Herrschaft Ruppin (unter den Grafen von Arnstein, Mitte 12. Jh. bis 1524)
André Stellmacher
Die Herrschaft Ruppin im engeren Sinne beschränkt sich auf das in der Zeit zwischen dem sogenannten Wendenkreuzzug (1147) und dem frühen 13. Jahrhundert von den Grafen von Arnstein (Abb. 1, 2) in Besitz genommene Kerngebiet, in dessen Grenzen die Städte bzw. Städtchen Neuruppin, Alt Ruppin, Rheinsberg und Lindow liegen, das sich vom Flüsschen Temnitz im Westen bis zu den Lindower Seen im Osten, vom Neustrelitzer Kleinseengebiet im Norden bis zur Südspitze des Ruppiner Sees im Süden erstreckte. Erst 1319 kamen durch Verpfändung und in den 1340er-Jahren durch Belehnung die Städte und Lande Gransee und Wusterhausen hinzu, wodurch die Herrschaft Ruppin im weiteren Sinne entstand (Abb. 3). Deren Ausdehnung betrug trotz einiger Gebietsgewinne und -verluste bis zum Aussterben des Ruppiner Zweiges der Arnsteiner 1524 von Westen nach Osten etwa 75 und von Norden nach Süden etwa 45 Kilometer.
Heirat als zentrale Strategie der Selbstbehauptung
Die Grafen von Arnstein knüpften im Laufe ihrer über 300 Jahre währenden Herrschaft ein Verwandtschaftsnetz, das sich über Mecklenburg, Werle und Pommern im Norden bis nach Sachsen (-Wittenberg) und Anhalt im Süden spannte. Ein hervorragendes Beispiel bietet die Heirat Graf Walthers III. mit Gertrud, einer Enkelin Albrechts des Bären. Vielleicht war diese Ehe der Schlüssel zum Erwerb der Herrschaft Ruppin, ganz gewiss begünstigte Markgraf Albrecht als ein Stammvater des Ruppiner Zweiges der Arnsteiner das nachbarschaftliche Verhältnis zwischen diesen und den brandenburgischen Askaniern.
Daneben hatten die Ehen Agnes’ von Lindow-Ruppin in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts großen Anteil an der Möglichkeit der Arnsteiner, im Nordosten des Reiches Einfluss auszuüben und sich relativ große Handlungsfreiheit zu verschaffen. Agnes nahm in erster Ehe Fürst Wizlaw III. von Rügen, in zweiter Fürst Heinrich II. von Mecklenburg und in dritter Herzog Rudolf I. von Sachsen-Wittenberg zum Gemahl. Graf Ulrichs II. Tochter, ebenfalls Agnes geheißen, ehelichte 1361 Heinrichs von Mecklenburg Sohn Johann, wodurch sie die Stammmutter der Herzöge von Mecklenburg-Stargard wurde, und Ulrichs zweite Tochter Elisabeth heiratete 1346 Rudolfs I. von Sachsen-Wittenberg Sohn Rudolf II. Es ist daher nicht übertrieben, von einer wohl überlegten Heiratsstrategie zu sprechen, welche die Grafen von Lindow-Ruppin trotz oder gerade wegen wechselnder Koalitionen und sich wandelnder politischer Gegebenheiten verfolgten.
Dabei waren die Grafen in erster Linie nicht auf territorialen Erwerb oder die Erhöhung ihres Standes, sondern auf Absicherung von Bündnissen und Verträgen, Einvernehmen mit ihren Nachbarn und Friedenswahrung bedacht. Hochzeiten mit dem Ziel, das eigene Territorium zu erweitern oder zumindest Erwerbsansprüche zu begründen, finden sich bei den Ruppinern hingegen nicht, weil ihnen dazu die realen machtpolitischen Grundlagen fehlten.
