Maria Berger (mit Ergänzungen von Vinzenz Czech)

Den Grundstein für die vermutlich erste Hutfabrik in Deutschland legte Carl Gottlob Wilke (1796-1875) (Abb. 1) in Guben 1822. Wilke war im benachbarten Forst, das vor allem für seine Tuchproduktion bekannt war, zum Hutmachermeister ausgebildet worden. Der Hutfertigung jener Zeit kam zugute, dass die Vorbereitung der Wolle bis zur Herstellung des Wollflors gleich ist, sodass für die Produktion sowohl Maschinen als auch Kenntnisse der Tuchmacher genutzt werden konnten. Wilke probierte ein in der Tuchindustrie bekanntes Verfahren an einigen Hüten aus: das Dekatieren, das dem Walkprozess in der Tuchindustrie ähnelte. Dabei wird die „Wolle unter Druck mit trockenem Dampf behandelt, so daß ein glänzender und gegen Feuchtigkeit widerstandsfähiger Filz entsteht, der sich gut für die Herstellung von formbeständigen Hüten eignet“ (Krönert / Leibger 1995, 47). Er ließ sich seine Erfindung patentieren und konnte sein wohlgehütetes Betriebsgeheimnis seit 1854 fabrikmäßig anwenden.

Im Jahre 1859 ging bei Gelegenheit der Verheiratung des zweitältesten Sohnes Friedrich die Fabrik auf diesen über, der seine beiden Brüder Wilhelm und Theodor in das Geschäft mit aufnahm. Der ältere Bruder Wilhelm trat im Jahre 1870 wegen schwerer Erkrankung und der jüngere Bruder Theodor im Jahre 1876 wieder aus. Von da ab war Friedrich Wilke, der 1879 zum „Commerzienrath“, 1886 zum „Geheimen Commerzienrath“ ernannt und 1899 vom Kaiser durch Verleihung des Wilhelm-Ordens geehrt wurde, der alleinige Inhaber der Firma. Die Verkaufszahlen stiegen, die Firma wurde ausgebaut und ständig modernisiert.

Friedrich Wilke (1829-1908) profitierte von dem allgemeinen Wandel in der Bekleidungsindustrie, die anstelle der handwerklich produzierten Einzelstücke nun industriell – oft in maschineller Heimarbeit – massenhaft preiswerte Fertigkleidung produzierte, die „Konfektion“ (Büsch 1971, S. 102-105). Zum einen führte dies zu einer schnelleren Änderung der Mode. So trug der Herr im 19. Jahrhundert je nach Stand Zylinder oder Mütze. Es folgte der breitkrempige, flache Hut, der nach 1848 zur Alltagskleidung aller Bevölkerungsschichten avancierte. Zu festlichen Anlässen wurde seit den 1850er Jahren der von England herkommende steife Hut mit runder Kappe und schmaler Krempe modern (Foltin 1963, 63f.) Zum anderen machte die industrielle Fertigung die Ware preiswerter, womit sich Wilke neue Absatzmärkte erschließen konnte. Hüte aus Guben wurden nicht nur nach Berlin und in die europäischen Länder, sondern sogar nach Übersee verkauft.

Schon unter der Leitung der drei Brüder war das Geschäft fabrikmäßig und kaufmännisch in größerem Umfange betrieben worden. Friedrich Wilke baute in der Neustädter Gasstraße eine neue Fabrik, die 1864 ihren Betrieb aufnahm, 1874 auf die doppelte Größe und dann stetig im Umfang erweitert wurde (Abb. 2, 3). In den Jahren 1867 bis 1928 wuchs die Anzahl der Beschäftigten der Firma von 100 auf etwa 1.000 Mitarbeiter (Krönert / Leibger 1995, 47). Seit 1876 ließen sich auch Konkurrenzunternehmen in Guben nieder, so dass Ende der 1920er Jahre zehn Millionen Stumpen und Hüte pro Jahr verkauft wurden und fast ein Drittel aller Einwohner mit der Hutbranche zu tun hatten (Abb. 4, 5). Im Zweiten Weltkrieg musste die Hutherstellung eingestellt und die Fabrik in die Rüstungsproduktion einbezogen werden. Nachdem der teils zerstörte und demontierte Betrieb 1948 enteignet wurde, verließ die Familie Wilke die Gegend. Gubener Hüte wurden erneut produziert und gern getragen, mittlerweile musste die Produktion jedoch – nicht zuletzt aufgrund der hutlosen Mode – eingestellt werden.

Auch heute noch ist die Herstellung von Filzhüten mit zahlreichen Arbeitsschritten verbunden (Foltin 1963): Zunächst wird gewaschenes und getrocknetes Tierhaar, meist von Kaninchen oder auch Wolle, auf eine „Fachglocke“ aufgebracht. Dabei handelt es sich um einen durchlöcherten Konus, der durch Saugluft die Haarschicht festhält, die nun befeuchtet werden kann, so dass eine Decke entsteht, die „Fache“. Es folgt das Filzen, eine langwierige Prozedur, bei der unter Dampf und Hitze die Fache so oft geknetet und gewalkt wird, bis sie etwa auf ihre halbe Größe geschrumpft ist. Diese wird nun „Labraz“ genannt und solange weiterbearbeitet, bis sie wiederum schrumpft und fester wird in ihrer Konsistenz. Aus der kegelförmigen Filzform wird der Rundkopf, der Stumpen, aus dem dann durch Dehnen und Ziehen der Ränder, Färben und Bearbeiten der Oberfläche der eigentliche Hut gearbeitet wird. Dieser wird feucht in eine Form gepresst oder auf eine Holz- oder Metallform gebügelt. Abschließend wird er staffiert und garniert: Kopf oder Randsteppungen werden ausgeführt, das Hutfutter eingenäht, die Schweiß- und Hutbänder aufgesetzt und besonders bei Damenhüten wird allerlei schmückender Zierrat angebracht.

