Forsthaus / Revierförsterei

Mario Huth

Statt dessen befand sie sich in einem schlichten Forsthaus, das weder elektrisches Licht noch fließendes Wasser oder Zentralheizung hatte, dafür abgetretene Kokosläufer, stockfleckige Spiegel, tote Fliegen auf den Fensterbrettern und Altväter-Hausrat.“ (Bredow, Ilse Gräfin von: Kartoffeln mit Stippe. Eine Kindheit in der märkischen Heide. Augsburg 1994, S. 57)

Definition und Typenauswahl forstlicher Immobilien

Die Art forstlich genutzter Immobilien in Brandenburg ist vielgestaltig. Man hat hier in erster Linie zu unterscheiden zwischen Gebäuden der forstwissenschaftlichen und der forstwirtschaftlichen Nutzung. Zu ersten Kategorie zählen Schulen zur Ausbildung staatlicher Waldarbeiter (z. B. Kunsterspring, Bernau) und Weiterbildung staatlicher Forstbediensteter (z. B. Forstschule Finkenkrug) sowie auch privater Forstbeamte (z. B. Templin). Daneben sind auch Hochschulstandorte für Revierbeamte (z. B. Eberswalde) zu nennen. Der zweiten Kategorie gehören Gehöfte und Gebäude der forstlichen Nebennutzungen (z. B. Teeröfen, Glashütten etc.), der forstbetrieblichen Einrichtungen (z. B. Samendarren, Wildannahmestellen etc.) und der dienstlichen Residenzen von Revierbediensteten verschiedenen Ranges an. Die letztgenannten dienten vordergründig als Sitz der Verwaltung einer definierten Forstwirtschaftsfläche privaten oder landesherrlichen bzw. staatlichen Besitzes. Hierzu zählen u. a. Forstaufseherhäuser (z. B. Regelsdorf bei Fürstenberg/Havel) (Abb. 1), Waldwärterhäuser oder Hilfsförstereien (z. b. Zorndorf bei Joachimsthal und Grenzschleuse bei Fürstenberg/Havel), Hegemeisterstellen (z. B. Prebelow bei Zechlinerhütte) aber auch Oberförstereien bzw. Forstämter, Staatliche Forstwirtschaftsbetriebe sowie schlussendlich auch Revierförstereien. Während eben jene Revierförstereien traditionell tatsächlich eng an einen Revierdienst gebunden waren und zumeist in isolierter Lage weitab weiterer menschlicher Siedlungen standen, befanden sich die Oberförstereien, welche primär dem zentralen Verwaltungszweck zu dienen hatten, häufiger in relativ gut erreichbarer Lage in oder randständig bei Orten (Abb. 2), von Ausnahmen wie der ehemaligen Oberförsterei Neuthymen bei Fürstenberg/Havel (1872–1946) einmal abgesehen. In der Folge soll hier näher auf Revierförstereien eingegangen werden.

Geschichte

Verhältnismäßig früh reifte bei Waldbesitzern die Erkenntnis, dass ein Revierbediensteter idealerweise nahe bei oder direkt in seinem Aufsichtsbezirk wohnen sollte, damit ein Höchstmaß an Arbeitsqualität gewährleistet werden konnte. Zeitig finden sich daher Anweisungen der königlich-preußischen Regierung, dass die Wohnorte des Aufsichtspersonals nahe beim Revier zu liegen haben. So sollten der Heidereiter David Eckert und der ihn unterstützende Heideläufer 1729 zwecks Beaufsichtigung der so genannten Hohen Heide bei Zechlin im Dorf Zempow (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) bzw. im „Quast“ Wohnhaft nehmen. Der königliche Unterförster Johann Clamann zu Ravensbrück wohnte 1747 in einem auf Geheiß des Königs erbauten Wohnhaus.

