Partizipation und Politische Bildung – Kooperation in Brandenburg und Berlin   

 

Thomas Kersting

Sogenannte „workcamps“ an NS-Lagerstandorten, bei denen Jugendliche Fundamente freilegen und Funde bergen, sind schon lange ein beliebtes Medium der Vermittlungsarbeit in allen KZ-Gedenkstätten – und gleichzeitig der Albtraum der Landesarchäologie. Was die Gedenkstätten in bester pädagogischer Absicht als ein „Begreifen der Geschichte“ sehen, ist für die Archäologen der staatlichen Denkmalpflege die Zerstörung wertvoller Denkmalsubstanz.

Doch stehen solche „workcamps“ durch interessierte Amateure eigentlich sogar am Anfang der archäologischen Arbeit an Orten des Terrors, noch bevor die Denkmalämter diese neue Aufgabe erkannt hatten. Dass der wohlmeinende, modisch-englische Begriff übersetzt eigentlich „Arbeitslager“ bedeutet, dürfte den wenigsten Beteiligten bewusst gewesen sein.

Aktionen im Sinne der „Geschichte von unten“-Bewegung, oder im Sinne des Nietzsche-Mottos „Grabe wo Du stehst“ führten beispielsweise schon in den 1980er Jahren zu den ersten Funden auf dem Gelände des Reichsicherheits-Hauptamtes in Berlin, der heutigen Topographie des Terrors. In Friedrich Nietzsches „Fröhlicher Wissenschaft“ heißt es 1882 genauer „Wo du stehst, grab tief hinein! Drunten ist die Quelle! Laß die dunklen Männer schrein: Stets ist drunten - Hölle!“ (Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden. München 1954, Band 2, 17).

Mittlerweile hat sich durch langjährige Praxis seit Mitte der 1990er Jahre und eine gemeinsame Tagung 2015 im Archäologischen Landesmuseum in Brandenburg hierzulande eine Art Interessenausgleich zwischen Gedenkstätten und Archäologischer Denkmalpflege ergeben. Die jeweiligen Absichten und Belange von Gedenken, Erinnerung und Denkmalschutz – alles im öffentlichen Interesse gesetzlich verankert - sind beiderseits anerkannt. Dies auch und vor allem angesichts der hohen Wirkung auf dem Feld der Politischen Bildung, wo wir als Landesarchäologen nun auch mitwirken können. Im Tagungsband von 2016 „Archäologie und Erinnern – NS-Lagerstandorte Erforschen, Bewahren, Vermitteln“ kann man das nachlesen.

Jugendprojekte in Brandenburg

Schon seit Jahren haben wir eine enge Kooperation des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum (BLDAM) mit dem Landesjugendring Bandenburg. Die Kollegen und Kolleginnen machen mit Programmen der Politischen Bildung wie „Zeitensprünge“ oder „überLAGERt“ kontinuierlich Angebote an Jugendgruppen im ganzen Land, ihre lokale Umgebung historisch zu erforschen. Dabei geht es in der Regel um die Geschichte und Überreste der NS-Zeit, aber auch nachfolgender Epochen.

Die teilnehmenden Gruppen - meist aus Schulen, Jugendzentren oder Kirchengemeinden unter jeweils eigener Leitung - kümmern sich meist um die jetzt selten werdenden Zeitzeugen und originale Stätten des Terrors in ihren Heimatgemeinden (Abb. 1, 2 Biesenthal). Oft steht die Absicht im Vordergrund, einen Erinnerungs- und Gedenkort zu schaffen. Pädagogen und Pädagoginnen des Landesjugendringes unterstützen die Gruppen dabei und versorgen sie mit Informationsmaterial, und koordinieren die Aktivitäten. Bei gemeinsamen zentralen Treffen werden die Gruppen und ihre Leiter gecoacht, Gedenkstätten und Museen werden besucht, die Gruppen stellen sich gegenseitig den Zwischenstand der eigenen Forschungen vor. Am Ende steht eine Abschlussveranstaltung an prominentem Ort – z.B. im Landtag in Potsdam – wo sie die Ergebnisse präsentieren können, auch in Form einer Ausstellung.

In diesen Ablauf haben wir als BLDAM uns eingeklinkt, ein Besuch der Jugend-Gruppen im Landesmuseum Paulikloster ist mittlerweile fester Programmpunkt. Die Archäologen des Landesamtes laden sie ein, um ihnen die Arbeitsweise und Möglichkeiten der Archäologie der Zeitgeschichte zu erklären (Abb. 3, 4 Paulikloster). Dabei können die Kinder und Jugendlichen mit Original-Fundmaterial arbeiten, und dabei ein Gefühl dafür bekommen, die Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes zu „erfassen“. Diese Form der Partizipation ist für alle Beteiligten ein Gewinn, wie zwei Beispiele zeigen sollen.

