Frühe Trichterbecherkultur (4100/4000–3600/3500 v. Chr.)
Günter Wetzel
Gruppen / Kulturen der Jungsteinzeit im Gebiet des heutigen Brandenburg
Frühneolithikum (um 5200–4000/3800 v. Chr.)
-> Friesack-Boberger Gruppe / Kultur
-> Linienbandkeramik
-> Stichbandkeramik / Stichreihenkeramik
-> Rössener Kultur
-> Brześć Kujawski Gruppe / Guhrauer Gruppe
-> Michelsberger Kultur
-> Frühe Trichterbecherkultur
-> Baalberger Kultur
Mittelneolithikum (um 3800/3500–2800 v. Chr.)
-> Nordische Trichterbecherkultur
-> Übergangshorizont
-> Salzmünder Kultur
-> Uckermärkische Gruppe
-> Walternienburger Kultur
-> Altmärkische Tiefstichkeramik
-> Britzer Kultur
-> Waltersdorfer Gruppe
-> Havelländische Kultur
-> Fischbecker Gruppe der -> Schönfelder Kultur
-> Bernburger Kultur
-> Kugelamphorenkultur
Spätneolithikum (um 2800–2200/2000 v. Chr.)
-> Schnurkeramik
-> Einzelgrabkultur
-> Oderschnurkeramik
-> Schönfelder Kultur
-> Ammenslebener Gruppe der -> Schönfelder Kultur
-> Glockenbecherkultur
-> Dolchzeit / Aunjetitzer Kultur
Diese bedeutende Kulturgruppe ist nach der wichtigsten Gefäßform benannt, dem mehr oder weniger großen Becher mit einem schräg ausladenden Trichterrand. Die zeitliche Laufzeit ist noch nicht genauer definiert, wobei der Beginn um 4100/4000 v. Chr. annähernd feststehen dürfte. Die älteste Phase der Trichterbecherkultur füllt in Brandenburg zusätzlich die Räume aus, die von den Altsiedelgruppen, also der -> Linienbandkeramik, -> Stichbandkeramik/Stichreihenkeramik, der -> Rössener Kultur und Gaterslebener Kultur (in Brandenburg kaum vertreten) weitgehend gemieden wurden. Das Fundmaterial ist aber noch sehr spärlich (Beran 2017).
Die frühen Trichterbecher sind durch eine Zeile von Einstichen unter dem Rand und eventuell Randkerben erkennbar (Abb. 1, 2). Umstritten ist die sichere Zeitstellung breiter Trichterbecher mit konischem Unterteil, auch als „Typ Pasewalk“ bezeichnet, in diesen frühen Zeitabschnitt oder in den der -> Uckermärkischen Gruppe (Kirsch 1994; Beran/Heller 2018). Daneben kommen Amphoren, Ösenkruken (Diepensee / Landkreis Dahme-Spreewald: Dirks 2008) (Abb. 3), Kragenflaschen und Backteller (Schönermark / Landkreis Uckermark: Geisler 1965; Kirsch 1994, 15ff.) vor. Frühe Kragenflaschen sind allerdings bisher in Brandenburg nicht nachgewiesen (Wetzel/Irrgang 2008). Abgesehen von der Randverzierung mit Einstichen auf einigen Trichterbechern ist die Tonware weitgehend unverziert, wie der Fund von Niederlandin (Landkreis Uckermark) zeigt, der auch einen frühen, typisch kurzhalsigen Trichterbecher enthält (Kirsch 1994) (Abb. 4). Die Gefäße wurden aus dem Moor geborgen und stellen vielleicht einen Opferfund dar.
Als Arbeitsgeräte sind (dünnnackige) Feuerstein- und Felsgesteinbeile anzunehmen, wobei geschlossene Funde fehlen (Abb. 5). Ebenso ist der Nachweis der flachen Hammeraxt für diese Phase der Trichterbecherkultur noch nicht völlig gesichert (Zápotocký 1992; Beran/Kennecke im Druck) (Abb. 6). T-förmige Äxte aus Hirschgeweih sind vom Endmesolithikum bis in die Zeit der -> Brześć Kujawski-Gruppe üblich. Zusammenfunde sind nicht bekannt. Die auf dem Fundplatz bei Döberitz (Landkreis Havelland) vor dem Krieg dokumentierten über 400 Pfostenlöcher konnten nicht zu Hausgrundrissen zugeordnet werden, sieht man einmal von der fehlenden konkreten Datierung im Einzelnen ab (evtl. -> Baalberger Kultur; Preuß 1966; Kirsch 1994). Ob es in dieser Zeit bereits in Brandenburg wie in Mitteldeutschland Grabenwerke gab, bleibt vorerst mangels exakter Datierungen offen (Beran/Hensel 2004; Ungerath/Cziesla 2007).