Die Burg zu Alt Ruppin als Mittelpunkt des Landes
Der politische und der Verwaltungsmittelpunkt der Herrschaft Ruppin war spätestens seit der Mitte des 13. Jahrhunderts die Burg zu Alt Ruppin (Abb. 4). Kein anderer Ort kam ihr in Ansehen und im Funktionsumfang auch nur annähernd gleich. Einerseits war die sogenannte Planenburg, in der die Mitglieder der Grafenfamilie unter einem Dach lebten, über drei Jahrhunderte hinweg ihre äußerst repräsentative Residenz. Deshalb war sie das Symbol für den Zusammenhalt des aus verfassungsmäßig unterschiedlich ausgeprägten Teilen zusammengefügten Landes, das seine äußere Gestalt bis an das Ende des arnsteinischen Grafenhauses bewahrte. Andererseits kamen die Erträge der verschiedenen landesherrlichen Rechte in Alt Ruppin zusammen. Die Burg diente als Ort des Zusammentretens des Lehnhofs, als Lagerstätte, Hochgerichtsort und Verwaltungszentrum des Landes (mit Kanzlei und Archiv), mehr noch: Die Planenburg war das zentrale Herrschaftsinstrument an sich – sie demonstrierte die landesherrliche Gewalt und den Anspruch der Arnsteiner in wehrtechnischer wie in künstlerischer Hinsicht, sie galt als wichtiger Ort der dynastischen Erinnerungsstiftung und sorgte sogar in verfallenem Zustand noch für Bewunderung.
Trotzdem spiegelte die Ausstattung der Burg am Beginn des 16. Jahrhunderts den mageren Zustand des Ruppiner Landes wider. So ernüchternd sich die Aufstellung der persönlichen Hinterlassenschaften Wichmanns, des letzten Grafen, liest, so schlecht war es 1524 auch um dessen Herrschaft bestellt. Die Burg war allmählich ein Symbol überkommener Wirtschafts- und Verwaltungsstrukturen geworden. Eine Ämterverfassung, die u.a. eine gegenseitige Wirtschafts- und Rechnungsprüfung erlaubte, hatte sich im Land Ruppin noch nicht durchzusetzen vermocht, obwohl ein 1491 angelegtes Landbuch einen Ansatz dazu bot. Auch einer Aufspaltung des gräflichen Hofs in ein festes Ratsgremium, in eine eigene Gerichtsbehörde, in eine separate Finanzkammer, hin zu einer institutionellen Landesverwaltung, so, wie man es am Ende des Mittelalters nach und nach in Brandenburg und in anderen Reichsterritorien beobachten kann, war der Boden in Alt Ruppin noch nicht bereitet.
Schwinden des gräflichen Besitzes
Die in den gräflichen Immediatstädten Neuruppin, Gransee und Wusterhausen zur Verfügung stehenden Rechte und Einnahmen waren im Laufe des Spätmittelalters größtenteils verpfändet und verkauft worden. Die Entwicklung geriet zu einem Teufelskreis: Die Grafen überließen ihren Städten, z.B. 1256 Neuruppin, verschiedene Gerechtsame, durch deren Erträge die Gemeinschaften wiederum Zölle, Gerichte und Güter ankaufen konnten.
Die Herrschaft der Arnsteiner muss spätestens dann einen kritischen Punkt erreicht haben, als mehr als die Hälfte des Landbesitzes zu Lehen ausgegeben war, nachdem sich mehr als die Hälfte aller Rechte, Gefälle und Dienste in der Hand der Kirchen und Klöster, der Vasallen und Städte befunden hatte, was spätestens am Umbruch vom 15. zum 16. Jahrhundert der Fall war. Der Anteil der Dörfer, in denen die Arnsteiner zu diesem Zeitpunkt als alleinige Besitzer nachzuweisen sind, belief sich lediglich auf knapp 20 Prozent. Zudem waren die meisten dieser Orte mittlerweile wüst gefallen. Die Dörfer, die sich im geteilten Besitz mit adligen und bürgerlichen Familien sowie mit kirchlichen und städtischen Institutionen befanden, machten demgegenüber gut 30 Prozent aus. Das ergibt, dass sich beim Aussterben der Arnsteiner in rund der Hälfte der Dörfer der weiteren Herrschaft Ruppin überhaupt keine gräflichen Nutzungsrechte mehr nachweisen lassen. Da die Grafen den Übergang von der Grund- zur Gutsherrschaft im Gegensatz zu ihrem Adel verpasst hatten, Güter, die auf dem Weg zu eigenbewirtschafteten Ämtern waren (z.B. Neustadt), aber bereits seit langem verpfändet waren, konnte die Einnahmesituation nicht günstig sein und sich nur weiter verschlechtern. Die Krise verstärkte sich dadurch, dass es den Arnsteinern schlichtweg weitestgehend an namhaften Zöllen und Bedeerträgen sowie ganz an Münzgefällen fehlte, die es großen Landesherrschaften ermöglichten, allmählich verloren gegangene Einnahmen einigermaßen auszugleichen bzw. trotz steigender Verschuldung kreditfähig zu bleiben – oder es überhaupt erst zu werden. Es ist paradox, dass die Grafen trotz intensiver Verwaltung ihres Landes (Lehnhof, Gerichte, Regalien, Hofdienste) nur Bruchstücke ihrer ehemals umfangreichen grundherrlichen Einkünfte und Rechte in Händen behielten. Ihnen blieb jedoch kaum eine andere Wahl. Sie mussten es zulassen, dass vor allem adlige, später auch potente bürgerliche Familien, die Existenzgrundlage der Landesherrschaft allmählich verkleinerten, aushöhlten und zerstückelten.
