Joachim Boenicke

Von altersher war die Menschheit von Feuer bedroht, das durch Wasser gelöscht wurde, welches man in Eimern herbeischaffte. In Deutschland waren bis vor etwa 150 Jahren mitteldeutsche Hersteller für den hohen Standard der Feuerwehrtechnik bestimmend. Die Namen Magirus, Metz und Hermann Koebe sind unauslöslich in die Feuerwehrgeschichte eingegangen.

Den äußeren Anlass zu einer wesentlichen Reform des Feuerlöschwesens gab die Erfindung der Schläuche und damit im Zusammenhang stehend die Zuführung des Löschwassers zur Spritze und zur Leitung des Wasserstrahls von der Spritze auf das Feuer. Im Jahre 1878 machte der Gelbgießermeister Hermann Koebe mit einer kleinen Metallgießerei & Kupferschmiede in Luckenwalde selbstständig, in der neben anderem auch Pumpen hergestellt wurden. Dieser bescheidene Anfang bildete den Grundstein zu der später weltberühmten Feuerwehrgerätefabrik Hermann Koebe in Luckenwalde, die ihre Selbstständigkeit aus eigener Kraft bis in die Nachkriegszeit erhalten konnte (Abb. 1). Als Hermann Koebe drei Jahre nach Gründung seiner Firma als Spritzenmeister in die Reihen Pflichtfeuerwehr eintrat und bald darauf zur Freiwilligen Feuerwehr überging, neben seinen einfachen Pumpen auch Wasserspritzen herzustellen. Die erste Saug- und Druckpumpe entstand. Koebe war inzwischen zum stellvertretenden Oberführer der Freiwilligen Feuerwehr gewählt worden. In dieser Eigenschaft trat er mehr und mehr mit führenden Persönlichkeiten des Feuerwehrwesens in Preußen und später auch mit außerpreußischen Feuerwehren in enge Verbindung.

Nachdem die streng nach norddeutschem Muster hergestellten „Luckenwalder Fahrspritzenzüge“ - bestehend aus bespannbaren Saug- und Druckspritzen, „Triumph“-Gerätewagen und Wasserwagen sowie der bestbewährten „Abprotzspritze“ - bei vielen Freiwilligen Feuerwehren Eingang gefunden hatten (Abb. 2), nahm Hermann Koebe auch den Bau von Dampfspritzen auf, die er bis zu einer Leistung von 2.000 Litern Spritzwasser pro Minute baute. Dann, dem Zug der Zeit folgend, entwickelte Koebe auch den Bau von Elektro-Motorspritzen nach eigener Konstruktion (Abb. 3).

Die Konstruktionen Hermann Koebes fanden bald auch Eingang bei Berufsfeuerwehren im In- und Ausland. Als Spezialität baute die Firma automatische Löschzüge jeder Art, daneben auch Leitern - von der einfachen tragbaren Schiebeleiter bis zur Drehleiter, sowie Schlauch- und Gerätewagen, die sämtlich in eigenen Werkstätten hergestellt wurden.

1921 legte Hermann Koebe die Leitung des Werkes in die Hände seiner Söhne Hermann und Willy. Letzterer schied nach einigen Jahren aus und machte sich mit einer Feueranzünder-Fabrik selbstständig. In den 1920er Jahren wurde im Industriegebiet von Luckenwalde eine moderne Fabrikhalle errichtet und vor dem Zweiten Weltkrieg trat auch der Sohn von Hermann II, Hermann III, in die Firma ein (Abb. 4, 5). Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Hermann II - wie eine Reihe anderer Luckenwalder Fabrikanten auch - von der sowjetischen Armee in ein Gefangenenlager verschleppt, wo er unwürdig verstorben ist. Die Firma Hermann Koebe wurde zunächst enteignet und als VEB Feuergerätefabrik weitergeführt. Sie ist schließlich ohne führenden Kopf in Konkurs geraten.

 

(Der Text erschien 2002 im Heimatjahrbuch Teltow-Fläming: Boenicke, Joachim: Vom Wassereimer zur Feuerspritze. Aus der Geschichte der Luckenwalder Feuerwehrgerätefabrik Hermann Koebe. In: Landkreis Teltow-Fläming (Hg.): Heimatjahrbuch für den Landkreis Teltow-Fläming. 9. Jahrgang, 2002, S. 125-126. Einige Abbildungen wurden ergänzt.)

