Herrschaft Groß Leuthen

Vinzenz Czech

Groß Leuthen, etwa 20km nordöstlich von Lübben gelegen, entwickelte sich erst spät zu einer der Niederlausitzer Herrschaften. Die räumliche und wohl auch rechtliche Entwicklung war Anfang des 16. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen, in einer Ausdehnung, die sich im Wesentlichen bis in das 19. Jahrhundert nicht mehr geändert hat. In einem Lehnbrief von 1517 werden neben Groß Leuthen noch die Dörfer Bückchen, Dolgen, Guhlen, Klein Leine, Klein Leuthen und Ressen als Zubehörungen genannt (Lippert 1933, 238). Erst 1633 taucht in einem landesherrlichen Schreiben der Begriff „Herrschaft“ ausdrücklich auf (Houwald 1984, 148).

Wilhelm Schenk von Landsberg

Über die früheren Inhaber Groß Leuthens geben die Quellen kaum Auskunft. Erster bekannter Besitzer war eventuell ein „Tammo von deme Luthen“, der 1368 als Bürge in einer Urfehde der Herren von Torgau und der Stadt Beeskow auftaucht. Im 15. Jahrhundert erscheinen als Besitzer nacheinander Heinrich Keyne, Heinrich von Zabeltitz, der 1449 zu des Königs „mannen wohnhafftig in der Krummen Sprehe“ gehörte, und Heinrich von Crakow (Houwald 1984, 143ff.).

Anfang des 16. Jahrhunderts werden die Schenken von Landsberg auf Groß Leuthen genannt. Diese saßen seit Jahrhunderten auf ihrer alten Burg Teupitz, etwa 35km nordwestlich von Groß Leuthen. Mit den Herrschaften Teupitz, Wusterhausen und schließlich Groß Leuthen hatten sie sich einen bedeutenden Besitzkomplex, das sogenannte Schenkenländchen, im Grenzraum zwischen der Niederlausitz und Brandenburg geschaffen. In einer Erbeinigung zwischen den fünf Brüdern Albrecht d.Ä., Hans, Otto, Georg und Albrecht d.J. aus dem Jahr 1500 erhielt letzterer Wusterhausen mit Zubehörungen, während die restlichen Brüder gemeinsam im Besitz der Herrschaft Teupitz blieben. Groß Leuthen muss im Anschluss von Albrecht d.J. erworben worden sein, denn in der bereits erwähnten Urkunde von 1517 wird bereits sein Sohn Wilhelm Schenk von Landsberg mit dem Gut und den dazugehörigen Dörfern, Ländereien und Herrschaftsrechten belehnt. Der edelfreien Herkunft der Schenken ist es ohne Zweifel zu verdanken, dass Groß Leuthen ab dem 16. Jahrhundert den Herrschaften des Markgrafentums Niederlausitz zugerechnet und ihren Inhabern damit der Zugang zur Herrenkurie innerhalb der ständischen Versammlungen gewährt wurde (ausführlich: Walter 1915, 15ff.).

Wilhelm, der später noch das zwischen Groß Leuthen und Teupitz gelegene (Wendisch/Märkisch-)Buchholz erwarb, schloss gemeinsam mit den Teupitzer Vettern einen Familienvertrag über die jeweilige Gesamtbelehnung aller Lehnsträger mit den Schenkischen Besitzungen, wodurch ein Verlust der Güter verhindert werden sollte. Für Groß Leuthen gelang dies bis 1721. Von den Standesgenossen der Niederlausitz wurde Wilhelm zum Landrichter gewählt und war damit Vorsitzender des obersten Gerichtes des Markgrafentums. Der Reformation zugeneigt, organisierte er die kirchlichen Verhältnisse der Herrschaft neu. Ihm verdankt die Groß Leuthener Kirche ihre Eigenständigkeit ab 1558. Bis dahin war sie nach Groß Leine, einem benachbarten Rittergut, eingepfarrt gewesen. Schon zuvor hatte er seinen Syndikus und Patrimonialrichter er nach Wittenberg gesandt, von wo er 1542 als ein in der lutherischen Lehre ausgebildeter Geistlicher zurückgekehrt war.