Beispiel Lager Biesenthal

Wir versuchen auch Absuch-Aktionen im Gelände ehemaliger Lager in diesem Rahmen zu organisieren. Eine Gruppe der Biesenthaler Freien Schule hatte es sich nach Gesprächen mit einer Zeitzeugin zur Aufgabe gemacht, den konkreten Standort des lokalen Außenlagers des KZ Sachsenhausen zu finden. Dort und an anderen Standorten von NS-Terror im Stadtgebiet wollten die jungen Leute zum Gedenken selbst gemeißelte Erinnerungs-Stelen aufstellen. Das von ihnen ins Auge gefasste Areal erwies sich bei einer Begehung mit mir als zuständigem Archäologen vom Fachamt als Volltreffer. Im jetzt dort stehenden Wald lagen noch überwucherte Betontrümmer der Fundamente der am Kriegsende gesprengten Lagerbaracken. In ihrem Umfeld fanden wir direkt unter der Oberfläche typisches Lager-Fundmaterial wie Aluminium-Essgeschirr und Aluminiumdosen, die die Insassen zu Trinkbechern umfunktioniert hatten (Abb. 5, 6). Reste von Abwasserrohren mit Hersteller-Stempeln aus Sachsen und Kabel gehörten zur Infrastruktur. Das Areal dieses in der Literatur lange bekannten Lagers konnten wir bislang nicht lokalisieren – dank der Hilfe der Schüler konnten wir es jetzt als Bodendenkmal eintragen. Und das ist kein Einzelfall…

Beispiel Lager Sebaldushof

Veranstaltungen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind auch Aufgabe des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide, unter dem Dach der Topographie des Terrors. Mit den dortigen Kolleginnen hatten wir für 2020, 75 Jahre nach Kriegsende und Befreiung der Lager, erstmals eine umfassende Ausstellung zur Lager-Archäologie in Brandenburg und Berlin erarbeitet: „Ausgeschlossen – Archäologie der NS-Zwangslager“.

Gemeinsam organisierten wir zur Vorbereitung dieser Ausstellung ein internationales Jugendprojekt auf einem Lager-Areal bei Treuenbrietzen. Unter Anleitung von Archäologen und mit ehrenamtlichen Metallsucher/innen und Grabungstechnikern des Amtes suchten die jungen Leute mehrere Tage verschiedene Funktionsareale ab, im Lager und auch im Verwaltungsbereich der ehem. Munitionsfabrik „Werk A“. Sie absolvierten dabei alle archäologischen Arbeitsschritte: sie dokumentierten die Funde in ihrer genauen Lage, sammelten sie ein und schrieben Fundzettel, und später in Schöneweide kamen Reinigung, Inventarisierung und Interpretation an die Reihe (Abb. 7, 8). Eine zunächst geplante Absuche des Produktionsbereiches unterließen wir vorsichtshalber angesichts zahlreicher Munitionsreste. Die Funde aus den anderen Zonen waren aber aussagekräftig und vielsagend genug. Beim nach dem Krieg gesprengten Verwaltungsgebäude lagen Scherben verzierter Kaffeetassen, eine elektrische Heizplatte mit Kochtopf und Aktenordner-Mechaniken. Ein so typisches Büro-Ensemble ist wohl noch nie archäologisch nachgewiesen worden. Zudem fanden wir zahlreiche Adrema-Matrizen, die Daten von deutschen und ausländischen „Mitarbeitern“ tragen – offensichtlich im Büro noch in Vordrucke und Formulare verpackt. Außerdem lernten die Jugendlichen viele für die Lager-Archäologie sehr typische Dinge kennen, die von prekären Lebensumständen unter den Bedingungen von Mangel und Gewalt zeugen. Neben Blechgeschirr und offiziellen Kantinen-Porzellan vom „Amt für Schönheit der Arbeit“ sind dies vor allem Materialreste aus der Produktion, aus denen die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen sich dringend benötigte Gegenstände selbst bastelten. Mit Blechresten und Lötzinn fertigte jemand hier im Lager behelfsmäßige Becher und Trichter, um Wasser aufzufangen. Nicht überlebensnotwendige Dinge wie Schmuck und Andenken dienten der Selbstbestätigung und Identitätsbehauptung; hier z.B. hatte jemand mit viel Mühe aus einem Stahlrohr einen Fingerring gesägt und verziert. 

Über diese Such- und Bergungsaktion konnten die jungen Leute selber – unter Anleitung von Profis – einen Film drehen, der in der Ausstellung zu sehen ist, und von Anfang an als Exponat gedacht war. Er zeigt das buchstäbliche Begreifen der Geschichte des Terrors durch 15 junge Menschen aus aller Welt, von Chile bis Russland. In kurzen statements kommentieren sie ihr Erleben und Empfinden, sowie die unmittelbare Verknüpfung ihrer Funde mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskursen hier und in ihren Heimatländern (Abb. 9).

Adrema-Matrizen

Ideal für die Arbeit mit jungen Leuten an archäologischen Objekten sind diese „analogen Datenträger“, mit eingestanzten Daten der zur Zwangsarbeit verschleppten Menschen, wie wir sie manchmal am Standort der Verwaltungsgebäude der Lager und Fabriken finden (Abb. 10, 11). Jedes Adrema-Blech steht für ein Schicksal mit Namen, Geburtsdatum und -Ort, Einsatzort und -dauer: auf diese Weise wird scheinbar abstrakte Vergangenheit lebendig. 

Die Mitglieder der Jugendgruppen sind immer sehr beeindruckt von dieser Begegnung mit den Menschen der damaligen Zeit, gleichzeitig sind sie an „echter Wissenschaft“ beteiligt. Die Adrema-Tafeln zeigen mikrohistorisch die Entwicklung der Zwangsarbeit und den Einsatz von Arbeitskräften in der deutschen Industrie auf. Historische Geschehen wie der Kriegsverlauf und die Zwangsarbeiter-Rekrutierung im großen Kontext spiegeln sich exakt wieder.