 

Abbildungsnachweis

Abb. 1, 6 Gemeinfrei.

Abb. 2, 5 Koebe, Hermann Dr.: Feuerwehrtechnik – damals. Das große Werk von Koebe-Luckenwalde bis 1945. Marburg 1987.

Abb. 3 https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Koebes_Abprotzspritze.jpg (Foto: Simon4490 - CC BY-SA 3.0).

Abb. 4 Scheick, Herbert: Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr Bad Kreuznach, 1995.

Empfohlene Zitierweise

Boenicke, Jochen: Feuerwehrgerätefabrik Hermann Koebe, Luckenwalde, publiziert am 26.08.2023; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

 

Friedrich Steinberg, Meister des Tuchhandwerkes, gründete 1844 unter seinem Namen eine Firma zur Produktion von Tüchern in der Treuenbrietzener Straße in Luckenwalde. Die Produkte gelangten bald zu Weltruhm und wurden auf den Weltmessen in Paris, Brüssel, Wien und Dresden mehrfach ausgezeichnet. 1874 übernahmen die Söhne Friedrich Steinbergs, Hermann, Robert und Albert, die Fabrik, in der sie ab 1883 zusätzlich Wollhüte fabrizierten. In Folge eines Brandes 1893 stellten sie die Tuchfabrikation ein und spezialisierten sich auf die Herstellung von Hüten. Nach dem Ausscheiden von Albert Steinberg übernahmen Robert und Felix Steinberg die Firma und produzierten dort ab 1911 Haarhüte. Während des Ersten Weltkrieges lag die Produktion still, da Robert jun. und Felix Steinberg an der Front waren und Robert sen. aus Altersgründen den Betrieb nicht allein fortführen konnte.

1883 waren die jüdischen Brüder Moritz und Salomon Herrmann nach Luckenwalde gezogen und hatten dort eine Hutfabrik unter dem Namen „Herrmann & Co.“ gegründet. Da die Fabriken der Familien Herrmann und Steinberg den gleichen Kundenstamm hatten und die gleichen Artikel produzierten, schlossen sie sich zunächst zu einer offenen Handelsgesellschaft zusammen. 1922 fusionierten sie zu einer Aktiengesellschaft namens „Cappelificio Friedrich Steinberg, Gustav Herrmann & Co“. Die Aktiengesellschaft hatte ein Vermögen von 1.500.000 Reichsmark (1.500 Aktien á 1.000 Reichsmark). Der Aufsichtsrat der Gesellschaft setzte sich aus Robert Steinberg sen., Max Grundow, Ernst Gumpert, Oscar Netter und Salomon Herrmann zusammen. Inhaber des Unternehmens waren Felix und Robert Steinberg jun., Gustav Herrmann und Felix Wülfing. Nach dem Tod Gustav Herrmanns 1932 und wegen der Angst der Familie vor den Auswirkungen der nationalsozialistischen Rassenpolitik verließ die Familie Herrmann 1933 Deutschland und beendete damit die Zusammenarbeit mit Steinberg.1934 verkauften die Erben ihre Anteile an die Firma und die Privatpersonen Felix, Robert und Werner Steinberg.

Am 14. 6. 1935 wechselte die Rechtsform erneut in eine offene Handelsgesellschaft (oHG). Gesellschafter der Firma waren Felix und Robert Steinberg, Felix Wülfing und Paul Martin, der die oHG leitete. Nach dem Ausscheiden der Gruppe Herrmann erfolgte die Umbenennung in „Friedrich Steinberg & Co.“. Die Firma war mit 50 % am Kapital einer weiteren Hutfabrik in Luckenwalde, der Firma „Schreiber & Co.“ beteiligt. Die vier Gesellschafter hatten an beiden Firmen Anteile.

Zusammen mit der Hutfabrik „Heinrich Bock AG“ erwarb die Firma „Steinberg & Co.“ von Anton Fischer (bzw. der in Liquidation befindlichen Firma) die Rechte, deren bisher geschützte Marken zu produzieren, zu verkaufen und eine Gesellschaft unter dem Namen „Anton Fischer GmbH“ zu gründen. „Steinberg & Co.“ erwarb die Rechte für Wollprodukte, die Firma „Heinrich Bock AG“ für Haar- und Velourhüte. Die Gesellschaft wurde 1932 mit einem Kapital von 50.000 Reichsmark gegründet.