Was einst reine Handarbeit war, wurde durch Arbeitsteilung und Maschineneinsatz rationalisiert. Doch obwohl z.B. die Nähmaschine schon 1846 erfunden worden war, dauerte es Jahrzehnte, bis diese Technik für das Nähen von Hutfutter eingesetzt werden konnte. So zweckmäßig die Maschinen auch waren, um die fließenden, glatten Futterstoffe, die für manche Modelle plissiert wurden, exakt einzupassen, bedurfte es doch sehr viel Übung und enorm hoher Geschicklichkeit bei der Bedienung (Abb. 6, 7).

Nicht allein als Hutfabrikant wurde Friedrich Wilke berühmt, sondern auch als sozial engagierter Mann. Für unverschuldet in Not Geratene richtete er eine Unterstützungskasse, dann eine lnvalidenkasse, eine Betriebskrankenkasse und eine Betriebssparkasse ein. Er gründete eine Bibliothek und förderte den Betriebschor. Auch ließ er im Betrieb eine Kaffeeküche und einen „Essenssaal“ sowie einige Bäder installieren.

Der schon vor dem Ersten Weltkrieg befolgte Grundsatz, die Arbeiter auch in Zeiten schlechter Beschäftigung zu halten, führte dazu, dass in den 1920er Jahren fast ein Fünftel der Belegschaft auf eine 25jährige Betriebszugehörigkeit und mehr als die Hälfte bereits auf eine zehnjährige Mitarbeit zurückblicken konnten. Verbunden mit einer ebenfalls bereits vor dem Krieg betriebenen Siedlungspolitik durch die Gewährung von kleinen Hypotheken und zinslosen Darlehn verfügte die Firma über einen festen Mitarbeiterstamm (C.G. Wilke 1928, 224).

1877 finanzierte Wilke das städtische Siechenhaus, das später dem Wilke-Stift zugefügt wurde, und 1903 ließ er den Bau der evangelisch-lutherischen Kirche nach Entwürfen der Architekten Otto W. Spalding und Alfred Grenander errichten (Abb. 8, 9).

Im Andenken an seine Tochter Naemi, die 1870 im Alter von 14 Jahren an Typhus starb, gründete er im Februar 1878 in der Vorstadt das Naemi-Wilke-Stift, zunächst als Privatstiftung, und richtete ein Krankenhaus für Kinder bis zwölf Jahren ein. Die Stiftung wurde 1888 unter die Obhut des „Oberkirchenkollegiums der von der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner in Preußen“ gestellt. Wilke sorgte dafür, dass immer mehr soziale und medizinische Aufgaben vom Stift übernommen werden konnten. So wurde das Krankenhaus bald für Erwachsene erweitert, 1879 ein Kindergarten und 1898 eine Behindertenanstalt gegründet. 1883 entstand ein Diakonissenmutterhaus, denn dem Unternehmer war es gelungen, mit Unterstützung von Dresdener Diakonissen eine eigene Ausbildung im Stift zu etablieren. Die Entwürfe für einen Teil der Stiftsbauten, dem Diakonissenhaus und dem Wäschehaus, lieferten ebenfalls Spalding und Grenander. Das Naemi-Wilke-Stift nutzt bis heute die historischen Bauten und ist nach wie vor in medizinischen und sozialen Bereichen tätig, so dass die Tradition in Erinnerung an den Hutfabrikanten und Ehrenbürger der Stadt fortbesteht.

(Der Text erschien bereits 2001 im Rahmen der Ausstellung „Marksteine. Eine Entdeckungsreise durch Brandenburg-Preußen“ im gleichnamigen Ausstellungskatalog: Berger, Maria: Guben – Die Hutdynastie Wilke. In: Marksteine. Eine Entdeckungsreise durch Brandenburg-Preußen. Eröffnungsausstellung des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte 18. August – 11. November 2001. Herausgegeben vom Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte beim Museumsverband des Landes Brandenburg e.V. Berlin 2001, S. 363/364. Er wurde für diese Veröffentlichung mit einigen Ergänzungen und geänderten Abbildungen versehen.)

Literatur

Bilder aus der Märkischen Industrie. Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens des Märkischen Bezirksvereins des Vereins deutscher Ingenieure. 1887-1912. Frankfurt a. Oder 1912.

Büsch, Otto (Hrsg.): Industrialisierung und Gewerbe im Raum Berlin/Brandenburg 1800-1850. Berlin 1971.

Carl Gottlob Wilke und die Wilkesche Hutfabrik in Guben. Im Auftrag der Firma C.G. Wilke verfasst von Johannes Trojan. o.O. 1900.

C.G. Wilke, Guben Haar-, Velour- und Wollhutfabrik Inhaber: Max und Siegfried Wilke. In: Magistrat Guben (Hrsg.): Deutschlands Städtebau. Guben. Berlin 1922, S. 47-50.

C.G. Wilke / Guben Haar-, Velour- und Wollhutfabrik. In: Stein, Erwin (Hrsg.): Monographien deutscher Städte. Band XXV Guben. Berlin 1928, S. 221-229.

Foltin, Hans Friedrich: Die Kopfbedeckung und ihre Bezeichnungen in Deutschland. Gießen 1963.

Kersten, Dr.: Die Gubener Hutindustrie. In: Stein, Erwin (Hrsg.): Monographien deutscher Städte. Band XXV Guben. Berlin 1928, S. 177-180.

Gander, Karl: Geschichte der Stadt Guben. Guben 1925.

Krönert, Gertraute/ Leibger, Heide: Tuchstädte der Niederlausitz gestern und heute. Forst, Guben, Spremberg, Finsterwalde. Dokumentarisches Auf und Ab in einem traditionsreichen Berufszweig. Cottbus 1995.

Abbildungsnachweis

Abb. 1, 3, 10 Bilder aus der Märkischen Industrie. 1912.

Abb. 2 Carl Gottlob Wilke 1900.

Abb. 4, 5, 9 Gemeinfrei.

Abb. 6-8 C. G. Wilke 1928.