Auf Wilhelm geht auch der Umbau des Groß Leuthener Schlosses zurück, das zu dieser Zeit in Formen der Renaissance neugestaltet wurde (Abb. 1). Der Zustand des 16. Jahrhunderts lässt sich noch aus einer späteren Schlossbeschreibung von 1725 nachvollziehen. Dort heißt es: „Selbiges ist an den daran stoßenden großen See, mehrentheils von Steinen, nach der alten Manier, mit zwey Flügeln und einen zwischen selbigen in der Runde aufgeführten hohen Steinernen Thurm erbauet, rings herum mit einem Waßergraben versehen und der Zugang über eine Zugbrücke angeleget.“ (Czech/Salge 200, 220). Anhand eines späteren Grundrisses ist deutlich zu erkennen, dass es sich bei der erwähnten Dreiflügelanlage nicht um einen homogenen, in einem Zug entstandenen Baukörper handelt (Abb. 2). So lassen sich nördlich des runden Turmes deutlich stärkere Mauerstrukturen ausmachen. Besonders der über dem Niveau des restlichen Baues gelegene quadratische Raum deutet auf einen älteren Kern hin; wahrscheinlich handelt es sich hierbei um Teile der immer wieder erwähnten mittelalterlichen Wasserburg. 

Wilhelm Schenk von Landsberg war in zweiter Ehe mit Magdalena von Reuß-Plauen verheiratet. Er starb 1559 und liegt ebenso wie seine zweite Frau neben weiteren Angehörigen seines Geschlechts in der Groß Leuthener Kirche begraben (Abb. 3, 4).

Krise und Aussterben der Schenken

Aufgrund wiederholter Erbteilungen aber auch der Folgen des Dreißigjährigen Krieges gerieten die Schenken in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts immer mehr in finanzielle Bedrängnis. Teupitz und Buchholz mussten vorübergehend verkauft werden, und bereits 1652 war die Herrschaft Wusterhausen aufgelöst worden. Die Erben der Herrschaft Groß Leuthen, die Brüder Albrecht Wilhelm, Joachim Friedrich und Otto Wilhelm, befanden sich trotz der schlechten ökonomischen Situation ihrer Güter in dieser Zeit in Paris auf Kavalierstour, verbunden mit der Hoffnung auf auswärtige Dienste. Diese blieb allerdings weitgehend unerfüllt und am Ende erlaubten ihre prekären finanziellen Verhältnisse es ihnen nicht einmal, den Wirt ihrer dortigen Pension zu bezahlen, so dass sie im Februar 1671 um finanzielle Hilfe bei ihrer Tante („Muhme“) in Groß Leuthen nachsuchen mussten. Zur Bezahlung ihrer Pariser Außenstände liehen sie sich 250 Taler von einem benachbarten Niederlausitzer Adligen, um nach Groß Leuthen zurückkehren zu können. Die Schilderung eines Verwalters gibt einen Eindruck, wie gering die Erträge der Herrschaft Groß Leuthen in dieser Zeit waren: Von den sieben Dörfern seien drei nur geringe Vorwerke, eines habe der Bürgermeister von Lübben Hans Richter wegen Schuldforderungen seit vielen Jahren im Besitz und solches sei total ruiniert, ein Dorf sei 1670 abgebrannt. In einer Aufstellung werden die Forderungen der Gläubiger der drei Brüder mit 2.752 Talern angegeben.

Otto Wilhelm übernahm 1677 schließlich allein die Herrschaft Groß Leuthen. Er war als Oberamtsrat der ständischen Regierung der Niederlausitz in Lübben tätig und widmete sich der Regulierung der wirtschaftlichen Verhältnisse und Verbesserung seiner Güter. Darin war er durchaus erfolgreich. Zudem konnten Teupitz und Buchholz, wenn auch nicht im alten Umfang, zurückerworben werden.

Bereits eine Generation später gerieten seine drei Söhne, hauptsächlich aufgrund ihres Lebensstils, wiederum in finanzielle Nöte. Teupitz und Buchholz mussten jetzt endgültig verkauft werden. Im Umfeld wirtschaftlicher und finanzieller Nöte kam es zu auch zum Aussterben des Geschlechts. Nachdem Karl Albrecht Schenk von Landsberg1721 im Alter von 28 Jahren erbenlos gestorben war, erlosch nur drei Monate später das Geschlecht mit dem Tod seines jüngeren Bruders Ludwig Alexander.