Bei mehreren Veranstaltungen wurden die Daten auf diesen Blechen entziffert und in eine selbst angelegte Datenbank eingetragen, schließlich waren über 1000 Namen erfasst (Abb. 12, 13, 14). Diese Daten aus Treuenbrietzen wurden an die Arolsen Archives übermittelt, dort wurden sie mit bereits vorliegenden Daten abgeglichen. Wie sich herausstellte, existieren in Arolsen zu etwa einem Drittel der ausländischen Namen schon Belege - was im Umkehrschluss bedeutet, dass für etwa zwei Drittel der Menschen dank der archäologischen Funde erstmals ein Nachweis vorliegt!  Die Dokumente der Arolsen Archives über die Zwangsarbeiter vom Sebaldushof ergänzen die Daten der am Ort gefundenen Adrema-Matrizen, auf der Homepage ist dies unter „living history“ jetzt sehr schön nachvollziehbar: https://arolsen-archives.org/stories/schicksale-auf-blech/

Archäologie der Zeitgeschichte

Diese noch junge Disziplin dokumentiert Erinnerungsorte der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Grabungen zur Geschichte der NS-Zeit finden häufig an Orten statt, die Schauplätze von Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren. Daher ist die Arbeit fordernd und berührend, ihre Ergebnisse mit moralischen und politischen Fragen verbunden und sie erhält mehr öffentliche Aufmerksamkeit als beispielsweise Forschungen zur Vor- und Frühgeschichte. Mit Hilfe der archäologischen Funde kann man sich den Menschen der Lager nähern, ihre Geschichte „begreifen“. Diesen Zugang haben u.a. pädagogische Projekte des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit Berlin und der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätte in Zusammenarbeit mit dem Landesjugendring Brandenburg gewählt. Hier wird eine neue, politische Aufgabe der zeithistorischen Archäologie sichtbar: es geht nicht nur darum, die Geschichte der NS-Zwangslager zu vermitteln, sondern auch den Bogen zu schlagen in unsere Gegenwart und darüber nachzudenken, wie aktuellen rassistischen Forderungen nach dem Ausschluss von bestimmten Gruppen (Geflüchtete, Musliminnen, Muslime, Jüdinnen und Juden) aus der deutschen Gesellschaft heute begegnet werden kann.

Die Auseinandersetzung mit einem konkreten Ort, mit greifbaren Spuren und mit den Dingen, die aus der Erde geborgen werden, ist für Schüler und Schülerinnen, aber auch für Erwachsene nachhaltiger, als die Aneignung der Geschichte durch Medien. Das Bergen, das Säubern, Inventarisieren und Fotografieren der Funde weckt ein Gefühl der Nähe zur Geschichte. Die „Narrativität“ der Sachquellen spricht die sinnliche Erfahrung direkt an, die Authentizität der Objekte bedeutet, dass Geschichte direkt “angefasst” werden kann – Erfassen und Begreifen gehen Hand in Hand.

 

Der Beitrag erschien 2022 unter dem Titel: Kersting, Thomas: Archäologie der NS-Lager: Partizipation und Politische Bildung – Kooperation in Brandenburg und Berlin. In: Lernen aus der Geschichte. Weit mehr als Erinnern – Lokales Forschen mit Jugendlichen zum Nationalsozialismus – LaG Magazin 30.03.2022, S. 25-29 (Hg. Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, landesjugendring brandenburg).

 

Literatur

Kersting, Thomas / Theune, Claudia / Drieschner, Axel / Ley, Astrid / Lutz, Thomas (Hrsg.): Archäologie und Gedächtnis – NS-Zwangslager Erhalten, Erforschen, Vermitteln. Tagung. Interdisziplinäre Konferenz im Archäologischen Landesmuseum Brandenburg an der Havel 17. bis 19. September 2015. Petersberg 2017.

Haubold-Stolle, Juliane / Kersting, Thomas / Theune, Claudia / Glauning, Christine / Riedle, Andrea / Schopper, Franz / Wagner, Karin / Drecoll, Axel (Hrsg.): Ausgeschlossen – Archäologie der NS-Zwangslager. Ausstellung Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin -Schöneweide / Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum. Berlin 2020.

Abbildungsnachweis

Abb. 1-14 Th. Kersting.

Empfohlene Zitierweise

Kersting, Thomas: Archäologie der NS-Lager: Partizipation und Politische Bildung – Kooperation in Brandenburg und Berlin, publiziert am 06.10.2023; in: Schule und Unterricht, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

 

Einblicke in die Arbeit des Seminarkurses „Regionalgeschichte“

am Sängerstadt-Gymnasium in Finsterwalde

Birgit Neidnicht

Allgemeine Angaben

Schule

Sängerstadt-Gymnasium

Straße der Jugend 3

03238 Finsterwalde

Lehrerin des Seminarkurses „Regionalgeschichte“: Birgit Neidnicht

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Kooperationspartner

Sänger- und Kaufmannsmuseum

Lange Straße 6/8

03238 Finsterwalde

Tel.: 03531/501989; Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Stadtarchiv

Geschwister-Scholl-Straße 2

03238 Finsterwalde

Tel.: 03531/783302; Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dokumentations- und Informationszentrum Torgau

Schloss Hartenfels

Schlossstr. 27

04860 Torgau

Tel.: 03421/713468; Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Menschenrechtszentrum Cottbus e.V.

Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus

Bautzener Str.140

03050 Cottbus

Tel.: 0355/290133; Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Unterstützer

Landkreis Elbe-Elster

Stadtverwaltung Finsterwalde

weitere Archive (BLHA, Bundesarchiv Berlin)

Gedenkstätte Kriegsgefangenen-und Speziallager Mühlberg

Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur (LAkD)

Die Idee

Das verpflichtende Fach Seminarkurs wurde im Land Brandenburg mit dem Schuljahr 2014/15 an den Gymnasien eingeführt, um die Schüler*innen intensiver auf eine Berufsausbildung und insbesondere auf das Studium vorzubereiten. Diese haben sich für einen berufs- und studienorientierten oder einen wissenschaftspropädeutischen Seminarkurs zu entscheiden. Endlich bietet sich die Gelegenheit, dass Schüler*innen nach Spuren der Geschichte vor Ort „graben“ und die Forschungsergebnisse in einer schriftlichen Arbeit festhalten können. Im „normalen“ Geschichtsunterricht klaffen Anspruch und Machbarkeit bezüglich der historischen Projektarbeit oft weit auseinander.

Somit erklärte ich mich bereit, einen wissenschaftspropädeutischen Kurs zur Untersuchung von Regionalgeschichte an meiner Schule anzubieten, ohne konkret zu wissen, worauf ich mich einlasse. Der Zeitaufwand, um diesen Kurs organisatorisch vorzubereiten sowie die Schüler*innen methodisch und fachlich kompetent zu betreuen, steht eigentlich in keinem Verhältnis zur Unterrichtszeit von nur zwei Wochenstunden. Doch die Erfahrungen als Tutorin beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten erleichterten den Einstieg.

Die Idee, zu einem Rahmenthema passende „Unterthemen“ zu finden, klingt immer plausibel und logisch. Doch würde dies auch für meinen Kurs in einer Kleinstadt wie Finsterwalde funktionieren? Vieles sprach dagegen. Schon allein für jeden Schüler einen historischen Fall mit gesicherter Quellenlage zu finden, erschien unmöglich. Schließlich entschied ich mich gegen ein übergreifendes Kursthema, aber für einen bunten Strauß unterschiedlicher Fragen an die Regionalgeschichte.

Somit erhielten die Schülerinnen und Schüler eine großen Spielraum bezüglich der eigenen Themenfindung. Genau an diesem Punkt wären die meisten Schüler ohne Unterstützung völlig überfordert. Um ihnen den Einstieg in die historische Projektarbeit zu erleichtern, stellte ich ausgewählte historische Ereignisse bzw. Persönlichkeiten unserer Region dar, ordnete diese in den Zeitstrahl ein und entwickelte eigene Fragen an die Geschichte. Gleichzeitig erfuhren die Schüler*innen, welche historischen Forschungsschwerpunkte die Institutionen der Region (Museum, Gedenkstätte, Archiv) bearbeiten. Z.B. erzählte ich vom Speziallager Nr. 1 bei Mühlberg in den Jahren der SBZ sowie dessen Geschichte in den folgenden Jahrzehnten. Eine mögliche Frage an die Geschichte: Speziallager Mühlberg: Schweigen – Vergessen – Erinnern? (Wandel in der Erinnerungskultur). Nun begann für meine Kursteilnehmer*innen die Suche nach einem historischen Fall in den Museen, in den eigenen Familien, in den christlichen Gemeinden. Nur wenige Schüler*innen waren bisher auf meine Themenvorschläge angewiesen.

Inzwischen unterrichte ich schon den fünften Seminarkurs. Einige der bisherigen Seminararbeiten bzw. deren Präsentationen trafen auf reges Interesse der Finsterwalder Öffentlichkeit (siehe dazu die Artikel in der Lausitzer Rundschau / Link oben in der nebenstehenden Box). Die enge Zusammenarbeit mit den Schüler*innen sowie mit den Kooperationspartnern, die fachliche und methodische Progression der Schüler, die Vielschichtigkeit der historischen Themen und viele gelungene Seminararbeiten entschädigen für den enormen Arbeitsaufwand.

Vorstellung und Kurzbeschreibung für die Schüler*innen in Klasse 10

„Habt ihr euch schon einmal gefragt, was eure Familienmitglieder am Tag des Mauerbaus oder Mauerfalls oder anderen wichtigen Zäsuren der Weltgeschichte gemacht, gedacht bzw. gefühlt haben. Die große Geschichte ist oft näher als ihr denkt. Wir wollen nicht nur herausfinden, wo und wie uns Geschichte begegnet, sondern auch einen wissenschaftlich-kritischen Umgang mit ihr erlernen. Der Seminarkurs bietet euch einen großen inhaltlichen Spielraum für forschendes Lernen.

Noch können wir zu vielen Ereignissen Zeitzeugen befragen. Doch diese äußerst effektive Lernmethode wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Durch die historische Projektarbeit werdet ihr den Bezug zur Region intensivieren und das Handeln von historischen Akteuren in ‚der kleinen und großen‘ Geschichte beurteilen lernen.

Das weitgehend eigenverantwortliche Arbeiten an der Seminararbeit sowie das Training von Präsentationstechniken machen dich fit für die anspruchsvolle Ausbildung bzw. das Studium.“

(Birgit Neidnicht: Information der Schüler Klasse 10 über die Zielsetzung des Seminarkurses „Begegnungen mit Geschichte – Untersuchung von Regionalgeschichte“ 2017-2019, eigene Arbeitsunterlagen, Januar 2017.)