Empfohlene Zitierweise

Berger, Maria: Hutfabrik C. G. Wilke, Guben, publiziert am 20.10.2023; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Vinzenz Czech

Die Anfänge der „Berlin-Gubener Hutfabrik“ gehen zurück auf Apelius Cohn, der seit 1859 in Berlin ein „Hut=Fourniturengeschäft“ – eine bescheidene Filzwarenhandlung – betrieb (Gander 1925, 551; Bilder 1912, 111) (Abb. 1). Mit der Zunahme des Geschäftes gründete Cohn dann im Jahr 1876 eine Zweigniederlassung in Guben, mit deren Leitung er seinen Schwager Hermann Lewin beauftragte. Anfangs nur mit 10-12 Mitarbeitern besetzt, sollte sich die Gubener Fabrik bald zum Hauptwerk des Unternehmens entwickeln (Gander 1925, 551). Gefertigt wurden zunächst Wollfilzerzeugnisse verschiedener Art, insbesondere Wollfilzstumpen, aus denen die Hüte geformt werden. Schon nach wenigen Jahren begann dann auch die Produktion von Hüten (Abb. 2).

Bis zum 1. April 1888 firmierte die Fabrik in Guben unter „Firma A. Cohn“. Wegen des ständig wachsenden Geschäftsumfanges entschlossen sich die Inhaber schließlich zur Gründung einer Aktiengesellschaft. Am 1. April ging die „Firma A. Cohn“ an die neu gegründete „Berlin-Gubener Aktiengesellschaft, vorm. A. Cohn“ mit einer Million Mark Aktienkapital über. Die Leitung verblieb in den Händen der Vorbesitzer Apelius Cohn in Berlin und Hermann Lewin in Guben. Gleich im ersten Jahr des Bestehens profitierte das Unternehmen von der in dieser Zeit einsetzenden Nachfrage nach industriell massenhaft und preiswert produzierter Kleidung. So verdoppelte sich der Produktionserlös von 560.000 auf 910.000 Mark. „Die große Zeit des Hutes brach an.“ (50 Jahre 1938, 19).

Der Betrieb war noch stark handwerklich ausgerichtet und die Arbeitsteilung machte erst im Laufe der Jahre mit dem Eindringen immer neuer Maschinen weitere Fortschritte. Der steigende Bedarf an Hüten verlangte eine ständig steigende Produktion und forderte so eine weitergehende Mechanisierung bestimmter Arbeitsvorgänge. Es verging kaum ein Jahr, in dem nicht Umbauten, Erweiterungsbauten und vor allen Dingen umfangreiche Maschinenkäufe finanziert werden mussten (Abb. 3). Trotz allem blieb die Hutfabrikation auch weiter von einem starken Anteil an Handarbeit im Vergleich zur maschinellen Leistung geprägt. Weiträumige Fabriksäle dominierten, in denen eine erhebliche Anzahl an Beschäftigten tätig war, über die Hälfte davon Frauen (Abb. 4-6).

Wechselnde Moden, saisonbedingtes Kaufverhalten, schwankende Rohstoffpreise oder sich ändernde Zolltarife stellten jeden Betrieb in dieser Zeit vor erhebliche Aufgaben. Ab 1904 wurde zudem die Produktion von Haarhüten aufgenommen, die sich in den Arbeitsabläufen erheblich von der Herstellung von Wollhüten unterschied (50 Jahre 1938, 28).

1906 starb der Gründer Apelius Cohn und noch im selben Jahr begannen Verhandlungen mit dem zweiten großen Hutunternehmen in Guben, der „Hutfabrik Berthold Lißner“, bezüglich einer Fusion beider Betriebe. Der Betrieb war 1889 vom gleichnamigen Inhaber gegründet worden. Trotz eines Brandes der Firmengebäude 1895 hatte sich die Produktion von Jahr zu Jahr vergrößert. Beim Verkauf der Fabrik an die „Berlin-Gubener Hutfabrik“ am 1. Januar 1907 war der Umsatz bereits auf 5 Millionen Mark und eine wöchentliche Produktion von 4.000 Dutzend Wollhüten gestiegen. Der Betrieb umfasste beim Verkauf etwa 1.300 Arbeiter und Angestellte, die „Berlin-Gubener Hutfabrik“ zur selben Zeit etwa 1.100 (50 Jahre 1938, 32). Durch diesen Zusammenschluss war die „Berlin-Gubener Hutfabrik AG, vorm. A. Cohn“ zum größten Unternehmen der deutschen Hutindustrie und zu einem der bedeutendsten in Europa geworden. Der Kapitalstock der AG wurde auf 3 Millionen Mark erhöht und Berthold Lißner trat als drittes Mitglied in den Vorstand ein (Bilder 1912, 111). Die von beiden Unternehmen getrennt betriebene Haarhutproduktion wurde in der „Berlin-Gubener Haarhutfabrik GmbH“ zusammengefasst. Sie sollte künftig alle Arten von Haarhüten, steife, weiche, Velour- und Plumes-Hüte (mit Federn besetzt), ferner Herren- und Damenhutstumpen in glattem Haar und Velour sowie Plumes herstellen (Der Konzern 1928, 219).

In den nunmehr vier Werken konnte das Unternehmen eine breite Palette an Erzeugnissen abdecken (Abb. 7). Die Produktion umfasste alle Artikel der Woll- und Haarfilzhutbranche für Männer, Frauen und Kinder. Der Absatz erstreckte sich auf alle Erdteile und die Firma unterhielt Vertretungen an allen wichtigen Plätzen des In- und Auslandes. 1910 erzeugte sie in den Wollhutfabriken ca. 500.000 Dutzend Wollfilzhüte und Wollfilzstumpen im Wert von etwa 10 Millionen Mark, in der Haarhutfabrik ca. 40.000 Haarfilzstumpen und Hüte im Wert von ca. 2 Millionen Mark. Der Gesamtumsatz betrug im Jahr 1912 11,8 Millionen Mark (Bilder 1912, 112).

Als sich 1912 Absatzmöglichkeiten im Vorderen Orient abzeichneten, gründete man eine eigene „Union-Fez Fabrik GmbH“, die ihre Produktion 1913 in den Gebäuden der 1908 aufgekauften „Wülfing‘schen Hutfabrik“ aufnahm (50 Jahre 1938, 34).