Die Firma „Steinberg & Co.“ war Mitglied im Zentralverein der Hutfabrikanten Deutschlands e. V., Berlin. Felix Steinberg leitete als Vorsitzender den Zentralverein sowie die Fachgruppe Filzhutindustrie. Paul Martin saß im Beirat der Industrie- und Handelskammer Berlin in der Prüfungskommission für die Kaufmannsgesellenprüfung und ab 1938 in der Arbeitskammer des Gaus Kurmark.

Die Pläne für ein neues Fabrikgebäude auf dem von der Stadt Luckenwalde zur Verfügung gestellten Industriegelände entwarf der Architekt Erich Mendelsohn, der mit der Familie Herrmann bereits seit Jahren in Beziehung stand. Der Bau entstand in den Jahren 1921-1923 und bestand aus einem Verwaltungstrakt, 4 Fabrikationshallen, einer Kraftstation und einer Färberei. Diese hatte die Form eines Hutes sowie die Maße eines Wohnhauses und wurde das neue Wahrzeichen der Stadt. Durch die Installation einer Lüftungsanlage für die Färberei und die Trocknung schuf der Architekt zudem bessere Arbeitsbedingungen für die Hutmacher (Abb. 1-5). Anfang 1923 vernichtete ein Brand die hölzernen Dachkonstruktionen der noch im Bau befindlichen neuen Hutfabrik auf dem Industriegelände. Es entstand einen Schaden an Materialien, Maschinen und Hüten im Wert von 151.000-170.000 Reichsmark.

Im Werk auf dem Industriegelände erfolgte die Produktion der Stumpen (kegelförmige Rohform aus Stroh- oder Filzgeflecht) von Woll- und Haarhüten. Die Weiterverarbeitung zu Damen-, Herren- und Kinderhüten fand in den Stammfabriken in der Treuenbrietzener Straße (ehemals Steinberg) und Potsdamer Straße (ehemals Herrmann) statt.

„Steinberg & Co.“ hatte Handelsbeziehungen zu Firmen in Afrika, Amerika, Asien, Australien und Europa. Deren Anteil am Gesamtgewinn, der 1931 teilweise mehr als 50 % betrug, ging zwischen 1934 und 1935 aufgrund von Währungsschwankungen auf bis zu 15 % zurück, sodass sich die wirtschaftliche Lage von „Steinberg & Co.“ verschlechterte. 1935 verkaufte die Firma das Industriegelände für 600.000 Reichsmark an die Firma „Solo Fabrikations- und Vertriebsgesellschaft für technische Erzeugnisse“. Dadurch erhoffte man sich eine Stärkung der Produktionsmittel, was jedoch nicht geschah. Ersatzweise erwarb „Steinberg & Co.“ ein kleineres Grundstück in der Dahmer Straße für 75.000 Reichsmark (4.600 m2). Um insgesamt die gleiche Anzahl von Arbeitern beschäftigen zu können, mussten auf den Grundstücken in der Dahmer und Treuenbrietzener Straße Umbaumaßnahmen vorgenommen werden. In den Räumlichkeiten auf dem Grundstück in der Potsdamer- und Schützenstraße lagerten die nicht im Betrieb befindlichen Maschinen und Betriebsteile. Im Laufe der Jahre verkaufte die Firma eine Reihe von weiteren kleineren Grundstücken, die bei der Fusion durch die Firma „Hermann & Co.“ eingebracht worden waren, und durch Erbschaft erworbene Gärten.

In den 1930er Jahren beschäftigte die Hutfabrik zwischen 655 und 920 Arbeitnehmern. Die Belegschaft setzte sich aus Arbeitern, Gesellen sowie kaufmännischen und technischen Angestellten zusammen.

1940 richtete die Firma eine Pensions- und Unterstützungskasse für die Gesunderhaltung und Unterstützung hilfsbedürftiger Betriebsangehöriger ein und ließ sie als „Unterstützungskasse e. V.“ beim Amtsgericht Luckenwalde eintragen. Vereinsmitglieder waren im Betreib Beschäftigte und ehemalige Mitarbeiter, die bei Einrichtung der Kasse pensionsberechtigt waren. Die kostenlose Mitgliedschaft begann bei Eintritt in die Firma und endete mit dem Tod bzw. bei früherem Ausscheiden. Das Vermögen der Einrichtung entstand durch Zuwendungen der Firma. Leistungsempfänger waren Mitglieder mit einem Einkommen bis zu 6.000 Reichsmark und einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 10 Jahren. Die Unterstützungskasse zahlte Pensionen (3.000 Reichsmark jährlich), Witwen- und Waisengeld (2.000 Reichsmark), Invalidenpensionen im Falle von Arbeitsunfähigkeit, Sterbegeld (je 500 Reichsmark) und Sonderzuwendungen zu Weihnachten. Leistungen aus den Sozialkassen blieben unberücksichtigt.