Projektentwicklung

Den Start eines neuen Seminarkurses empfinde ich selbst als eine spannende Geschichte. Werden die Schüler*innen die ungewohnten Herausforderungen eines zweijährigen Projekts meistern? Sind sie dafür vorbereitet und bereit? Die Recherche und das Studium von Quellen wird ein mühevoller und zeitaufwendiger Prozess sein. Man muss schon einiges in Erfahrung bringen, um überhaupt sein eigenes Thema anhand einer Leitfrage formulieren zu können. Die gewonnenen Erkenntnisse werden nach und nach wie ein Puzzle zusammengesetzt. Schließlich verfassen die Schüler*innen ihre Seminararbeit und verteidigen diese mittels erlernter Präsentationstechniken. Das ist der Plan. Im Folgenden fasse ich die methodischen und fachlichen Schwerpunkte der Arbeit mit meinen bisherigen Seminarkursen zusammen.

Kurshalbjahr und Arbeitsschwerpunkte

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Einführung SK: Selbsteinschätzung Kompetenzen, Vorstellen der Ziele des Kurses, gemeinsame Verabredungen u.a. bezüglich der Dokumentation des Arbeitsprozesses, Übersicht über mögliche Kooperationspartner

Methodenmodul: Die Arbeit mit Quellen (Recherchewege, Einordnung in den historischen Kontext, Quelle gefunden – und wie weiter?)

Themenfindung und Gewinnung von Kooperationspartnern: Besuch anderer Lernorte wie Sänger- und Kaufmannsmuseum, Stadtarchiv, Projekttag im Menschenrechtszentrum Cottbus oder DIZ Torgau (Schwerpunktsetzung: Arbeit mit Quellen, Zeitzeugeninterviews, Deutung und Wertung)

Methodenmodul: Wissenschaftliches Schreiben I: Planung, Recherche, Leitfrage, Themenformulierung, Plagiat

Konsultationen/Einzelgespräche zum Schwerpunkt: Themenfindung und Leitfrage

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Kurzpräsentationen aller Schüler*innen über ihren aktuellen Arbeitsstand (Thema, Leitfrage, Recherche, erste Erkenntnisse, Probleme, weiterer Zeitplan)

Methodenmodul: Wissenschaftliches Schreiben II: Gliederung, Einleitung, Literaturverzeichnis

Konsultationen/Einzelgespräche zu den Schwerpunkten: Formulierung des Themas, Gliederung, Einleitung, Literaturverzeichnis

Projekttag (Individuelle Arbeit der Schüler*innen)

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Methodenmodul: Wissenschaftliches Schreiben III: 1000 kleine Dinge (Anmerkungen und Co, computertechnische Kniffe ...)

Schreibprozess

Abgabe der Seminararbeiten (Oktober/November)

Methodenmodul: Präsentationstechniken

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Präsentationen, z.T. als öffentliche Veranstaltungen

Probleme bzw. Herausforderungen

Den Schüler*innen fällt es z.T. schwer, ihre Zeit zu managen. Ein Projekt über zwei Schuljahre gestattet kaum „Hauruckaktionen“, sondern erfordert oft ein neues Ordnungssystem sowie systematisches und kontinuierliches Arbeiten. Dies reflektieren die Schüler in ihren Portfolios. In manchen Beratungsgesprächen stelle ich fest, dass das Hauptproblem einiger Schüler*innen in der fehlenden Fähigkeit liegt, die großen Arbeitsetappen innerhalb der Qualifikationsphase einzuplanen. Sie schieben die notwendigen Arbeitsschritte wie eine Wand vor sich her und sind ratlos und unmotiviert. Hier hilft nur das gemeinsame Erstellen eines individuellen Zeitplans.

  • Regionalhistorische Inhalte werden „ausgegraben“. Einige Schüler entwickeln dabei vielleicht erstmalig ein tieferes Interesse an der lokalen und regionalen - „kleinen“ - Geschichte. Die Herausforderung besteht nun darin, die Puzzleteile zusammenzusetzen und im Rahmen der „großen“ Geschichte einzubetten. Dies geschieht nicht im Selbstlauf. Immer wieder kommen wir in den Gesprächen auf die jeweilige Leitfrage zurück. Das Seminararbeitsthema und die Leitfrage werden während des Arbeitsprozesses immer mehr geschärft und somit die Gliederung klarer strukturiert. Genau in diesem Bereich benötigen die Schüler individuelle Betreuung.
  • Es ist nicht für jeden Schüler selbstverständlich, auf Kooperationspartner und Zeitzeugen zuzugehen bzw. den Kontakt herzustellen und aufrechtzuerhalten. Im digitalen Zeitalter sind scheinbar wichtige Kommunikationskompetenzen verloren gegangen. Hinweise auf korrekte formale Briefe und Mails, freundliches und selbstbewusstes Auftreten scheinen manchmal erforderlich zu sein.
  • Die Arbeit mit Originalquellen im Archiv oder im Museum stellt einige Schüler*innen vor eine besondere Herausforderung. Schwer lesbare handschriftliche Quellen oder auch lange Texte in Originalzeitungen, die beim ersten Blick wenig mit dem eigenen Thema zu tun haben, können natürlich abschrecken . Die Mitarbeiter im Museum und im Archiv in Finsterwalde geben zielgerichtete Unterstützung, wenn die Schüler Interesse zeigen und im Notfall um Hilfe bitten. Dennoch, die Initiative liegt beim Schüler und das Studium der Quellen kostet Zeit und auch oft Überwindung.