Während des Ersten Weltkrieges versuchte man den Einbruch des Absatzes zunächst durch die Produktion von stabilen Filzhelmen für die Armee auszugleichen, was sich jedoch nicht als erfolgversprechend herausstellte. Im Rahmen der Kriegswirtschaft wurde die Wolle beschlagnahmt und immer mehr Arbeiter zogen in den Krieg. Nachdem zuerst die „Union-Fez Fabrik“ ihren Betrieb eingestellt hatte, mussten am Ende des dritten Kriegsjahres auch die Wollhutbetriebe stillgelegt werden. Lediglich die Haarhutproduktion konnte fortgeführt werden, da Kaninchen- und Hasenhaare weiter verfügbar waren. Über 1.000 Arbeiter und Angestellte waren mittlerweile zum Militär eingezogen worden (50 Jahre 1938, 37).

Auch bei der „Berlin-Gubener Hutfabrik“ waren die Nachkriegsjahre gekennzeichnet von der Überwindung der Kriegsfolgen und den sich anschließenden Krisenjahren. Der Betrieb in den Wollhutfabriken wurde zunächst in kleinem Umfange wiederaufgenommen. Relativ schnell konnte der Mangel an Rohstoffen überwunden werden. 1919 erreichte man eine Beteiligung an der „Maschinenfabrik & Eisengießerei GmbH Wilhelm Quade“ in Guben, deren Produktionsprofil vor allem die Fertigung von Maschinen für die Tuch- und Hutindustrie umfasste. Sie war neben der Gubener „Maschinenfabrik Carl Heinze“ der zweite große Hersteller derartiger Anlagen am Ort.

Mit dem Tod von Hermann Lewin 1920 übernahm sein Sohn Alexander als Generaldirektor und Vorstandsmitglied die Leitung des Unternehmens, gemeinsam mit Berthold Lißner. Lewin nahm auch außerhalb des Familienunternehmens verschiedene Aufgaben wahr. So wirkte er als Honorarkonsul für Portugal und war Mitglied des Außenhandelsausschusses des Reichsverbands der Deutschen Industrie. Seit 1928 stand er als Präsident der Industrie- und Handelskammer für die Niederlausitz in Cottbus vor. Zudem baute er eine bedeutende Kunstsammlung auf, zu der deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts und Werke des französischen Impressionismus und Nachimpressionismus gehörten (Abb. 8).

Nach Überwindung der Krisenjahre und einer Konsolidierung ließ das Unternehmen in Guben in den 1920er Jahren eine ganze Reihe neuer Fabrikgebäude errichten, die den Arbeitern bessere Arbeitsbedingungen ermöglichen sollten. Neben den beiden eigenen Betriebskrankenkassen hatte die Firma auch eine Unterstützungskasse und verschiedene Wohlfahrtsfonds für die Belegschaft eingerichtet, die der Inflation nach dem Krieg zum Opfer gefallen waren und nun neu eingerichtet wurden. Die Zahl der Gesamtbelegschaft stieg in dieser Zeit auf 4.800 Arbeiter und Angestellte (Der Konzern 1928, 219).

Die auf eine Konjunkturphase (1927/28) folgende Weltwirtschaftskrise stellte das Unternehmen erneut vor Probleme. Der weltweite Absatz brach ein, ein Teil der Maschinen wurde stillgelegt. Besonders die kostenintensiven Haarhüte konnten kaum noch abgesetzt werden. Die Folge war eine Zusammenfassung der Haarhutabteilung in den ehemaligen „Lißner“-Werken zu einem neuen Betrieb. Gleichzeitig versuchte man den Grad der Technisierung weiter zu erhöhen, um so die Produktionskosten zu senken (50 Jahre 1938, 44).

Während der NS-Zeit wuchs das Unternehmen in den 1930er Jahren, u.a. auch durch Beteiligungen an weiteren Firmen. 1937 übernahm man die „Gubener Hutfabrik AG, vorm. Steinke & Co.“, die dem jüdischen Unternehmer Martin Rosenthal gehörte, der unter dem Druck der damaligen Verhältnisse verkaufte und im selben Jahr in die Niederlande emigrierte (Krönert / Leibger 1995, 51).

Die jüdische Abstammung des Generaldirektors Alexander Lewin wurde letztlich auch ihm zum Verhängnis. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 hatten sich die Lebensumstände für die jüdische Familie nachhaltig verschlechtert. Noch am 6. März 1933 war Alexander Lewin erneut einstimmig zum Vorsitzenden der Industrie- und Handelskammer in Cottbus wiedergewählt worden, musste durch den Druck der neuen Regierung dieses Amt jedoch bereits einen Monat später aufgeben. 1934 erfolgte eine Namensänderung der Firma. Aus der „Berlin-Gubener Hutfabrik A.-G., vorm. A. Cohn“ wurde die „Berlin-Gubener Hutfabrik Aktiengesellschaft“. Die Tilgung des jüdischen Gründers der Firma im Namen erfolgte sicher nicht ohne Grund (Abb. 9).

1938 erschien aus Anlass des 50jährigen Bestehens eine Festschrift, die den Generaldirektor noch scheinbar einträchtig neben seinen engsten Mitarbeitern zeigt (Abb. 10) (50 Jahre 1938, 5). Im selben Jahr reiste Lewin – zunächst offiziell als Kuraufenthalt bezeichnet – in die Schweiz. Anfang September 1938 legte er sein Vorstandsamt in der „Berlin-Gubener Hutfabrik AG“ nieder. Nachdem er im März 1939 bekannt gab, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren, wurde sein gesamtes in Deutschland befindliches Vermögen gesperrt. Er konnte jedoch sein Umzugsgut – ohne nennenswerte Wertsachen – noch am 21. Juni 1939 ausführen. Am 4. August 1941 entzog ihm der Reichsinnenminister die deutsche Staatsbürgerschaft und sein Vermögen wurde konfisziert. Alexander Lewin starb 1942 im Alter von 63 Jahren in der Schweiz.