Allerdings spielte auch schon damals bei den Erwägungen der Regierung die Möglichkeit zu Einsparungen eine nicht unerhebliche Rolle. Daher beschränkte man sich bis weit in das 19. Jahrhundert hinein oftmals auf die Nachnutzung bereits vorhandener älterer Bausubstanz in geeigneter Lage. So ging beispielsweise nicht nur die Försterei Rottstiel bei Neuruppin (Abb. 3) sondern auch Neumühl bei Zechlinerhütte (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) ursprünglich auf eine einstige Schneidemühlenanlage zurück. Die „königliche Unterförsterei“ Woblitz bei Himmelpfort (Landkreis Oberhavel) entstand ebenso wie diejenige zu Berkholzofen bei Rheinsberg (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) aus bzw. in direkter Nähe einer ehemaligen Teerofensiedlung. Und die Forsthäuser Morgenland sowie Kastaven bei Fürstenberg/Havel (Abb. 4) (Landkreis Oberhavel) wurden auf dem ehemaligen Standort einer Ziegelei bzw. eines königlichen Domänenvorwerks errichtet.

Bei Rückfall größerer landadliger Waldbesitzungen an den Landesherrn wurden die zugehörigen Forstimmobilien übernommen und oftmals über die Gebühr weiter genutzt. Bezüglich der 1727 an den König rückgeführten Ländereien der Familie von Trott wurde noch zwanzig Jahre später bemerkt, dass der Heideläufer Martin Rönnebeck zu Neuthymen (Landkreis Oberhavel) in einem Diensthaus der von Trott wohne und schon 50 Jahre im Dienst sei. Auch seine Nachfolger im Amt, der königliche Unterförster Johann Friedrich Vogel und dessen Sohn Carl Friedrich Vogel, waren gezwungen, sich mit den örtlichen Gegebenheiten zu arrangieren. Etwas unwillig bemühte die Regierung erst 1780 eine Expertise des Bauinspektors Berger. Obwohl dieser im Zuge seiner Untersuchungen konstatierte, dass das Wohnhaus in völlig desolatem Zustand und nicht mehr bewohnbar wäre, unterblieben Neubau bzw. Sanierung. Lediglich die vom Förster auf eigene Kosten errichtete Scheune wurde vom Staat von dessen Witwe käuflich erworben. Auch andernorts, wie beispielsweise im nahegelegenen Bredereiche (Landkreis Oberhavel) (Abb. 5), zeigte sich die königliche Regierung im Jahr 1781 wenig taten- und investitionsfreudig, weshalb der dortige Unterförster Johann Daniel Körber den neuen Aufbau seines desolaten Dienst Hauses selbst erledigen wollte, wenn die Regierung ihm nur einen finanziellen Zuschuss und etwas Bauholz dazu liefern würde.

Gleichwohl wurden mit stetiger Aufstockung des Forstpersonals neben der Sanierung auch Neubauten von Dienstsitzen unumgänglich. Das 1770 gegründete königliche Oberbaudepartement wusste daher frühzeitig, einen ressourcenschonenden Weg zu begehen: Typenbauten. Schnell kamen spätestens unter Friedrich II. (1712–1786) in Fachwerk ausgeführte Musterhäuser auf (Abb. 6). Das betraf sowohl Oberförstereien als auch Revierförstereien, wobei es hier Standort bedingt immer kleinere Abweichungen vom Grundtypus gab.

Obwohl dann im 19. Jahrhundert ein deutlicher Anstieg an Forstdienstgebäuden zu verzeichnen war, wurde bei den vielen notwendigen Neubauten für Revierförstereien die robustere Massivbauweise bevorzugt. Sehr zweckorientiert errichtet mussten sich diese zuweilen den Vorwurf der Schmucklosigkeit gefallen lassen. Erwin Buchholz und Ferdinand Coninx versteigen sich gar unberechtigter Weise zu der drastischen Aussage, dass diese Gehöfte „gleich zweckmäßig wie häßlich“ waren (Buchholz/Coninx 1969, 57).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand dann im märkischen ländlichen Raum ein flächendeckendes Netz an Revierförstereien, vollständig erfasst und auf Karten eindrücklich visualisiert in den „Forstlichen Adressbüchern“ von Otto Müller (Müller 1902 u. 1926). Da die Anzahl der dauerhaft Instand zu haltenden und neu zu errichtenden Dienstgebäude abermals zum Sparen anhielt, versuchte man neue Wege zu gehen und Försterdienstgebäude in Holzbauweise zu entwickeln, die größtenteils aus „ostdeutscher Kiefer“ bestanden. Vom Preußischen Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten im Wettbewerb öffentlich ausgeschrieben, bekam die Firma „Otto Loeb & Co.“ in Falkensee für ihren Entwurf den Zuschlag. Dieser kostete schlüsselfertig nur 17500 Reichsmark und wurde der Öffentlichkeit erstmals im Jahr 1932 auf der Grünen Woche in Berlin gezeigt. Auch wenn sich diese Bauweise offenkundig nicht durchsetzen konnte, finden sich einige entsprechende Modelle noch heute im märkischen Raum, so etwa in Himmelpfort (Landkreis Oberhavel). Ähnlich verfuhr man weiter südlich in der Schorfheide, wo neben Kiefernbauholz regionaler Herkunft auch heimische Baustoffe wie Findlinge für Fundament und Sockel oder auch Schilfrohr für die Eindeckung Verwendung fanden. 