Eine Auswahl der Seminararbeitsthemen

2015-17

Mai Ly Nguyen, Das Leben der Vertragsarbeiter im deutschen Paradies

[…] Mich beschäftigt daher die Frage, ob Ausländer in der vermeintlich antifaschistischen DDR mit solchen Ängsten leben mussten und ob ein gutes harmonisches Zusammenleben von Ausländern und DDR-Bürgern möglich war. Vor allem beziehe ich mich auf die Vietnamesen in der DDR, da mein Vater, Hung Nguyen, ebenfalls als Vertragsarbeiter in die DDR kam 1982. Daher ist diese Seminararbeit auch mit einem persönlichen Bezug verbunden. Ich konzentriere mich auf die Zeitspanne von 1970 bis 2000. Gleichzeitig untersuche ich, welche Veränderungen und Folgen die Wende für die Ausländer, speziell für die vietnamesischen Vertragsarbeiter, mit sich brachte. [...]

(Mai Ly Nguyen: Das Leben der Vertragsarbeiter im deutschen Paradies, Seminararbeit 2017, S. 2.)

Anna Kühne, Rückblick auf 127 Jahre kulturelle Vergangenheit im heutigen Haus der Freundschaft

[…] Welche wichtigen Erinnerungen teilt das Gebäude mit seinen ehemaligen Besuchern und Bewunderern noch heute? Wie haben die geschichtlichen Ereignisse das Haus geprägt und zu etwas Besonderem gemacht? [...]

(Anna Kühne: Rückblick auf 127 Jahre kulturelle Vergangenheit …, Seminararbeit 2017, S. 3.)

Tina Hänsch, Einfluss der DDR-Heimerziehung auf die Kinder

[…] Ich bin auf dieses Thema aufmerksam geworden, da mein Opa am Anfang der DDR selbst in einem Heim aufgewachsen ist und immer viel von seiner Zeit dort erzählt hat. Als uns in der Schule Frau Hilliger (LakD) besuchte und schilderte, wie die Zustände in den Spezialheimen waren, unterschieden sich ihre Ausführungen sehr von denen meines Opas. … Im Folgenden setze ich mich mit den Unterschieden zwischen den Heimformen auseinander. Dabei untersuche ich drei verschiedene Heimformen hinsichtlich Alltag, Regeln, Strafen und Belohnungen, Vorbereitung auf die Zukunft und mögliche psychische beziehungsweise physische Folgen. […]

(Tina Hänsch: Einfluss der DDR-Heimerziehung auf die Kinder, Seminararbeit 2017, S. 2.)

2016-18

Emma Liebscher, Kohlrübe statt Kartoffel?! Der Kohlrübenwinter 1916/17 in der Niederlausitz

[…] Wie entwickelte sich die soziale Lage in der Niederlausitz und wer kann heute für diese sozialen Missstände verantwortlich gemacht werden? Lässt sich eine deutliche Verschlechterung der sozialen Situation feststellen und steigen die Todeszahlen in der Niederlausitz?

Ich werde über den Kohlrübenwinter in der Niederlausitz und die Entwicklung der sozialen Lage berichten, da mich die geschichtlichen Ereignisse rund um meine Heimatregion extrem faszinieren und begeistern. […]

(Emma Liebscher: Kohlrübe statt Kartoffel!?, Seminararbeit 2018, S. 2.)

Tony Weggen, Der gute „Geist“ Finsterwaldes. Kommunalpolitik unter einem Bürgermeister zur Zeit der Weimarer Republik

[…] Wie sollte es ihm [Bürgermeister Geist] im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern gelingen, überwiegend ergebnisbringende Arbeit zu führen und insbesondere, welche Maßnahmen sollte er ergreifen, um Finsterwalde zu kommunalen Fortschritt zu führen [...]? Um diese Hauptfrage im umfangreichen Überblick zu beantworten, wähle ich drei Aufgabenschwerpunkte aus Geists Politik […]. (Eingemeindung von Nehesdorf, kommunaler Wohnungsbau, Finsterwalder Schulstreit) [...]

(Tony Weggen: Der gute „Geist“ Finsterwaldes ..., Seminararbeit 2018, S. 5.)

Ole Weber, Die Segelflugausbildung in der DDR und ihre Beeinflussung durch die Politik

[…] Speziell möchte ich in dieser Arbeit auf die Segelflugausbildung in der Zeit der DDR und den Einfluss der GST auf den Freizeitsport Segelflug eingehen. Im Sommer 2015 begann ich selbst auf dem Flugplatz Finsterwalde-Heinrichsruh meine Segelflugausbildung. Da ich durch meinen Großvater schon als Kleinkind Kontakt zum Flugplatz hatte, kannte ich diesen auch schon recht gut im heutigen Zustand. ... In meiner Seminararbeit möchte ich den Einfluss der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) auf den Flugplatz untersuchen. Außerdem habe ich den Vergleich zur heutigen Ausbildung und möchte mithilfe von Zeitzeugen betrachten, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten es gibt. [...]

(Ole Weber: Die Segelflugausbildung in der DDR …, Seminararbeit 2018, S. 2.)