Während des Zweiten Weltkriegs beschäftigte „Steinberg & Co.“ Kriegsgefangene und polnische Zivilarbeiter. 1943 arbeiteten 201 Menschen in der Fabrik. 1942 fiel einer der Firmenleiter, Paul Martin, an der Ostfront. Auch die Firma „Steinberg & Co.“ musste während des Krieges wehrwirtschaftliche Aufgaben erfüllen. Die Rüstungsinspektion III, Berlin befahl „Steinberg & Co.“, 1.000 m² des Fabrikationsraumes an die Firma „Walter Seelig, Mechanische Werkstätten“ abzugeben. Die abzugebende Fläche entsprach einem Fünftel des gesamten Fabrikationsraumes. Die dort vorhandenen Maschinen mussten abmontiert und abtransportiert werden.

Nach dem Krieg leistete „Steinberg & Co.“ Reparationen an die UdSSR in Form von Hutlieferungen. 1948 wurde Max Hund durch die Kreiskommission für Sequestierung zum Treuhänder für die Firma eingesetzt. Auf Anordnung der Vereinigung volkseigener Betriebe Pelz, Leipzig wurden die Eigentümer der Firma enteignet. Der neue Firmenname lautete nun „Luckenwalder Hutfabrik“. Der Rechtsnachfolger von Steinberg & Co wurde schließlich der „VEB Luckenwalder Hutfabrik“.

 

(Textvorlage: Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 75 Steinberg & Co., Hutfabrik Luckenwalde - Bestandsübersicht / Firmengeschichte [Siehe: Hier], ergänzt und bearbeitet von Marie Schröder)

Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 75 Steinberg & Co., Hutfabrik Luckenwalde.

Literatur

Kühn-von Kaehne, Gerald / Lebek, Christoph / Noell, Matthias: Luckenwalde. Die ehemalige Hutfabrik Friedrich Steinberg, Hermann & Co. von Erich Mendelsohn, in: Brandenburgische Denkmalpflege, Jg. 1, Heft 1 (1992), S. 75-84.

Frank, Georg: Luckenwalde. Die ehemalige Hutfabrik Friedrich Steinberg, Herrmann & Co. Baugeschichte und Maßnahmen zur Erhaltung, in: Brandenburgische Denkmalpflege, Jg. 21, Heft 2 (2012), S. 57-62.

o. A.: Die Hutfabrik Herrmann, Steinberg & Co. in Luckenwalde, in: Raach, Jörg (Hg.): Industriekultur in Brandenburg. Faszinierende Denkmale des Industriezeitalters, Berlin 2010, S. 136f.

Stephan, Regina: Erich Mendelsohn und die Hutfabrik in Luckenwalde, in: Stadt Luckenwalde (Hg.): Erich Mendelsohn und die Moderne. Luckenwalde 2004, S. 22-51.

Riemer, Detlev: Luckenwalde, in: Diekmann, Irene A. (Hg.): Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart (= Beiträge zur Geschichte und Kultur der Juden in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen; 5). Berlin 2008, S. 192-218.

Riemer, Detlev: Pelikan und Davidsstern. Bd. 2: Quellensammlungen aus lokalen Zeitungen 1850-1941, o. O. 1993.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 https://www.urbipedia.org/hoja/Archivo:Mendelsohn.Fabrica_de_sombreros.5.jpg

Abb. 2 https://www.urbipedia.org/hoja/Archivo:Mendelsohn.Fabrica_de_sombreros.4.jpg

Abb. 3 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Faerberei_Hutfabrik_Luckenwalde.jpg (Foto: Lumu - CC BY-SA 3.0)

Abb. 4 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Luckenwalde_HatFactory_inner_view.jpg (Foto: Doris Anthony - CC BY-SA 3.0)

Abb. 5 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Luckenwalde_HatFactory_Facade.jpg (Foto: Doris Anthony - CC BY-SA 3.0)

Empfohlene Zitierweise

Steinberg & Co. Hutfabrik, Luckenwalde, publiziert am 14.03.2022; in: Industriegeschichte Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)


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