Mit der zunehmenden Technisierung und dem Einsatz von schweren Gerät kamen vor allem nach 1945 neue räumliche Herausforderungen auf die baulich überalterten Revierförstereien zu. Zuweilen fanden sich auf deren Gelände deshalb leicht antiquierte Lebensverhältnisse und moderne Technik vereint. Große forstliche Gerätschaften wurden nun in den oftmals leerstehenden Scheunen untergebracht.

Solche Extreme fanden sich auch im Haushalt. So waren die sanitären Einrichtungen vergleichsweise rückständig und die häusliche Wasserversorgung musste nicht selten bis weit in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein ausschließlich mit einer Handschwengelpumpe gewährleistet werden.

Wenngleich das Landesforstamt Brandenburg 1948 für die bauliche Aufwertung seiner Dienstimmobilien „10.000 Mauersteine, 3.380 Quadratmeter Dachpappe, 170 Meter Ofenrohr, 5 Öfen, 200 Kilogramm Baunägel, 45 Tonnen Kalk und fünf Tonnen Zement“ zur Verfügung stellte (Milnik et al. 1998, 444), blieb die Frage nach zeitgemäßen Lebensbedingungen auch in den Forsthäusern der DDR eine Herausforderung. Dazu muss allerdings angemerkt werden, dass nicht zuletzt im Nachgang der Verwaltungsreform von 1952 größere Posten Baumaterials für die Errichtung der Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebe (StFB) ebenso dringend benötigt wurden. Zum anderen beanspruchten auch die zahlreichen anderen Einrichtungen forstwirtschaftlicher Bedeutung, so etwa die Holzausformungs- und Verladeplätze, Feuerwachtürme und die forstlichen Nebennutzungsbetriebe (z. B. Holzkohleherstellung, Geflügel- und Nerzfarmen, etc.) sowie auch die moderne Großtechnik stetig Baumaterial.

Eine der entsprechenden Gegenmaßnahmen war die Errichtung von ganzen Mustersiedlungen. Darüber hinaus wurde in späteren Jahren auch die Residenzpflicht aufgehoben, was dem Revierförster nun erlaubte, in seinem privaten Haus zu wohnen und neue Nutzungen der Gebäude zuließ. Bereits im Jahr 1987 wurde beispielsweise die Revierförsterei Woblitz in eine Naturschutzstation umgewandelt. Nach 1990 wurden dann etliche marode Revierförstereien auch durch Verkauf an Privathand abgestoßen, manche saniert und zur Miete für Angestellte des Landesforstbetriebes Brandenburg bereitgestellt. Die Privatisierung hat nicht selten ebenfalls eine anderweite Nachnutzungen der alten Förstereien nach sich gezogen, nicht nur als reines Wohngebäude, sondern auch als gastronomische Einrichtung oder gar als Streichelzoo (z. B. Stadtförsterei Hainholz bei Pritzwalk, Landkreis Prignitz). Zuweilen sind sie dadurch noch heute prägend für unsere Kulturlandschaft.

Pflicht zur Selbstversorgung – bauliche Strukturen und Organisation der Revierförstereien

Aufgrund ihrer oftmals isolierten Lage waren Revierförstereien zweckmäßig für die Selbstversorgung eingerichtet. Fast immer bestand die Gebäudegrundausstattung aus Wohnhaus, Stall und Scheune. Nicht selten gehörten zum Bauinventar aber auch noch nachträgliche Erweiterungsbauten, beispielsweise Waschküchen, Backöfen, Bienenhäuser, Holz- und/oder Geräteschuppen sowie Hundezwinger. Von staatlicher Seite wurde alles penibel in den entsprechenden Gebäudeinventarien und Baubestandsbüchern der jeweiligen Försterei aufgeführt, wobei hier wohlweislich unterschieden wurde zwischen fiskalischen Anlagen und Einrichtungen, welche der Dienstinhaber („Nutznießer“) auf eigene Kosten errichten ließ. Für letztere gab es bei Pensionierung und Wegzug des Revierinhabers zuweilen eine finanzielle Entschädigung.