Während des Zweiten Weltkrieges kam es ab 1942 zu kriegsbedingten Einschränkungen des Betriebes und der Stilllegung einiger Betriebsteile. Andere Bereiche wurden für die Rüstungsproduktion eingerichtet. Nach dem Krieg konnten von den sieben im Jahre 1939 existierenden Hutfabriken nur drei die Produktion wiederaufnehmen, u.a. auch die „Berlin-Gubener Hutfabrik“. Sie wurde enteignet und in den „VEB Berlin-Gubener Hutfabrik“ umgewandelt.

Literatur

50 Jahre Berlin-Gubener Hutfabrik Aktiengesellschaft 1888 - 1938. o.O. 1938.

Berlin-Gubener Hutfabrik Aktiengesellschaft Guben. In: Magistrat Guben (Hrsg.): Deutschlands Städtebau Guben. Berlin 1922, S. 39-42.

Bilder aus der Märkischen Industrie. Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens des Märkischen Bezirksvereins des Vereins deutscher Ingenieure. 1887-1912. Frankfurt a. Oder 1912.

Der Konzern der Berlin-Gubener Hutfabrik A.G. In: Stein, Erwin (Hrsg.): Monographien deutscher Städte. Band XXV Guben. Berlin 1928, S. 214-220.

Die Berlin-Gubener Hutfabrik-Actiengesellschaft, Vormals A. Cohn, Guben eine Festschrift zur Feier ihres 25jährigen Bestehens, 16. April 1913.

Gander, Karl: Geschichte der Stadt Guben. Guben 1925.

Kersten, Dr.: Die Gubener Hutindustrie. In: Stein, Erwin (Hrsg.): Monographien deutscher Städte. Band XXV Guben. Berlin 1928, S. 177-180.

Krönert, Gertraute/ Leibger, Heide: Tuchstädte der Niederlausitz gestern und heute. Forst, Guben, Spremberg, Finsterwalde. Dokumentarisches Auf und Ab in einem traditionsreichen Berufszweig. Cottbus 1995.

Zum Andenken an das 25-jährige Bestehen der Berlin-Gubener Hutfabrik AG, vorm. A. Cohn. Berlin 1913.

Abbildungsnachweis

Abb. 1, 3-5 Festschrift 1912.

Abb. 2 Die Berlin-Gubener Hutfabrik 1913.

Abb. 6, 9, 10 50 Jahre 1938.

Abb. 7 Berlin-Gubener Hutfabrik 1922.

Abb. 8 https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=110409150 (Foto: Clemensfranz - CC BY-SA 4.0)

Empfohlene Zitierweise

Czech, Vinzenz: Berlin-Gubener Hutfabrik AG, publiziert am 20.10.2023; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Vinzenz Czech

Die Anfänge der Forster „Wäschereimaschinenfabrik Rumsch & Hammer“ gehen zurück auf eine am 5. Juli 1887 in der Amtstraße von Emil Rumsch und Oswald Hammer gegründete Maschinenbauanstalt und Reparaturwerkstatt. Aufgrund der außerordentlichen Entwicklung der Textilwirtschaft in Forst stellte der Betrieb in den ersten Jahren vor allem Muldenpressen, Zentrifugen und andere Maschinen her (Abb. 1).

Um die Jahrhundertwende erlangte die maschinelle Wäschebehandlung in Deutschland größere Bedeutung. In diese Richtung gingen schließlich auch die Bemühungen der Inhaber um ein neues Produktionsprofil, denn nach einer Überschwemmung der Fabrik im Jahr 1897 waren fast sämtliche Modelle für Textilmaschinen verloren gegangen (Lummerzheim 1925, 66).

Ab 1897 ging man daher über zur Produktion von Wäschereimaschinen. Der Bau der ersten Modelle erfolgte noch nach dem Muster amerikanischer Vorbilder, die in dieser Zeit vorwiegend eingeführt wurden und den Markt beherrschten. Es handelte sich dabei um große Maschinen für Waschanstalten, Krankenhäuser, große Hotelbetriebe etc. Ein erstes eigenes Modell war eine Universal-Muldenplättmaschine zum Plätten und Glänzen von Kragen und Manschetten. Mehrere Patente sicherten den Absatz über viele Jahre.

Eigene Ingenieure entwickelten in der Folge kleinere Maschinen für den Einzelhaushalt, Pensionen oder kleine Hotels, die erfolgreich auf den Weltausstellungen in Brüssel und London sowie auf zahlreichen weiteren Ausstellungen präsentiert werden konnten (Abb. 2-4). Von nunmehr eigenen Patenten geschützt, setzte die Firma im Laufe der Jahre immer größere Mengen an Maschinen ab und erlebte vor dem Ersten Weltkrieg einen erheblichen Aufschwung. Ab 1907 wurden neben Wäschereimaschinen auch Bügelpressen, Muldenpressen, Zentrifugen und ganze Wäschereieinrichtungen produziert (Abb. 5-9). Die Anzahl der Arbeiter wuchs in dieser Zeit auf etwa 400. Ein Viertel bis ein Drittel der Gesamtproduktion der Firma gingen in den Export in alle Welt, der über eigene Handelsvertreter organisiert wurde (Lummerzheim 1925, 66).

Schon vor dem Ersten Weltkrieg fertigte „Rumsch & Hammer“ auch Heereswäschereimaschinen. Während des Krieges wurde die Produktion zum Teil eingestellt und dafür Kranken- und Bagagewagen hergestellt, im weiteren Verlauf auch Granathülsen.

Die Kriegsfolgen samt Inflationsjahren sorgten für eine zwischenzeitlich starke Einschränkung der Produktion. Jedoch erholte sich die Firma im Laufe der 1920er Jahre recht bald und 1925 konnte der Betrieb durch die Fertigstellung einer eigenen Gießerei in der Weststraße erweitert werden. Die notwendigen Facharbeiter kamen dazu aus dem schlesischen Bunzlau. Damit war der Betrieb nun unabhängig von anderen Gießereien geworden.

Erfolg brachte der Firma auch die Übernahme eines Großauftrages an Bügelpressen. Hergestellt nach amerikanischem Muster unter Hilfe eines deutschen Vertreters der Firma wurden sie unter dessen Namen als „Hoffmann-Pressen“ bekannt.