Wechselnde Besitzer und Reformen

Im selben Jahr erwarb der sächsische Generalfeldmarschall Graf Jakob Heinrich von Flemming Groß Leuthen. Schon 1725 bemühte er sich um den Verkauf, da die Herrschaft ihm zu unrentabel erschien. Für den Preis von 80.000 Talern erwarb sie schließlich Renate Sophie von der Schulenburg auf Lieberose, die den Besitz für ihren jüngsten Sohn Georg Anton verwaltete. Groß Leuthen wurde nun lange Zeit verpachtet und spielte als Nebengut eine untergeordnete Rolle. Mit dem Tod Georg Antons von der Schulenburg 1778 kam es zu langwierigen Streitigkeiten um dessen Besitzungen (Kessler 2003, 55). Groß Leuthen fiel schließlich an Sophie Christine Dorothea Gräfin von Podewils, eine Nichte Georg Antons, die in vierter Ehe mit dem Generalleutnant Graf Johann Ludwig von Hordt verheiratet war. Die neuen Besitzer lebten zumeist in Berlin, wo von Hordt zuletzt Gouverneur der Festung Spandau war. Nach dem Tod der Gräfin kam die Herrschaft an ihren Sohn aus zweiter Ehe, den königlich preußischen Kammerherrn Grafen August Ferdinand von Häseler.

Der Besitz war unter der Gräfin zwischenzeitlich um die benachbarten Güter Groß Leine, Leibchel, Mittweide und Skuhlen erweitert und arrondiert worden, die jedoch nicht zur Herrschaft gerechnet und später wieder veräußert wurden. Für diese Jahre liegen etwas genauere Informationen über die Organisation und Verwaltung der Herrschaft vor. Bei ihrer geringen Größe hielt sich die Anzahl der herrschaftlichen Bediensteten in einem überschaubaren Rahmen. Die Justizgeschäfte übernahm ein Hofrichter. Das Amt versah in dieser Zeit der Bürgermeister von Lübben. Ihm untergeordnet waren ein Gerichtsaktuarius und ein Gerichtsdiener. Die wirtschaftlichen Angelegenheiten überwachte ein Ökonomieinspektor, dem drei Ökonomieverwalter beigegeben waren. Daneben existierten noch je ein Oberförster, Förster und Revierjäger sowie drei Heideläufer (Adreßverzeichnis 1811, 188f.).

Obwohl durch agrarische Verbesserungen im Zuge der Neugestaltung der ländlichen Verhältnisse nach den Preußischen Reformen von den neuen Besitzern unter anderem 180 Morgen Land der Herrschaft in Acker und 50 Morgen in Wiesen umgewandelt wurden, blieb die Herrschaft immer noch wenig ertragreich. Die von Häseler veräußerten sie daher 1841 an den bürgerlichen Oberamtmann Wilhelm Griebenow. Dieser war durch Heirat in den Besitz von 300 Morgen Land am Rande Berlins gekommen. Im Zuge der Ausdehnung der Stadt im 19. Jahrhundert hatte er 180 Wohnungen erbaut, sie in Erbpacht gegeben und damit finanziellen Gewinn gemacht. In Groß Leuthen widmete er sich zwar der wirtschaftlichen Kultivierung seines Besitzes, erlangte aber nicht die von ihm angestrebten adligen Vorrechte, die mit der Herrschaft verbunden waren. Aus diesem Grund verkaufte er sie bereits 1855 an den Kammerherrn Emil von Gutzmerow. Dessen Nachkommen wiederum wollten die finanziellen Belastungen, die sich auf Groß Leuthen angehäuft hatten, nicht übernehmen und veräußerten den Besitz 1906 an den aus einer alten bergischen Kaufmanns- und Fabrikantenfamilie stammenden Johann Abraham Wülfing (1854-1927) (Abb. 5).