Andere, weiter abgelegene Gebiete, wie die sich größtenteils südlich des Flämings erstreckenden, im späten 12. Jahrhundert allodifizierten Herrschaften Lindau und Möckern, dazu das Stiftsgebiet um Leitzkau, die Orte Dornburg und Mühlingen, Roßlau und Blankensee wurden im 14. Jahrhundert aus taktischen Gründen weitgehend aufgegeben. Besonders der Besitzverlauf von Lindau-Möckern macht deutlich, dass sich die Grafen im Angesicht eines weitaus mächtigeren Konkurrenten (in diesem Fall Kaiser Karls IV.) geschlagen gaben und fremde Ansprüche ohne Widerspruch, aber zumindest unter möglichst günstigen Konditionen, akzeptierten (Abb. 5).
Der Niederadel als Nutznießer der Krise
Wenn man davon ausgeht, dass die Grafen zum Zeitpunkt ihres Herrschaftsbeginns und einige Jahrzehnte darüber hinaus zumindest innerhalb der Herrschaft im engeren Sinne fast alle Ruppiner Dörfer in ihrer Hand hatten, ist ihre Einkommenssituation um 1500 als akut prekär zu beurteilen. Dabei treten große Unterschiede in den verschiedenen Winkeln der Herrschaft im weiteren Sinne vor Augen. Während die Grafen ihre Vorherrschaft vor allem nördlich und nordwestlich von Neuruppin (Lietze, Ländchen Goldbeck und Rheinsberg) und um Gransee zu verteidigen wussten, sind ihnen der Raum um Wusterhausen und fast der gesamte Südteil ihrer Herrschaft an der Grenze zum Havelland nach und nach aus den Händen geglitten. Allerdings befanden sich die Dörfer im Land Wusterhausen von Anfang an (seit 1319) nur formal, aber nicht praktisch in der Hand der Arnsteiner, weil sich der starke Prignitzer Adel, der sich dort festgesetzt hatte, gegen die neue Herrschaft und die damit verbundene intensivere Erfassung des Gebiets wehrte – im Endeffekt mit Erfolg. Die Grafen wiederum mussten die Vorrechte der Vasallen akzeptieren, um sich ihrer Gefolgschaft zu versichern. Der adligen landsässigen Mittelschicht gelang es durch Pfandnahme oder Ankauf von Rechten, die Verbindungen der Arnsteiner zu deren ertragreichen Höfen zu kappen und ihnen dadurch die wirtschaftliche Grundlage abzugraben (Abb. 6). Dieser Prozess erwies sich selbst durch aufwendige Verwaltungsmaßnahmen als unaufhaltsam oder gar unumkehrbar.
Das Verhältnis zu den Nachbarn
Entgegen früheren Einschätzungen zählten die Grafen von Lindow-Ruppin nicht zum Hof der askanischen Markgrafen von Brandenburg. Das zeitweise Auftreten in den märkischen Zeugenreihen genügt nicht als Begründung eines solches Status. Zwischen den beiden verwandten Familien herrschten vielmehr lockere Beziehungen, die sich weitgehend auf finanzielle und militärische Dienstleistungen beschränkten und vor allem den Arnsteinern Vorteile brachten (z.B. Erwerbung von Gransee und Wusterhausen).