1926 verstarb der Firmengründer Emil Rumsch bei einem Autounfall. Die Firma übernahmen in der Folge seine vier Söhne. Die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre brachte erhebliche Einschränkungen mit sich. Die Arbeit in der Gießerei musste eingestellt und die Belegschaft auf ein Viertel reduziert werden (50 Jahre 1937).

In den 1930er Jahren normalisierte sich die Auftragslage und die Firma versorgte wieder Hotels und Krankenhäuser mit Wäschereimaschinen. Darüber hinaus profitierte man auch von Aufträgen aus dem Militär für die Lieferung von Heereswäschereien. Bei ihrem 50jährigen Bestehen 1937 konnte das Unternehmen auf die Herstellung und Lieferung von etwa 12.000 Plätt- und Muldenmangeln, 6.400 Zentrifugen, 9.000 Waschmaschinen und 970 Zylinder-Dampfmangeln zurückblicken (50 Jahre 1937).

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Besetzung von Forst durch die Rote Armee im April 1945 waren große Teile der Stadt zerstört. Auch der Hauptbetrieb der Firma in der Amtstraße war davon betroffen, die Gießerei in der Weststraße dagegen nur zum Teil. Verbliebene Mitarbeiter versuchten hier einen zögerlichen Neubeginn. Die Enteignung der alten Besitzer erfolgte schließlich im April 1948 und der Betrieb ging auf im neugegründeten „VEB Wäschereimaschinenbau Forst“.

Quellen

50 Jahre Rumsch & Hammer. In: Forster Tageblatt 3.7.1937.

Forster Wäschereimaschinenfabrik Rumsch & Hammer Forst (Lausitz). Jahrbuch 1914.

Literatur

40 Jahre Wäschereimaschinenbau Forst (Lausitz). Hrsg. von der Parteileitung des VEB Wäschereimaschinenbau Forst. 1988.

Lummerzheim, Wolfgang: Forst als Industrie- und Handelsplatz. Forst 1925.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Leipziger Monatschrift für Textilindustrie 31.5.1891.

Abb. 2, 3, 5-9 Jahrbuch 1914.

Abb. 4 Gemeinfrei.

Empfohlene Zitierweise

Czech, Vinzenz: Wäschereimaschinenfabrik Rumsch & Hammer, Forst, publiziert am 18.10.2023; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

 

Die „Maschinenfabrik & Eisengießerei Quade“ wurde 1847 gegründet und befand sich in der Straupitzerstraße 4-5 in Guben. Als älteste Spezialfabrik für Walk- und Waschmaschinen der Stadt hatte die Firma bis in die 1920er Jahre bereits 4.000 Maschinen für die Tuchindustrie geliefert. Außerdem baute sie auch Maschinen für die Woll- und Haarhutfabrikation (Abb. 1, 2).

Da auch die Gubener Firma „Carl Heinze, Maschinenfabrik AG“ in dieser Branche tätig war, wurde eine Vereinbarung getroffen, dass jede der beiden Firmen nur bestimmte Maschinen für die Hutfabrikation herstellte. Somit befanden sich beide Unternehmen nicht in Konkurrenz zueinander, vielmehr wurden Aufträge von Hutfabrikanten gelegentlich von der Firma Heinze an die Firma Quade und umgekehrt weitergeleitet.

Ein weiterer Gegenstand des Unternehmens war der Bau von Zentrifugen für die Textilindustrie. Als Beispiele für Maschinen, die von der Firma Quade gebaut wurden, seien Quades Walktuchmesser D.R.G.M. und die Schwere Militärtuch-Normal-Zylinderwalke Modell E.2800 genannt.

Die Firma Quade war Mitglied des Vereins Deutscher Maschinenbauanstalten und der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau. Seit 1919 war die „Berlin-Gubener Hutfabrik AG“ mit 77 % an der „Wilhelm Quade GmbH“ beteiligt. Das Grundkapital betrug 240.000 Reichsmark, wovon 185.000 Reichsmark auf die „Berlin-Gubener Hutfabrik AG“ entfielen. Weiterhin waren als Gesellschafter der Kaufmann, Fabrikant und früherer Geschäftsführer Fritz Rebsch mit 15.000 Reichsmark sowie der damalige Geschäftsführer der Firma Quade, der Ingenieur Karl Rüdiger, mit 40.000 Reichsmark beteiligt. Letzterer führte das Unternehmen bis zum 30. Juni 1944, als er aus Altersgründen ausschied. Danach übernahm der Geschäftsführer der Firma Heinze, Direktor Carl Friedrich Kraney, auch die Führung des kleineren Unternehmens Quade.

Während des Zweiten Weltkrieges gab es Erwägungen, die Firmen Heinze und Quade zu einem Unternehmen zusammenzulegen, diese wurden jedoch nicht umgesetzt. Zwischen dem 23. und 25. Februar 1945 nahm sich der Direktor Carl Friedrich Kraney das Leben. Nach dem Ende des Krieges wurde der Betrieb von einem Treuhänder geleitet, enteignet und 90% der Anlagen demontiert.

Als der Betrieb seine Arbeit wiederaufnahm, lautete die Firmenbezeichnung zunächst „Volkseigener Betrieb Brandenburg, Maschinenfabrik & Eisengießerei Wilhelm Quade, Guben“. Später erhielt er die Bezeichnung „VEB Textil- und Hutmaschinenfabrik Guben“ und wurde an die VVB Metall Land Brandenburg, Kleinmachnow angeschlossen. Aus der Trägerschaft der VVB Metall wurde er am 1.1.1951 entlassen. Es erfolgte der Zusammenschluss mit dem „VEB Hutmaschinenbau Guben“ (früher Firma Carl Heinze).

VVB – Vereinigung Volkseigener Betriebe

(Textvorlage: Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 75 Maschinenfabrik & Eisengießerei GmbH Wilhelm Quade, Guben; Bestandsübersicht / Firmengeschichte, ergänzt und bearbeitet von Vinzenz Czech)

Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 75 Maschinenfabrik & Eisengießerei GmbH Wilhelm Quade, Guben [Siehe: Hier]

Abbildungsnachweis

Abb. 1, 2 Gemeinfrei.