Dem Toten im Grab von Neuenfeld 17 in der Uckermark, in gehockter Stellung mit dem Schädel im Südwesten, waren eine Amphore und zwei dreieckige Flintpfeilspitzen beigegeben worden (Kirsch 1994) (Abb. 7). Es dürfte die übliche Bestattungssitte dieser Zeit darstellen: Erdflachgrab und ohne Grabhügel, (Dirks/Stark 2016). In Döberitz hatten sich keine Skelettreste erhalten (Preuß 1966) (Abb. 8). Einzelfunde von Äxten als auch von ganz erhaltenen Keramikgefäßen ohne Befundbeobachtungen werden als mögliche Hinweise auf Körperbestattungen angesehen, wenngleich die Gräber eher beigabenarm sind (Kirsch 1994).
Literatur
Bartels, Rainer / Storch, Susanne: Belegung über drei Jahrtausende. Bestattungen auf dem Gräberfeld von Schmölln, Lkr. Uckermark. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2016. Darmstadt 2018, S. 41–43.
Beran, Jonas: Landschaft der Trichterbecherkultur in Brandenburg. Ausgrabungen 1998 bis 2007. In: Beier, Hans-Jürgen / Classen, Erich / Doppler, Thomas / Ramminger, Britta (Hrsg.): Varia Neolithica VI. Neolithische Monumente und neolithische Gesellschaften. Langenweißbach 2009, S. 123–131.
Beran, Jonas / Heller, Markus: Uckermärker im Havelland? Eine Grabgruppe der Trichterbecherkultur von Potsdam-Nedlitz. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2016. Darmstadt 2018, S. 36–38.
Beran, Jonas / Kennecke, Heike: Nach 13 Jahren die nächste – eine Streitaxt der frühen Trichterbecherkultur von Brieselang, HVL. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2018. Stuttgart 2019 (im Druck).
Beran, Jonas: Das 4. Jahrtausend im norddeutschen Havelland und in der ostmitteleuropäischen Lausitz. Neues zu Siedlungsstrukturen und Kulturentwicklung im Land Brandenburg aufgrund von Rettungsgrabungen seit 1998. In: Pyzel, Joanna (Hrsg.): Das 4. Jahrtausend (= Fokus Jungsteinzeit. Berichte der AG Neolithikum, 6). Kerpen-Loogh 2017, S. 93–106.
Beran, Jonas / Hensel, Nicola: Streitaxt im Ringgraben. Eine Anlage der Trichterbecherkultur in Potsdam. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2003. Stuttgart 2004, S. 48–49.
Dirks, Ulrich: Die neolithischen Funde und Befunde vom Gelände der mittelalterlichen Dorfwüstung Diepensee, Landkreis Dahme-Spreewald. In: Einsichten. Archäologische Beiträge für den Süden des Landes Brandenburg 2006/2006 (= Arbeitsberichte zur Bodendenkmalpflege in Brandenburg, 18). Wünsdorf 2008, S. 65–73.
Dirks, Ulrich / Stark, Joachim: Ein Bestattungsplatz der frühen bis älteren Trichterbecherkultur bei Melzow, Lkr. Uckermark. In: Veröffentlichungen zur brandenburgischen Landesarchäologie 47. Wünsdorf 2013, S. 109–138.
Geisler, Horst: Die Ausgrabungen auf dem Eichberg bei Schönermark, Kr. Angermünde, 1963 und 1964. In: Ausgrabungen und Funde 10 (1965), S. 121–123.
Kirsch, Eberhard: Funde des Mittelneolithikums im Land Brandenburg (= Forschungen zur Archäologie im Land Brandenburg, 1). Potsdam 1993.
Kirsch, Eberhard: Beiträge zur älteren Trichterbecherkultur in Brandenburg (= Forschungen zur Archäologie im Land Brandenburg, 2). Potsdam 1994.
Preuß, Joachim: Die Baalberger Gruppe in Mitteldeutschland (= Veröffentlichungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle, 21). Berlin 1966.
Ungerath, Oliver / Cziesla, Erwin: Grabenwerk, Bestattung und Siedlung. Befunde verschiedener Zeitstellung bei Dyrotz, Lkr. Havelland. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2006. Stuttgart 2007, S. 37–40.
Zápotocký, Milan: Streitäxte des mitteleuropäischen Äneolithikums (= Quellen und Forschungen zur prähistorischen und provinzialrömischen Archäologie, 6). Weinheim 1992.
Abbildungsnachweis
Abb. 1 Nach Kirsch 1994, Abb. 2.
Abb. 2 BLDAM, Foto G. Wetzel.
Abb. 3 Nach Dirks 2008.
Abb. 4 Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte II 4507–4511; Foto D. Sommer, BLDAM.
Abb. 5 Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte Fundorte (Boitzenburg II 7221, Freyenstein II 11442, Götz If 6412, Groß Buckow II 22299, Klosterwalde If 3242, Neuenhagen II 11067, Rhinow If 1908, Vierraden II 17927); Foto D. Sommer, BLDAM.
Abb. 6 BLDAM, Foto J. Beran.
Abb. 7 Kirsch 1993, Abb. 114, Kat.Nr. 673; ders. 1994, Abb. 11.
Abb. 8 Nach Preuß 1966, Taf. 5.
Empfohlene Zitierweise
Wetzel, Günter: Frühe Trichterbecherkultur (4100/4000–3600/3500 v. Chr.), publiziert am 06.03.2019; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)
Kategorien
Epochen: Frühzeit
Themen: Archäologie und Siedlung