In den Stallungen waren auch Pferde eingestellt. Eingespannt zur universalen Nutzung dienten sie u. a. der Fortbewegung im Revier, zur Ackerbestellung und vor allem zum Holzrücken im Einschlag. Noch im frühen 20. Jahrhundert fanden sich zur Nahrungsmittelproduktion nahezu alle Haustiere – vom Rind bis zur Honigbiene – in einer Revierförsterei vereint.

Des Weiteren kamen mehrere Morgen Dienstländereien hinzu. Dienstäcker und –wiesen sollten dem Revierbediensteten die Möglichkeit einräumen, hier zum Nießbrauch Land- und Viehwirtschaft zu betreiben. Diese Flächen wurden vom Staat gestellt und der jeweilige Dienstinhaber hatte für die Inanspruchnahme ein Nutzungsgeld zu entrichten. In späteren Zeiten wurden Teile des Dienstackers allerdings häufig aufgeforstet, als eine gesteigerte Mobilität es dem Förster erlaubte, seine Nahrungsmittel regelmäßig aus den nächstgelegenen Orten zu beziehen. Auch war der Förster selbst nur selten auf dem Feld, der Wiese oder im Stall zu finden, da er oftmals sehr stark in den Revierdienst eingebunden war. Die hier anfallenden zahlreichen Arbeiten mussten in der Regel von seiner Familie, von Mägden und/oder Knechten bewerkstelligt werden. Häufig wurden zum Hofdienst auch Waldarbeiter oder Forstlehrlinge herangezogen. Alleinstehende Förster war manchmal auch eine Haushälterin zur Seite gestellt.

Aus den Dienstübergabeprotokollen wird ersichtlich, dass zumeist auch etwas Gartenland zur Försterei gehörte. Hier fand sich nicht selten ein umfangreicher Obstgehölzbestand, der ebenfalls seinen Beitrag zur Selbstversorgung leistete und über den in entsprechenden Obstbaumerzeichnissen akkurat Buch geführt wurde.

Die meisten Förstereien verfügten auch über eine kleine Dienstregistratur und Handbibliothek zu Themen der Forstwissenschaft und des Naturschutzes. Das über die Dienstjahre privat angeschaffte landwirtschaftliche Inventar eines Stelleninhabers wurde bei Eintritt in die Pension oftmals weiterveräußert, größere Geräte wie Eggen u. ä. verblieben manchmal jedoch auch beim Forsthaus.

Den Eindruck ländlicher Abgeschiedenheit und Rückständigkeit der Förstereien durchbrach ab und an die Installierung moderner Technik. Die Notwendigkeit dafür entstand meist aus Erwägungen des forstlichen Bestandsschutzes. Beispielsweise wurde schon am 1. Februar 1907 „[b]ei der Telegraphenhilfsstelle auf der Försterei Kastaven bei Lychen […] der Telegraphenbetrieb eröffnet.“ (Amtsblatt 1907, 52) Verhältnismäßig frühzeitig und dauerhaft wurde im Anschluss daran in etlichen Förstereien auch die Telefonie eingeführt, um im Falle eines Waldbrandes rasch die entsprechenden Notrufe absetzen zu können. Freilich besaß und besitzt die dazu notwendige Stromversorgung, oftmals noch gewährleistet durch eine lange Hochleitung mitten durch den Wald, wiederum eine enorme Störanfälligkeit.

Rezeption

In älterer Zeit wurde die Atmosphäre, welche die Förstereien als einsame Siedlungsplätze umgab, vom Volk anscheinend als eher düster wahrgenommen. Die allgemeine Unkenntnis über den in der Abgeschiedenheit hausenden Förster ließ in den Köpfen der Leute unheilvolle Legenden um seine Person und seinen Wohnplatz entstehen. Erinnert sei hier nur an die Sage „Die drei Blutstropfen“. „In einem uckermärkischen Forsthause lebte einst ein wüster Jäger“ so hebt die unheilvolle Geschichte gleich eingangs an, „dessen Name den Bewohnern weit und breit ein Schrecken war.“ (Schmidt 1922, 54) Der Dienstsitz mutiert im Laufe der Erzählung zum unheimlichen Ort, an dem der gegen Gott sündige Forst- bzw. Jägersmann seine letzte Ruhe findet.