Empfohlene Zitierweise

Maschinenfabrik & Eisengießerei GmbH Wilhelm Quade, Guben, publiziert am 17.10.2023; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

 

1891 gründete Carl Heinze in Guben (Uferstraße 30/36) eine Maschinenfabrik, die zunächst Dampfmaschinen, Pumpen und Einrichtungen für Keltereien herstellte sowie Reparaturen aller Art ausführte. Im Jahr 1908 begann der Sohn des Gründers, Moritz Heinze, mit dem Bau von Maschinen für die Haar- und Wollhutindustrie. Da in diesem Zeitraum Hüte zunehmend maschinell gefertigt wurden, konnte die Firma schon kurze Zeit später einen beträchtlichen Absatz von Hutmaschinen erzielen. Außerdem erwarb sie sich durch einige patentfähige Erfindungen einen guten Ruf im In- und Ausland.

Anfang 1919 verkaufte Moritz Heinze das Unternehmen für 600.000 Mark. Die Käufer gründeten eine Kommanditgesellschaft, die 1923 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Der Kaufmann und Fabrikant Franz Wolf brachte als Kommanditist das gesamte Kapital der Kommanditgesellschaft in die Aktiengesellschaft ein und wurde zudem zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt. Alleiniger Vorstand wurde der bereits als Fabrikleiter tätige Direktor Carl Friedrich Kraney. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit verlegte man den Sitz der Aktiengesellschaft nach Frankfurt (Main), da die Aktionäre und Aufsichtsratsmitglieder ihren Wohnsitz in Frankfurt (Main) hatten.

Bei Gründung des Unternehmens betrug das Grundkapital aufgrund der Inflation 5 Millionen Papiermark, zerlegt in 5.000 Aktien zu je 1.000 Papiermark (50 Goldmark). 1925 wurde das Aktienkapital auf 300.000 Reichsmark herabgesetzt. Die bis Mai 1923 anhaltende Inflation führte zu Kontroversen zwischen dem früheren Fabrikbesitzer Moritz Heinze und den Käufern der Fabrik. Durch die Geldentwertung nach dem Verkauf der Firma kam Moritz Heinze in finanzielle Bedrängnis. Die Firma Heinze beschäftigte ihn schließlich bis zu seinem Tod 1926 als beratenden Ingenieur.

Nach der Gründung der Aktiengesellschaft wurde die Fabrikation von Hutmaschinen erfolgreich fortgesetzt. Während für die Haarhutindustrie sämtliche Maschinen hergestellt wurden, erfolgte für die Wollhutindustrie nur die Herstellung von Filzmaschinen. Mit ihren Produkten erlangte die Firma Heinze Weltruf. Besonders bekannt unter den Hutfabrikanten waren die Haarblasmaschine Model SW, die Große Automatische Fachmaschine, die Velourhut-Bürstelmaschine und die Automatische Hutkopf-Reibmaschine. Im Mai 1928 wurde die 300. Blasmaschine fertiggestellt (Abb. 1-5).

Das gesamte Export-Geschäft wurde über den holländischen Konzern N. V. Hoedhaar in Rotterdam abgewickelt. Die Firma N. V. Hoedhaar war zugleich im Besitz des Grundkapitals und aller Aktien der Firma Heinze. Vermittelt wurden die Geschäfte durch die in Deutschland ansässigen Exportfirmen und durch Vertreter in verschiedenen Ländern, die Fachleute auf dem Gebiet der Hutfabrikation waren. So wurde z.B. in Frankreich die Firma Heinze durch die Firma Lafon vertreten (Abb. 6) Großen Anteil an der Vermittlung von Export-Geschäften hatte die Deutsch-Transatlantische Export GmbH Frankfurt (Main) unter Führung von Franz Wolf. Sie war u.a. zuständig für das Hauptabsatzgebiet Südamerika.

Betrug der Jahresumsatz der Firma Heinze kurz vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Jahr 1929 noch über 900.000 Reichsmark, brachten die folgenden Jahre dem Unternehmen erhebliche Verluste. Bis zum Jahr 1931 ging der Umsatz auf 273.000 Reichsmark zurück, durch Sparmaßnahmen konnte es jedoch gerettet werden.

In dieser Zeit kam es auch zu Änderungen bei der Regelung des Exports. Franz Wolf verlegte sein Unternehmen nach Sao Paulo in Brasilien. Die Deutsch-Transatlantische Export GmbH stellte 1933 ihre Tätigkeit ein und die Firma Heinze wurde nun von Sao Paulo aus vertreten. Der Vorsitz im Aufsichtsrat ging an den Fabrikanten der Hutstoffwerke C. F. Donner in Frankfurt (Main), Max Donner, über.

Die Abwicklung des Exportgeschäftes erfolgte seit 1934 direkt von Guben aus. Zu diesem Zweck siedelte der bei der Firma N. V. Hoedhaar zuständige leitende Angestellte Willy Rust von Rotterdam nach Guben über. Er wurde als Prokurist bei der Firma Heinze tätig. Schließlich wurde 1935 der Sitz der Aktiengesellschaft von Frankfurt (Main) ebenfalls nach Guben verlegt. Der Aufsichtsrat bestand 1935 nur noch aus drei Mitgliedern. Alleiniger Vorstand blieb weiterhin Direktor Carl Friedrich Kraney.

Nach der Weltwirtschaftskrise konnte sich das Unternehmen wieder erholen. Der Jahresumsatz stieg bis 1935/36 wieder auf über 500.000 Reichsmark, der Auslandsanteil betrug dabei knapp 70 %. Die Beschäftigtenzahl lag zu diesem Zeitpunkt bei etwas über 50 Arbeitern und 11 Angestellten. Zusätzlich befanden sich im Durchschnitt 25 Lehrlinge bei der Firma Heinze in der Ausbildung, vor der Weltwirtschaftskrise waren es etwa 70 Arbeiter bei annähernd gleicher Anzahl von Angestellten und Lehrlingen gewesen.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges änderte sich zunehmend das Bild des Unternehmens. Trotz entsprechender Nachfrage ging die Hutmaschinenfabrikation zurück. Dies war z.T. auf Schwierigkeiten bei der Materiallieferung (Eisen) zurückzuführen. Einen letzten großen Auftrag über Hutmaschinen bekam die Firma Heinze aus dem Iran, wo eine Hutfabrik errichtet werden sollte. Durch die Kriegsereignisse gelangte jedoch nur noch ein Teil der Maschinen in den Iran.