In der Zeit zwischen dem Aussterben der Askanier 1319/20 und der Einsetzung Ludwigs I., eines Wittelsbachers als Markgrafen von Brandenburg im Jahr 1323, gelang es den Grafen, bedeutende Landgewinne zu verzeichnen (Friesack, Fürstenberg, Glien, Rathenow und Rhinow). Das zog Jahre später allerdings Konsequenzen nach sich. Der 1333 geschlossene Vergleich mit Kaiser Ludwig, dem Vater des Markgrafen, belegt, dass der Wittelsbacher in Vertretung seines von den Grafen Günther II., Ulrich II. und Adolf I. zeitweise in Gewahrsam genommenen Sohnes einen Vertrag mit einer politisch eigenständigen Partei unterzeichnete, der einen Kompromiss zwischen rechtlich gleichberechtigten, wenngleich unterschiedlich mächtigen Partnern darstellte. Kaiser Ludwig musste einen Teil der Eroberungen der Ruppiner widerwillig hinnehmen (die strategisch wichtigen Luchpässe Glien und Rhinow) und die übrigen Teile (Friesack und Rathenow) teuer zurückkaufen. Die Arnsteiner sicherten ihm und seiner Familie im Gegenzug die Unterstützung zu – nicht mehr und nicht weniger. Sie stellten sich für eine ungewisse Dauer an die Seite der Bayern, was einen Gewinn für beide bedeutete. Die Lande Gransee und Wusterhausen indes verschmolzen mit der engeren Herrschaft Ruppin, ihre Unterstützung konnten die Grafen aber umgehend zurückziehen, als sie es für geraten hielten. Ihr Wechsel ins Lager des sogenannten Falschen Woldemar und wieder zurück in das Markgraf Ludwigs sowie ihr Bündnis mit Teilen des märkischen Adels während der unsicheren Regierungszeit Markgraf Jobsts veranschaulichen diese Strategie.
Auch zur Zeit der Luxemburger in der Mark haben die Grafen ihre unabhängige Stellung – entgegen der häufig geäußerten Einschätzung – nicht verloren. Die vergeblichen Versuche der Einflussnahme Kaiser Karls IV. (etwa die Vereinnahmung der Herrschaft Ruppin als Teil Brandenburgs im Landbuch von 1375) haben das gezeigt. Folgenschwerer waren die Zugeständnisse, welche die Grafen selbst machten. Dazu gehörte in erster Linie die Einordnung in die Riege der kurfürstlichen Räte und Gesandten, was sich seit dem 15. Jahrhundert beobachten lässt.
Graf Albrecht VIII. und seine Söhne Johann III. und Jakob I. ließen sich im Dienst der Hohenzollern immer stärker einspannen, indem sie für die Markgrafen vertretungsweise Belehnungen an- und die Rolle des Kurfürsten bei Gipfeltreffen einnahmen – allen voran beim Wormser Reichstag 1495. Davon ausgehend ergriffen die Hohenzollern ihrerseits immer häufiger die Chance, die Herrschaft Lindow-Ruppin formal ihrem Herrschaftsanspruch unterzuordnen, wobei die Arnsteiner sie ohnmächtig gewähren ließen (Abb. 7).
Einen ernsthaften Versuch, sich die Lehnshoheit über ganz Ruppin zu sichern, gab es 1439. Markgraf Friedrich II. als rechter Lehnsherr (04.11.1439, CDB cont. I, 125-127, Nr. 95) bestätigte das Leibgedinge der Gemahlin Graf Albrechts VIII. von Lindow-Ruppin, Margarethe, einer geborenen Herzogin von Pommern-Stettin, das aus der Hälfte der Burg zu Alt Ruppin und der Urbede der Stadt Neuruppin bestand, sowie die Urbede der Stadt Gransee als Morgengabe. Noch deutlicher wird der Anspruch der Hohenzollern 1447. In diesem Jahr vereinbarten die Markgrafen Johann (der Alchimist) und Albrecht (Achilles) mit ihren Brüdern Friedrich II. und Friedrich dem Jüngeren einen neuerlichen Teilungsvertrag für Brandenburg, in dem sie bestimmten, dass die Grauen von Lyndow vnd grauen zcu Ruppyn, mit der Herschaft zcu Lyndow vnd ruppyn mit allen Iren zcubehorungen (16.09.1447, CDB III/1, 280-292, Nr. 173) bei der Mittelmark, also im Herrschaftsbereich Friedrichs II., bleiben sollten. Eine wichtige Urkunde zur Frage der Erbfolge in der Herrschaft Ruppin stammt von 1461. Damals huldigte die Stadt Neuruppin zwar den Grafenbrüdern Johann III., Jakob I. und Gebhard von Lindow-Ruppin, ihren rechten naturlichen erfherrn, doch erklärte die Stadt zugleich, dass sie sich an niemand anderen als an den Kurfürsten Friedrich II. von Brandenburg, ihren gnedigen liuen herrn, halten würde, sobald die Grafen ohne Erben sterben würden (25.03.1461, CDB I/4, 102f., Nr. 86).