Hatte die einheimische Bevölkerung offenbar so ihre Probleme mit den abgelegenen Wohnorten der Revierförster, entdeckten im Gegensatz dazu die so genannten „Sommerfrischler“ diese spätestens mit dem Ende des 19. Jahrhunderts für sich. Ins Umland strömende stressgeplagte Großstädter erlagen auf Anhieb dem Reiz der Abgeschiedenheit märkischer Forsthäuser. Sich nicht über den Charakter ihres Besuchs als einer Momentaufnahme im Klaren, wurde in zahllosen Reise- und Wanderberichten das Bild des idyllisch gelegenen Forsthauses textlich zementiert. Zweifelsohne entwickelten sich die Förstereien dadurch im Nachgang nicht selten zu festen Anlaufpunkten ruhesuchender Touristen, die sich hier nur allzu gern mit Getränken oder Backwerk aushalten oder sich gar – vom langen Marsch etwas laufmüde geworden – in eine Sommerwohnung einmieten und per Boot weiterschiffen ließen. Exemplarisch sei hier noch einmal auf den touristisch stark frequentierten Standort Woblitz verwiesen, weil man offenkundig auch schon 1902 „nicht allzu häufig eine Försterei [fand], die so schön und so friedlich, so zur Ruhe einladend, gelegen ist wie gerade diese (Abb. 7-9). Vor dem Hause fanden wir schon die Kaffeetafel gedeckt, an der wir uns leider nicht lange niederlassen konnten. Die Zeit forderte zum Weitermarsch auf.“ (Landesgeschichtliche Vereinigung, Archiv, Sammlung Adolf Nagel, B1, Himmelpfort, unpaginiert. Zeitschriftenartikel vom 31. 8. 1902) Bereits ein Jahr zuvor wurde die Bewirtung gelobt, aber auch erwartet: „Mit emsigem Fleiße gaben wir uns der angenehmen Arbeit hin, die das Vertilgen von Kaffee und selbstgebackenem Kuchen nun einmal mit sich bringt. […]. Der Frau Försterin gebührt alles Lob für die gute Bewirthung.“ (Landesgeschichtliche Vereinigung, Archiv, Sammlung Adolf Nagel, B1, Himmelpfort, unfoliiert. Zeitschriftenartikel vom 21. 7. 1901)

Einstweilen lagen die Phantasie ausgehärmter Wanderer und die vorgefundene Realität dann doch etwas weit auseinander, wie der nachfolgende Bericht aus dem Jahr 1913 verrät: „[…] von Bäumen fast versteckt, erblickten wir das Forsthaus Woblitz. Durch ein kräftiges Juchhu machen wir uns bemerkbar und gleich darauf wird dasselbe von einer schönen, reinen und hellen Stimme eines weiblichen Wesens, welches bis jetzt noch unsichtbar für uns ist, quittiert. In uns erwachte der Gedanke, daß die Stimme von einer schönen Försterstochter herkam und wir wünschten, daß diese uns über den Fluß setze, aber statt einer zarten Försterstochter erschien jetzt eine dralle Dienstmagd am jenseitigen Ufer und brachte den Kahn in kräftigen Schlägen zu unserm Ziel.“ (Pohlmann 1913, 29) Wer nun annimmt, nur die Herren der Schöpfung wären der wilden romantischen Aura eines Forsthauses erlegen, geht in seiner Annahme irrig. So musste der „blonde, reckenhafte Förster“ der Woblitz 1906 gar als Wetterprophet herhalten, als ihn eine von Hitze geplagte Reisegruppe mit weiblichen Teilnehmerinnen anhimmelnd und fragend umringte (Plothow 1906, 343).