2017-19

Annika Dittrich, Die Film- und Kinogeschichte der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus - Ein Einblick in die Geschichte des Weltspiegel-Kinos Finsterwalde

[…] Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten bei der Schwerpunktsetzung bin ich auf die Film- und Kinogeschichte der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus gestoßen, in Bezug auf das regionale Kino in Finsterwalde. [...] Wie sah also die Film- und Kinowelt der Weimarer Republik aus, und wie veränderte sich diese im Nationalsozialismus? [...]

(Annika Dittrich: Die Film- und Kinogeschichte …, Seminararbeit 2019, S. 2.)

Marie-Luise Jerichen, Der Einfluss der Industrialisierung auf Finsterwalde von 1871-1913 - 42 Jahre voller Veränderungen

[…] Ich möchte nun genauer darauf eingehen, warum sich ausgerechnet in der kleinen Stadt Finsterwalde solch positive und große Veränderungen während der Industrialisierung vollzogen haben. Wie konnte solch eine Provinzstadt diesen Sprung zwischen Klein- und Industriestadt schaffen? [...]

(Marie-Luise Jerichen: Der Einfluss der Industrialisierung auf Finsterwalde, Seminararbeit 2019, S. 4.)

Marie-Sophie Glöckner, Eine Reise ohne Rückkehr – Die Flucht und Vertreibung in den ehemaligen Kreis Luckau

[…] Das Hauptziel der vorliegenden Seminararbeit ist, die Beantwortung der Frage, ob die betroffenen Männer, Frauen und Kinder eine neue Heimat in den jeweiligen Orten gefunden haben bzw. ob der jeweilige Ort als Heimat empfunden wird. [...]

(Marie-Sophie Glöckner: Eine Reise ohne Rückkehr …, Seminararbeit 2019, S. 3.)

Klara Weber, Stadthalle Finsterwalde – Investition in die Zukunft?

[…] Diese Facharbeit thematisiert die Kontroverse um die Stadthalle in Finsterwalde, welche die Bürger Finsterwaldes so weit spaltete, dass es zu einem Bürgerbegehren und sogar einer Klage der ortsansässigen SPD kam. Wie aber kam es dazu und warum soll in Finsterwalde überhaupt eine Stadthalle auf einer baufälligen Ruine entstehen? [...]

(Klara Weber: Stadthalle Finsterwalde – Investition in die Zukunft?, Seminararbeit 2019, S. 2.)

Ergebnisse

Die bisherigen Seminararbeiten weisen natürlich Differenzen im Niveau auf. Ich bin dennoch auf jede Schülerin und jeden Schüler stolz, wenn die Arbeitsphase mit Erfolg durchgestanden wurde und das Ergebnis fristgemäß vorliegt. Niveauunterschiede zeigten sich oft bei der Stringenz der Leitfragenorientierung, in der sprachlichen Darstellung oder in der Berücksichtigung der vereinbarten Formalien.

Die meisten Präsentationen der Forschungsergebnisse finden im Rahmen des Seminarkurses im Fachraum der Schule statt. Die Schülerinnen und Schüler, die eine sehr gute Seminararbeit geschrieben haben, bitte ich, im Museum eine Abendveranstaltung für die Öffentlichkeit zu gestalten. Natürlich nehmen auch alle Seminarkursschüler teil. Diese zollen ihren Mitschülern großen Respekt, denn die zahlreichen interessierten Besucher erhöhen den Stressfaktor spürbar. So äußerte sich Annika nach ihrer öffentlichen Präsentation im Januar 2019, dass sie jetzt keine Angst mehr vor den künftigen Abiturprüfungen haben wird, denn dieser Auftritt war das Aufregendste, was sie bisher geleistet hat.

Ich möchte Geschichtslehrer*innen an Gymnasien ermutigen, dem historischen Forschen im Rahmen eines Seminarkurses eine reale Chance zu geben.

Angaben zur Finanzierung

Der Landkreis Elbe-Elster unterstützt die Seminarkurse im Elbe-Elster-Kreis, indem anfallende Fahrkosten für Exkursion des Kurses in 11/1, aber auch einzelner Schüler übernommen werden. Die Stadtverwaltung Finsterwalde finanziert das Drucken und Binden der gelungenen Seminararbeiten. Diese finden schließlich im Stadtarchiv einen würdigen Platz.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Lausitzer Rundschau (Foto: Robert Pötzsch)

Abb. 2 Lausitzer Rundschau (Foto: Jürgen Weser)

Abb. 3 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lausitz_Luftsport-_%26_Techniktage_2013-Rueckflug_by-RaBoe_056.jpg (CC-BY-SA-30, Foto: Ra Boe)

Abb. 4 Museumsverbund Elbe-Elster

Empfohlene Zitierweise

Neidnicht, Birgit: Zukunft braucht Herkunft - Untersuchungen zur Regionalgeschichte von Finsterwalde und der Niederlausitz, publiziert am 12.08.2019; in: Schule und Unterricht, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

 

Eine bäuerliche Gemeinschaft im Wandel der Zeit

Petra Beetz / Peter Riedel (Hrsg.)