Die Firma Heinze wurde ab 1940 der größte Gubener Rüstungsbetrieb. Ihr Absatz verlagerte sich vom Ausland auf das Inland, es wurden nun vor allem Spezialwerkzeuge und Werkzeugteile für Maschinen hergestellt. Seit 1940 war die Firma Heinze auch an der Munitionsfertigung beteiligt. Die Beschäftigtenzahl stieg auf etwa 70 Arbeiter an, bedingt durch Einberufungen zur Wehrmacht wurden zunehmend Frauen zur Arbeit verpflichtet. Im November 1941 kamen 20 französische, später auch italienische Zwangsarbeiter sowie russische Kriegsgefangene in die Fabrik. Die Firma Heinze verwaltete das Gubener Kriegsgefangenenlager (etwa 70 Kriegsgefangene).

Am 1. Juli 1941 erfolgte die Umwandlung der „Carl Heinze Aktiengesellschaft“ in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, um die Unternehmensführung zu vereinfachen. Alleiniger Geschäftsführer wurde der bisherige Direktor Carl Friedrich Kraney, der Aufsichtsrat wurde aufgelöst, Sitz der Gesellschaft blieb Guben. Zuvor hatte die „Berlin-Gubener Hutfabrik AG“ das gesamte Stammkapital von der N. V. Hoedhaar in Rotterdam mit der Begründung erworben, es habe sich bei der Firma N. V. Hoedhaar um ein nicht arisches Unternehmen gehandelt. Die „Berlin-Gubener Hutfabrik AG“ wurde alleiniger Gesellschafter der neuen GmbH.

Zum Kriegsende lag der Schwerpunkt der Firma Heinze bei der Fertigung von CH-Kurzgewinde Strehlapparaten, die in einer Maschinenfabrik in Klingenthal fortgesetzt wurde, als das Gubener Werk durch Kriegseinwirkungen bereits beschädigt war. Bis zum 20. 2. 1945 wurde bei der Firma Heinze gearbeitet. Direktor Carl Friedrich Kraney nahm sich zwischen dem 23. und 25. Februar das Leben, auch der Prokurist Willy Rust starb.

Die Rote Armee besetzte nach Kriegsende den Betrieb und wegen der vorausgegangenen Kriegsproduktion erfolgte eine fast vollständige Demontage. Die Besetzung endete im Frühjahr 1946. Aufgrund des Befehls Nr. 124 der SMAD vom 30. 10. 1945 und der Verordnung der Provinzialverwaltung Mark Brandenburg von 5. 8. 1945 wurde der Betrieb in Volkseigentum überführt und die Provinzialverwaltung bestellte einen Treuhänder. Dieser gestattete nicht die Weiterführung des alten Firmennamens. Der Betrieb wurde als Abteilung der Firma Alfred Donat, vormals Wilhelm Köhler, Guben angegliedert. Durch eine Eingabe erreichte die Belegschaft jedoch, dass der Betreib als „Landeseigener Betrieb Brandenburg, Carl Heinze Maschinenfabrik“, wieder eigenständig arbeitete. Geleitet wurde der Betrieb vom langjährigen Werkmeister Paul Leutloff.

Nach Aufräumarbeiten der Kriegsschäden lief die Produktion am 1. November 1946 wieder an. Zunächst wurden Aufträge des allgemeinen Maschinenbaus und Reparaturarbeiten ausgeführt. Der Betrieb fertigte zum Beispiel Lokomotivteile für einen Reparationsauftrag des "Karl Marx Werkes Babelsberg" (früher Orenstein & Koppel). Außerdem sollten Landmaschinen und Traktoren hergestellt werden. Die Leitung des Betriebes räumte jedoch ein, dass dafür die Voraussetzungen fehlten und bemühte sich um die Wiederaufnahme des Hutmaschinenbaus. Noch immer war der Betrieb in Deutschland nahezu konkurrenzlos. Von früheren Geschäftspartnern, v.a. aus den nunmehrigen Westzonen, aber auch aus dem Ausland, lagen bereits Aufträge vor. Der Bau von Hutmaschinen wurde jedoch nicht gestattet. Am 1. Juli 1948 wurde die „Maschinenfabrik Carl Heinze“ als Zweigbetrieb der VVB Textima Chemnitz angeschlossen.

Eine Enteignungsurkunde der Landesregierung vom 15. Juli 1948 machte die Enteignung schließlich rechtskräftig. Am 1. Januar 1951 wurde der Betrieb unter der Bezeichnung „VEB Hutmaschinenbau Guben“ mit der „Textil- und Hutmaschinenfabrik Guben“ (früher Firma Wilhelm Quade GmbH) zusammengeschlossen.

VVB – Vereinigung Volkseigener Betriebe

(Textvorlage: Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 75 Carl Heinze, Maschinenfabrik AG, Guben; Bestandsübersicht / Firmengeschichte, ergänzt und bearbeitet von Vinzenz Czech)

Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 75 Carl Heinze, Maschinenfabrik AG, Guben [Siehe: Hier]

Literatur

Carl Heinze Maschinenfabrik A.-G. Guben. Spezialfabrik für Maschinen zur Hutfabrikation. In: Stein, Erwin (Hrsg.): Monographien deutscher Städte. Band XXV Guben. Berlin 1928, S. 234/235.

Carl Heinze, Maschinenfabrik Guben. Spezialfabrik für Maschinen zur Hutfabrikation. In: Magistrat der Stadt Guben (Hrsg.): Deutschlands Städtebau – Guben. Berlin 1922, S. 58/59.

Abbildungsnachweis

Abb. 1-3 Carl Heinze 1928.

Abb. 4, 5 Carl Heinze 1922.

Abb. 6 Gemeinfrei.

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Carl Heinze, Maschinenfabrik AG, Guben, publiziert am 17.10.2023; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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