Phöben (Landkreis Potsdam-Mittelmark) – slawische Siedlung

Thomas Kersting

Die Errichtung eines Einfamilienhauses unweit der Phöbener Kirche rief das Gebietsreferat auf den Plan, war hier doch in den dreißiger Jahren ein größeres Gräberfeld verschiedener Perioden in Ausschnitten ergraben worden. Neben bronzezeitlichen und kaiserzeitlichen Brandbestattungen hatte man auch Skelettgräber der Völkerwanderungszeit und der frühen Slawenzeit dokumentiert.

Die Phöbener Kirche und der Ort selbst liegen auf einer zur Havel geneigten Terrasse am Nordabhang der Phöbener Endmoränenhügel Wachtelberg und Haakeberg, auch Phöbener Heide genannt, die sich mehr als 50 Meter über den Fluss erheben (Abb. 1). In ca. 2 Kilometer Entfernung nach Norden befindet auf einer Halbinsel in der Havel der slawenzeitliche Burgwall „Räuberberg“.

Die Bauarbeiten für den nicht unterkellerten Bau in der Fährstraße wurden von Mitarbeitern des Fachamtes begleitet. Anders als ursprünglich vorgesehen, musste für den Unterbau der Fundamentplatte ein Bodenaustausch bis in größere Tiefe vorgenommen werden, denn durch die äußerst intensive gärtnerische Nutzung an dieser Stelle hatte sich eine enorme humose Überdeckung gebildet, die bis zu 1,80 m stark war. An der Unterkante der Oberbodenschicht kam der anstehende hellsandige, stellenweise lehmige Untergrund zutage.

Hier konnten im Planum schwarzbraune, meist kreisrunde Verfärbungen unschwer als die Reste von neun Gruben erkannt werden, die bis zu einem Meter Durchmesser aufwiesen und im Profil durchschnittlich nur noch 0,5 Meter tief erhalten waren. Ihre Füllung war überwiegend inhomogen geschichtet und enthielt neben Keramikscherben und Hüttenlehmbrocken auch Tierknochen und Fischreste (Rind, Schwein und Karpfen, Bestimmung S. Hanik, BLDAM). Angesichts der erhaltenen Konturen und der ungewöhnlichen Tieflage haben wir es hier mit den letzten Resten von ursprünglich sehr viel tieferen, relativ engen Gruben zu tun. Anhand der aus den Gruben stammenden typisch spätslawischen Keramik lassen sie sich den klassischen Vorratsgruben der vielfach beschriebenen „sackförmigen“ Gestalt zuweisen. Spuren von Bestattungen dagegen wurden übrigens nicht gefunden, die einzigen beiden rechteckigen Verfärbungen waren moderne Störungen.

Die Keramik von braungrauer Färbung ist teilweise rauchgeschwärzt und relativ dünnwandig, im Bruch erscheint sie recht homogen und weist nur vereinzelt gröbere Magerungsbestandteile auf. Sie besitzt also nicht den typischen Habitus der überwiegend mittelslawischen Tonware, die man aufgrund der bei den Bestattungen gefundenen Gefäße hier hätte erwarten können, sondern sie ist darüber hinaus deutlich härter gebrannt und vor allem auch auf der Töpferscheibe hergestellt (Abb. 2). Im Übrigen scheint es sich bei der in den slawischen Gräbern gefundenen Ware teilweise um ad hoc für die Bestattung - möglicherweise in Eile - hergestellte Töpfe zu handeln, so flüchtig, aber auch individuell gearbeitet erscheinen diese. Die Siedlungskeramik findet in Machart und Muster vielerorts Parallelen, und entspricht der typischen Ausprägung spätslawischer Ware mit unterschiedlich engen Gurtfurchen, die gleich unter dem Rand ansetzen und bis auf die Gefäßunterteile reichen. Oft sind sie kombiniert mit Kerbreihen und Wellenlinien, auch ein Randfragment eines kugeligen Topfes vom Bobziner Typ liegt vor. Die Randformen sind wenig ausgeprägt, untergriffige Ränder beispielsweise fehlen. Das Material dürfte ins 11. Jahrhundert bzw. an den Anfang des 12.Jahrhunderts datieren, Beeinflussung durch frühdeutsche Ware ist noch nicht festzustellen. Abgesehen von vereinzelten Streuscherben, ist dies der erste Nachweis spätslawischer Siedlungsbefunde unter dem heutigen Phöben.

Der Burgwall „Räuberberg“ stammt aus der mittelslawischen Periode, ihm ging eine älterslawische offene Siedlung voraus. Nach einer anhand von Schwemmsandschichten nachgewiesenen Überschwemmung hat er eventuell für kurze Zeit im 10. Jahrhundert einen ottonisch-deutschen Burgward getragen. Erst nach endgültiger deutscher Eroberung im 12./13. Jahrhundert stand hier – wieder relativ kurzfristig – eine archäologisch nachgewiesene Burg, die jedoch nicht urkundlich bezeugt ist. Irgendwann in dieser Zeit wurde die spätslawische Siedlung wohl an die Stelle des heutigen Ortes verlagert. Im 20. Jahrhundert wurde der „Räuberberg“ nahezu vollständig abgetragen und das Material zu Aufhöhung auf die umliegenden, ebenfalls stark überschwemmungsgefährdeten Felder verteilt (Abb. 3), was auch der Grund für mehrere kleine Sondageuntersuchungen war. Von Burgwall bis zum heutigen Ort erstrecken sich die „Kietzwiesen“, dieser Name ist der einzige Hinweis auf eine Kietzsiedlung; Streufunde aus diesem Bereich sind natürlich wenig aussagekräftig.