Bei allen diesen Beispielen darf man aber nicht aus dem Blick verlieren, dass es ein tatsächliches Eingreifen der Markgrafen bzw. Kurfürsten von Brandenburg über die niedergeschriebenen Ansprüche hinaus zu keiner Zeit gab. Weder haben sie über Einkünfte und Ländereien innerhalb der Herrschaft geboten noch ist eine urkundliche Anerkennung der Lehnshoheit Brandenburgs über die engere Herrschaft Ruppin – im Gegensatz z.B. zur Grafschaft Wernigerode und sogar zum Herzogtum Pommern – bekannt. Von einem Hinabsinken der Grafen in die Landsässigkeit kann deshalb trotz aller Zugeständnisse und Einflussnahmen nicht die Rede sein, wenngleich der Weg dorthin bereits geebnet worden war.
Die Arnsteiner hatten ihre Nische gefunden: Sie waren weitgehend unabhängige hochadlige Vermittler, die hauptsächlich auf Grund ihrer engen Verwandtschaft von den benachbarten Mächten als ständisch gleichberechtigt akzeptiert wurden. Die langen Regierungszeiten der Grafen Ulrich II. (1316–1356), Albrecht VI. (1356–1391), Albrecht VIII. (um 1420–1460) und der Brüder Johann III. und Jakob I. (1460–1499/1500) sorgten für Kontinuität und ferner dafür, dass die Grafen als verlässliche Partner zur Verfügung standen.
Dennoch darf man ihre Bedeutung nicht überschätzen. Vermittlungen und Ratschläge gehörten zwar zu ihren Vorzügen, waren aber keine Alleinstellungsmerkmale. Die Arnsteiner waren nicht die einzigen möglichen Helfer, doch die wenigen Quellen zeigen zumindest, dass sie oft – und dann in wichtigen Positionen – in das Kräftespiel der Mächte zwischen Elbe und Oder eingebunden wurden.
Das Ende der Eigenständigkeit und Nachwirkung
Mit dem Tod des jungen Grafen Wichmann am 28. Februar 1524 erlosch der Zweig der Ruppiner Arnsteiner im Mannesstamm (Abb. 8). Wenige Tage später erschien Kurprinz Joachim von Brandenburg zur Beisetzung des Verstorbenen und, um sich von den Ruppiner Ständen huldigen zu lassen. Auch wenn die Erinnerung an das vormals selbstständige Land Ruppin über dessen Grenzen hinaus verblasst ist, lebt sie heute zumindest in der Region fort. Zahlreiche Ereignisse haben die mittelalterliche Geschichte des Landes in dem zurückliegenden halben Jahrtausend ansonsten jedoch überlagert: die Jugendzeit des Kronprinzen Friedrich in Neuruppin und Rheinsberg, der glanzvolle Hof seines Bruders Heinrich ebendort und nicht zuletzt mehrere Gebietsreformen, im Zuge derer die Einheit des historisch gewachsenen Territoriums seit dem frühen 19. Jahrhundert aufgegeben und es verschiedenen Landkreisen zugeschlagen worden ist. Die nachhaltigste Stiftung von Identität aber ging zweifelsohne von Theodor Fontane aus, der den ersten Band seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ der „Grafschaft Ruppin“ widmete und sich auf die Spuren ihrer ehemaligen Herrscher, der Grafen von Arnstein, begab.