Das von Fremden als idyllische Aura wahrgenommene Umfeld einer Revierförsterei ist vermutlich auch den interessanten (Versuchs-)Pflanzungen diverser Förstergenerationen im näheren Umfeld ihrer Wohnstätte geschuldet. Kein Geringerer als der märkische Schriftsteller Günter de Bruyn (1926–2020) beweist daher einen wachen Blick, indem er konstatiert: „[…] wenn die Wege in monotonen Wäldern sich plötzlich durch andere Baumarten und Büsche verschönen, taucht bald ein Forsthaus oder dessen Ruine auf.“ (De Bruyn 2005 20)

Seit den Romanen der Ilse Gräfin von Bredow (1922–2014) stellt sich dann schließlich auch die in märkischen Forsthäusern verlebte Kindheit und Jugend in einem warmen und verträumten Bild dar. Und tatsächlich scheint es so, dass den Kindern eines Forsthauses vermeintliche Defizite oder ein latentes „rückständig sein“ im Lebensalltag nicht auffielen. Dies wurde oftmals erst in höherem und zumeist mit mehr zivilisatorischen Segnungen ausgestatteten Lebensalter wahrgenommen. Häufig war die Kindheit und Jugend im Wald so prägend, dass sie auch maßgeblichen Einfluss auf die spätere Berufswahl nahm. Egon Wagenknecht (1908–2005), bedeutender Forstwissenschaftler und Wildbiologe, resümierte diesbezüglich anlässlich seines 90. Geburtstages: „Mein Vater war Förster [in den märkischen Revieren Altthymen und Wolfsgarten, Landkreis Oberhavel – M.H.], und ich habe ihn, sobald mich die Beine einigermaßen trugen, häufig auf seinen Reviergängen begleitet. Das war noch zu Kaisers Zeiten. […]. Es lag daher auch völlig außerhalb meines kindlichen Vorstellungsvermögens, […] dass ich selbst etwas Anderes werden könnte als Forstmann und Jäger.“ (Milnik 2005, 7)

Jüngst hat schließlich Dieter Kühn – ebenfalls in verschiedenen Forsthäusern aufgewachsen – mit treffenden Worten den Versuch unternommen, den idyllischen Wunschvorstellungen stressgeplagter Städter einen realistischeren Kontrapunkt zu setzen: „Wenn Sie die Lebensumstände etwas nachempfingen möchten, dann bitte Strom abstellen, das Bad abschließen, Telefon und Auto stilllegen, keine Gespräche mit den Nachbarn, alle Wege zu Fuß oder bestenfalls mit dem Fahrrad zurücklegen, Einkäufe höchstens einmal in der Woche in mindestens zwei km Entfernung erledigen. […]. Ihre Notdurft verrichten Sie bei jedem Wetter draußen im Herzhäuschen.“ (Kühn 2018, 6)

Quellen

Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin, Stück 6 (8. 2. 1907).

Templiner Kreisblatt, 62. Jg., Nr. 66 (10. 6. 1909), Anzeigenteil.

BLHA, Rep. 2, Kurmärk. Kriegs- und Domänenkammer, F.1433, unfoliiert. Zeichnung zur nötigen Erbauung eines Neuen Unterförster Hauses mit eingebauter Stallung zu Badingen vom 10. 08. 1781.

BLHA, Rep. 2A, Regierung Potsdam, III F, Nr. 745, fol. 92r.

BLHA, Rep. 2A, Regierung Potsdam, III F, Nr. 9724.

BLHA, Rep. 2A, Regierung Potsdam, III F, Nr. 9740/1.

BLHA, Rep. 2A, Regierung Potsdam, III F, 13455, unfoliiert. Schreiben vom 8. 12. 1922 u. Dienstübergabeprotokoll vom 2. 8. 1923.

BLHA, Rep. 2A, Regierung Potsdam, III F, 13457., unfoliiert. Dienstübergabeprotokolle vom 29. 9. 1932 und 3. 5. 1938.

BLHA, Rep. 2A, Regierung Potsdam, III F, Nr. 13467.

BLHA, Rep. 2A, Regierung Potsdam, III F, Nr. 13469.

BLHA, Rep. 2A, Regierung Potsdam, Karten, Nr. 218C.

BLHA, Rep. 2A, Regierung Potsdam, Karten, Nr. 219C.

BLHA, Rep. 2A, Regierung Potsdam, Karten, Nr. 220C.

BLHA, Rep. 2A, Regierung Potsdam, Karten, Nr. 3353/1C.

BLHA, Rep. 2A, Regierung Potsdam, Karten, Nr. 3353/2C.

