselt, Rosemarie u.a. (Hrsg.): Staatliche Verwaltung, Wirtschaft, Parteien und Organisationen in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam 1952-1990 (= Übersicht über die Bestände des Brandenburgischen Landeshauptarchivs; Teil III/2). Berlin 2005, S. 400f.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Forst-Ruinen.jpg (Foto: SchiDD - CC BY-SA 4.0)

3.0)

Abb. 2, 3, 6-8 Krönert/Leibger 1995

Abb. 4 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Forst_Textilmuseum.JPG (Foto: X-Weinzar - CC BY-SA)

Abb. 5 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:ForstP%C3%BCrschel.JPG?uselang=de (Foto: Global Fish - CC BY-SA 4.0)

Abb. 9 Gemeinfrei

Empfohlene Zitierweise

Verch, Katrin: VEB Forster Tuchfabriken, publiziert am 07.04.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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