Quellen
Codex diplomaticus Brandenburgensis: Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Quellenschriften für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten. 4 Hauptteile mit 35 Bdn. 1 Supplement-Bd. 5 Register-Bde. Herausgegeben von Adolph Friedrich Riedel. Berlin 1838-1869 [insb. Hauptteil 1, Bd. 4; zitiert als CDB]. [siehe: Hier]
Literatur
Bratring, Friedrich Wilhelm August: Die Grafschaft Ruppin in historischer, statistischer und geographischer Hinsicht. Ein Beitrag zur Kunde der Mark Brandenburg. Berlin 1799. [siehe: Hier]
Enders, Lieselott: Historisches Ortslexikon für Brandenburg. Teil II: Ruppin (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs (ehemals Staatsarchiv Potsdam), 7). Weimar 1970. Ndr. Potsdam 2011.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Teil I: Die Grafschaft Ruppin (= Große Brandenburger Ausgabe). (1. Aufl. 1862) Berlin 2005.
Foster, Elżbieta: Brandenburgisches Namenbuch. Teil XI: Die Ortsnamen des Landes Ruppin. Mit einem siedlungsgeschichtlichen Beitrag von Christa Plate (= Berliner Beiträge zur Namenforschung, 12). Weimar 1998.
Heinrich, Gerd: Die Grafen von Arnstein (= Mitteldeutsche Forschungen, 21). Köln, Graz 1961. Ndr. Potsdam 2017.
Heinrich, Gerd / Pusch, Peter / Rieger, Günter (Hrsg.): Fontanestadt Neuruppin 1256–2006. Festschrift 750 Jahre Verleihung des Stadtrechts. Neuruppin 2006.
Kampe, Johann Friedrich Christian: Ältere Geschichte der Herrschaft Ruppin und der Stadt Neuruppin, bearbeitet u. kommentiert v. André Stellmacher. Potsdam 2018.
Schultze, Johannes: Geschichte der Stadt Neuruppin. (1. Aufl. 1932) Berlin 2012.
Stellmacher, André: Alte und neue Überlegungen zur Herrschaftsbildung der Grafen von Arnstein im Land Ruppin. In: Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte 67 (2016), S. 9–26. [Zusammenfassung der wichtigsten Forscherpositionen und Argumente zum Herrschaftsbeginn der Arnsteiner im Land Ruppin]
Ders.: Die Herrschaft Lindow-Ruppin im Spätmittelalter zwischen Selbstbehauptung und Abhängigkeit. Mit einer Regestensammlung und einem Siegelkatalog (= Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, 73). Berlin 2019. [im Druck, dort auch ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis]
Abbildungsnachweis
Abb. 1 Stillfried-Alcantara, R. Graf von / Hildebrandt, Ad. M. (Hrsg.): Des Conrad Grünenberg, Ritters und Burgers zu Costenz, Wappenbuch. Volbracht am nünden Tag des Abrellen do man zalt tusend vierhundert drü und achtzig jar. In Farbendruck neu herausgegeben. Görlitz 1875–1884.
Abb. 2 Duncker, Alexander: Die ländlichen Wohnsitze […], Bd. 6, Berlin 1863-64.
Abb. 3 Brandenburgisches Landeshauptarchiv.
Abb. 4 Merian, Matthaeus; Zeiller, Martin: Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae, etc. das ist die Beschreibung der vornehmsten und bekantisten Stätte und Plätz in dem Hochlöblichsten Churfürstenthum und March Brandenburg, und dem Herzogthum Pommeren (= Topographia Germaniae, Bd. XIII). Frankfurt am Main 1652.
Abb. 5 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Burg_Lindau.jpg (Foto: Gregor Rom, CC-BY-SA 4.0).
Abb. 6 Autor.
Abb. 7 https://commons.wikimedia.org/w/index.php?title=File:Albrecht_Achilles_(St._Gumbertus,_Ansbach).jpg&oldid=260601467:Albrecht_Achilles_(St._Gumbertus,_Ansbach).jpg&oldid=260601467 (Foto: James Steakley, CC-BY-SA 3.0).
Abb. 8 BLHA, Rep. 37 Herrschaft Ruppin – Urkunden Nr. 23.
Empfohlene Zitierweise
Stellmacher, André: Herrschaft Ruppin (unter den Grafen von Arnstein, Mitte 12. Jh. bis 1524), publiziert am 01.03.2019; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)
Kategorien
Epochen: Zeit der Askanier - Spätes Mittelalter
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