GStA PK, II. HA, Abt. 33, Forstdepartement, Kurmark, Tit. I, Nr. 188, unfoliiert. Schreiben vom 8. 10. 1781.

GStA PK, II. HA, Abt. 33, Forstdepartement, Kurmark, Tit. I, Nr. 193, unfoliiert. Schreiben vom 30. 6. 1780 u. Kaufvertrag vom 20. 9. 1781.

Landesgeschichtliche Vereinigung, Archiv, Sammlung Adolf Nagel, B1, Himmelpfort, unfoliiert.

Literatur

Buchholz, Erwin/Coninx, Ferdinand: Die Schorfheide, 700 Jahre Jagdrevier. Stuttgart 1969.

De Bruyn, Günter: Abseits. Liebeserklärung an eine Landschaft. Frankfurt a. M. 2005.

Enders, Lieselott: Historisches Ortslexikon für Brandenburg, Teil VIII, Uckermark. Weimar 1986, S. 489, 641, 673, 798, 1016, 1107 u. 1178.

Enders, Lieselott: Historische Ortslexikon für Brandenburg, Teil I, Prignitz N–Z. (= Veröffentlichungen des Brandenburgisches Landeshauptarchivs; 3). Potsdam 2021, S. 617.

Engelbrecht, Ludwig: Försterdiensthaus in Holzbauweise. In: Deutsche Forst-Zeitung, Bd. 47, Nr. 25 (17. 06. 1932), S. 517–519.

Glowalla, Horst Carl: Zur Geschichte der Oberförsterei Zechlin und ihrer Tochteroberförsterei Zechlinerhütte. Karwe 2005.

Helmigk, Hans-Joachim: Das ländliche Bauwesen in der Mark um 1800. In: Brandenburgische Jahrbücher 7 (1937), S. 18–25.

Huth, Mario: Prosopographie und Mikrohistorie im Dienst der Forstgeschichte. In: Ders. (Hrsg.): Neue Beiträge zur Wald- und Forstgeschichte 1 (2019), S. 76–107, hier S. 83, 88.

Kühn, Dieter: Das frühere Leben in einem Forsthaus. Norderstedt 2018.

Milnik, Albrecht: Egon Wagenknecht. Ein langes Leben für Wald und Wild (= Forstliche Biographien; 13). Eberswalde 2005.

Milnik, Albrecht u.a.: In Verantwortung für den Wald. Die Geschichte der Forstwirtschaft in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR (hrsg. vom Brandenburgischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Potsdam). Potsdam 1998.

Müller, Otto: Forstliches Adreßbuch sämtlicher Königlich Preußischen Oberförstereien (einschließlich der Hofkammer- und der Kgl. Prinzlichen Reviere). Berlin 1902.

Müller, Otto: Forstliches Adreßbuch sämtlicher Preußischen Staats-Oberförstereien. Neudamm 21926.

Plothow, Anna: An der Grenze der Uckermark. In: Kitzler, Georg Eugen (Hrsg.): Die Mark. Illustrierte Wochenschrift für Touristik und Heimatkunde, 2. Jg./Nr. 43 (23. 6. 1906).

Pohlmann, G.: Eine 7-tägige Ferienwanderung durch die Mark. In: Kitzler, Georg Eugen (Hrsg.): Die Mark. Illustrierte Heimatschrift für Touristik und Heimatkunde der Mark, 10. Jg./Nr. 4 (26. 7. 1913).

Schmidt, Rudolf (Hrsg.): Sagenschatz der uckermärkischen Kreise Prenzlau und Templin. Prenzlau 1922.

Sieber, Hans: Vergangenes, Erlebtes, Gelebtes. Familien- und Lebenschronik des Dr. Hans Sieber. Schwerin 1999.

Zühlke, Dietrich (Hrsg.): Ruppiner Land. Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Zühlen, Dierberg, Neuruppin und Lindow (= Werte unserer Heimat; 37). Berlin 1981.

Abbildungsnachweis

Abb. 1-9 Autor

Empfohlene Zitierweise

Huth, Mario: Forsthaus / Revierförsterei, publiziert am 16.03.2022; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen: Preußische Provinz - Land / DDR - Bezirke
Themen: Ländlicher Raum - Umwelt und Naturraum - Herrschaft und Verwaltung


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