Wülfing hatte ab 1898 in Berlin eine Chemiefirma aufgebaut, die mit Produkten wie Munddesinfektionssprays und Kindermilch große Erfolge erzielte (Geismeier 1996, 8ff). Dem wirtschaftlichen Aufschwung folgte im Jahre 1908 die Erhebung in den Adelsstand. Mit dem Erwerb des alten Schlosses in Groß Leuthen gelang es Wülfing zudem, nicht nur einen standesgemäßen Wohnsitz, sondern auch eine der Niederlausitzer Standesherrschaften zu erwerben. Um 1913/14 bestellte er bei seinem „fürstlichen Archivar“ Dr. Hans Walter eine „Geschichte der Standesherrschaft Groß Leuthen“. Ein Auftrag, der sein historisches Interesse aber auch sein Bemühen deutlich macht, sich in die Nachfolge der Standesherren einzureihen. Gleichzeitig ließ der neue Besitzer zunächst das alte Groß Leuthener Schloß von dem damals sehr angesehenen Architekten Bodo Ebhardt renovieren und mit einem aufwendigen Anbau versehen (Abb. 6, 7). Sein eindrucksvolles Grabmal befindet sich heute auf dem Groß Leuthener Friedhof (Abb. 8).

Groß Leuthen blieb bei den Nachkommen des von Wülfing bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 1945 wurde Rudolf von Wülfing enteignet und vertrieben.

Im Schloss richtete die DDR zunächst ein Waisenhaus und später ein Jugendheim für schwererziehbare Kinder ein. Nach der Wende wurde die Stiftung Großes Militärwaisenhaus Eigentümer des Schlosses, konnte aber die notwendigen Reparaturen nicht durchführen. Die Einrichtung fusionierte mit dem Kinder- und Jugenddorf Rankenheim. 2004 zogen die letzten Kinder aus. 1999 bis 2006 wurde das Schloss für die Kunstausstellung „Rohkunstbau“ genutzt und 2007 privat weiterveräußert.

Quellen

Adreßverzeichnis des Markgrafenthums Niederlausitz und des Cottbusser Kreises auf das Jahr 1811. Lübben 1811. [siehe: Hier]

Lippert, Woldemar (Hg.): Urkundenbuch der Stadt Lübben, III. Band. Dresden 1933.

Literatur

Czech, Vinzenz/Salge, Christiane: Groß Leuthen. In: Hahn, Peter-Michael/Lorenz, Hellmut: Herrenhäuser in Brandenburg und der Niederlausitz. Kommentierte Neuausgabe des Ansichtenwerks von Alexander Duncker (1857-1883), Band 2. Berlin 2000, S. 218-222.

Geismeier, Gregor: Groß Leuthen. Adel verpflichtet. In: Die Mark 21 (1996), S. 8-12.

Houwald, Götz Freiherr von, Die Niederlausitzer Rittergüter und ihre Besitzer, Bd. 3. Neudtadt an der Aisch 1984.

Walter, Hans, Geschichte der Standesherrschaft Leuthen. Berlin 1915.

Walter, Hans, Die Standesherrschaft Leuthen und ihre Besitzer. In: Kreiskalender Lübben 1915, S. 35-49.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Duncker, Alexander: Die ländlichen Wohnsitze […], Bd. 12, Berlin 1871-73.

Abb. 2 Hahn, Peter-Michael/Lorenz, Hellmut: Herrenhäuser in Brandenburg und der Niederlausitz. Kommentierte Neuausgabe des Ansichtenwerks von Alexander Duncker (1857-1883), Band 2, Berlin 2000, S. 219

Abb. 3, 5 Walter, Hans: Geschichte der Standesherrschaft Leuthen. Berlin 1915.

Abb. 4 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gross_Leuthen_Dorfkirche_07.JPG (Foto: J.-H. Janßen, CC BY-SA 3.0);

Abb. 6, 7 Autor;

Abb. 8 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gross_Leuthen_Friedhof_Grabmal_Johann_Abraham_Wuelfing_01.JPG (Foto: J.-H. Janßen, CC BY-SA 3.0);

Empfohlene Zitierweise

Czech, Vinzenz, Herrschaft Groß Leuthen, publiziert am 01.12.2017; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de/ (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen: Konfessionelles Zeitalter - Absolutismus / Aufklärung - Preußische Provinz
Themen: Adel - Herrschaft und Verwaltung - Ländlicher Raum


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