Ein Kietz ist eine - hier wie auch andernorts üblich - zur Burg gehörige Ansiedlung mit eigenen Rechtstatus, die wohl in einem dienstlichen Abhängigkeitsverhältnis zur Burg stand. Diese Siedlung wurde im Bereich der Phöbener Mühle vermutet, fast 2,5 Kilometer südwestlich des Burgwalls gibt es hier einen Flurnamen „Alte Dorfstelle“ und Streufunde frühdeutscher blaugrauer Keramik, es fehlen aber slawische Funde. Wenn Kietzsiedlungen auch häufig eine Beziehung zu Mühlenstandorten aufweisen, schien schon Richard Hoffmann dieser Fundplatz aber nicht dafür in Frage zu kommen (lt. Ortsakten BLDAM). Ein Fundplatz etwa 200 m nordwestlich des heutigen Ortes nahe dem Havelufer und ca. 1500 m südlich des Burgwalls hat dagegen sowohl slawisches Material als auch eine komplette Drehmühle von knapp einem halben Meter Durchmesser geliefert. Diese Stelle könnte sozusagen das Bindeglied darstellen; die Mühlsteine dürften wohl kaum mit dem Burgwallmaterial auf die Äcker gelangt sein, zumal sie aus etwa 1 m Tiefe stammen. Diese Siedlungsstelle muss dann wohl auch bald aus Gründen der Hochwassergefährdung weiter hangaufwärts verlagert worden sein. So darf heute angenommen werden, dass der zur frühdeutschen Burg gehörige Kietz wohl doch mit der spätslawischen Ansiedlung unter dem heutigen Dorf identisch war. Dies weniger deswegen, weil ein Teil der Fährstraße auch „Fischerkietz“ genannt wird, sondern weil sich hier – bis heute (Fährstraße!) - der Flussübergang befindet, nämlich die Furt, auf welche die erste Nennung des Ortes im Jahr 1305 ausdrücklich als „Vebene Fort“ Bezug nimmt. Auf dem anderen Ufer, auf Töplitzer Gebiet, ist in unmittelbarer Nähe des Überganges ebenfalls ein mittel- und spätslawischer Siedlungsplatz durch Oberflächenfunde belegt, unweit nördlich befindet sich auch auf dieser Flussseite ein Burgwall mit zugehörigem Kietz, dazu auch hier ein Bestattungsplatz am „Mühlenberg“.

Ob der Flussübergang an dieser Stelle im Zusammenhang mit der überregionalen Verbindungsstraße von Magdeburg nach Lebus zu sehen ist, deren Hauptstrecke von Brandenburg über Spandau und Köpenick führte und von der vor Ketzin eine Nebenstrecke wohl über Werder und Geltow nach Potsdam abzweigte, kann nur vermutet werden, auf jeden Fall verband er aber zwei nicht unbedeutende Siedlungskammern mit vergleichbarer siedlungsgeschichtlicher Ausstattung.

Der Ortsname selber ist eine Übertragung aus Grafschaft Flandern in der Nähe der heute französischen Kanalküste, Im 12. Jahrhundert wird hier ein Ort „Fevin“ oder „Phevin“ genannt (das heutige Febvin-Palfart im Département Pas-de-Calais bei Saint Omer), als dieses Gebiet noch an der deutsch-französischen Sprachgrenze lag und noch nicht romanisiert war. Von dort stammten wohl die Siedler, die sich im Rahmen der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung hier niederließen.

 

Dieser Beitrag erschien unter dem Titel: Kersting, Thomas: „Vebene Vort“ - Eine spätslawische Siedlung an der Furt in Phöben, Lkr. Potsdam-Mittelmark. In Archäologie in Berlin Brandenburg 2003. Stuttgart 2004, S. 116-118.

Literatur

Fischer, Reinhard: Die Ortsnamen der Zauche. Brandenburgisches Namensbuch T. 1. Weimar 1967, Nr. 126, 96.

Grebe, Klaus / Hoffmann, Richard: Slawische Grabfunde von Fahrland, Ketzin und Phöben. Ein Beitrag zur Kenntnis der slawischen Bestattungssitten im Havelland. In: Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam 3 (1964), S. 102-151.

Herrmann, Joachim / Donat, Peter: Corpus achäologischer Quellen zur Frühgeschichte auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik. 3.Lieferung: Bezirke Frankfurt, Potsdam. Berlin 1979, S. 248f., 270ff.

Herrmann, Joachim / Hoffmann, Richard: Neue Forschungen zum slawischen und frühdeutschen Burgwall „Räuberberg“ bei Phöben, Kr. Potsdam-Land. In: Ausgrabungen und Funde Band 4 (1959), 294-306.

Herrmann, Joachim: Magdeburg – Lebus. Zur Geschichte einer Straße und ihrer Orte. In: Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam 2 (1963), S. 89 – 106.

Krüger, Bruno: Die Kietzsiedlungen im nördlichen Mitteleuropa (= Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte; 11). Berlin 1962, S. 30, 174.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Th. Kersting.

Abb. 2 Fundzeichnungen I.Borak, BLDAM.

Abb. 3 J. Wacker, BLDAM.

Empfohlene Zitierweise

Kersting, Thomas: Phöben (Landkreis Potsdam-Mittelmark) – slawische Siedlung, publiziert am 20.11.2023; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen: Ur- und Frühgeschichte
Themen: Archäologie und Siedlung


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