unter Mitarbeit von Sascha Bütow

Vor den Toren der Beeskower Stadtmauer, in der Vorstadt Adriansdorf, befindet sich das zweitälteste Haus der Stadt Beeskow, das sogenannte „Hüfnerhaus“. Es ist unbekannt, wer dieses Haus errichtete und zuerst bewohnte, doch gehörte es zur Siedlung der „Hüfner“ („Hufenbauern“), einer bäuerlichen Gemeinschaft, die vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert Bestand hatte. Auch wenn vieles zur Geschichte der Hüfner und des Hüfnerhauses noch im Dunkeln liegt, bietet doch eine Vielzahl von Quellen Möglichkeiten, die Vergangenheit der Hüfner zu erkunden und zu rekonstruieren: ihr Leben und Erleben ebenso wie ihr Agieren und Reagieren im historischen Umfeld. Eine ehemals im Hüfnerhaus befindliche Ausstellung, die unter der Leitung von Prof. Dr. Heinz-Dieter Heimann (Universität Potsdam) und Dr. Sascha Bütow entstand, präsentierte nicht die, sondern eine Geschichte der Hüfner. Ergänzend dazu liegen einige Materialien vor, die von Lehramtsstudierenden des Faches Geschichte im Sommersemester 2012 zusammengestellt und entwickelt wurden. Ihr Anliegen ist es, die Geschichte der Beeskower Hüfner als lokales Beispiel im Kontext regionaler und überregionaler Entwicklungen für den Unterricht, aber auch für Erkundungen am außerschulischen Lernort greifbar zu machen.

Obwohl die Ausstellung nicht mehr im Beeskower Hüfnerhaus zu sehen ist, eignet sich die Materialsammlung dennoch für den Einsatz im Unterricht. Drei der ehemaligen Ausstellungstafeln sind in die Teile A, B und C eingearbeitet worden. Die Materialien richten sich vor allem an Lehrerinnen und Lehrer, die mit ihren Schülerinnen und Schülern einen regionalen Zugang zu den hier angebotenen Themenfeldern „Bäuerliche Lebenswelten im Mittelalter“, „Zeit des Dreißigjährigen Krieges“ und „Gleichschaltung im Nationalsozialismus“ suchen. Die Lernumgebung ist in erster Linie für Lernende der höheren Jahrgangsstufen bzw. für leistungsstärkere Lerngruppen geeignet, kann aber bei entsprechender Anpassung von Aufgabenstellung und Material generell in jeder Klassenstufe der Sekundarstufen I und II eingesetzt werden. Jedes Dokument enthält neben einer Sammlung von Quellen, Darstellungen und Aufgabenvorschlägen auch fachdidaktische Hinweise für Lehrkräfte.

Teil A – Die Hüfner aus Adriansdorf – Vom Entstehen einer langlebigen Gemeinschaft

(Materialien zusammengestellt unter Mitarbeit von Nicole Markwart und Benita Schmitt)

Der erste Teil thematisiert im weitesten Sinne „Bäuerliche Lebenswelten im Mittelalter“. Im Fokus steht die Gründung der Hüfnersiedlung Adriansdorf. Dabei wird vor allem auf die Rechte und Pflichten eingegangen, welche die Gemeinschaft in jener Zeit innehatte bzw. erfüllen musste. Der methodische Schwerpunkt liegt auf der Arbeit mit Darstellungs- und Quellentexten sowie dem Umgang mit zeitgenössischen Bildquellen.

Teil B – „[was] wir arme leute unberichtet nicht laßen [können]“ – Die Beeskower Vorstädter im 30jährigen Krieg

(Materialien zusammengestellt unter Mitarbeit von Silka Rödl und Florian Stephan)

Teil B widmet sich der „Zeit des Dreißigjährigen Krieges“. Anhand historischer Schriftquellen aus dem Umfeld der ortsansässigen Bevölkerung werden die Auswirkungen der Kriegsjahrzehnte auf die Hüfner von Adriansdorf und das Beeskower Umland erarbeitet. Den historischen Kontext thematisieren unter anderem Darstellungstexte, Übungen im Umgang mit einer Geschichtskarte sowie die Analyse und Interpretation zeitgenössischer Gemälde.

Teil C – Einbindung in die „Volksgemeinschaft“ – Das Ende der „Ackerbürgervereinigung“ im Nationalsozialismus

(Materialien zusammengestellt unter Mitarbeit von Marian Golldack und Julian Münkel)

Der dritte Teil ordnet sich thematisch in den Bereich „Gleichschaltung im Nationalsozialismus“ im Jahr 1933 ein. Am Beispiel der Eingliederung der Beeskower Ackerbürgervereinigung kann dieser explizite Gleichschaltungsvorgang mit den Schülerinnen und Schülern erarbeitet und nachvollzogen werden. Methodischer Schwerpunkt ist dabei der Umgang mit historischen Zeitungsartikeln bzw. Zeitungsausschnitten.

Teil D – Sage und Wirklichkeit: Adriansdorf – Die Entstehung der Vorstadt

(Alexander Boltz und Wiebke Dziudzia)

In Teil D setzen sich die Schülerinnen und Schüler mit der Re- bzw. Dekonstruktion von Geschichte auseinander, indem sie die Diskrepanz zwischen „Sage und Wirklichkeit“ der Gründungslegende von Adriansdorf untersuchen. Anhand (von Faksimiles) originaler Handschriften des 18. Jahrhunderts wird der Inhalt der Sage rekonstruiert und mit den historisch belegbaren Fakten abgeglichen. Die Gründung der Hüfnersiedlung im Mittelalter wurde in Teil A bereits inhaltlich berührt. Der Umgang mit den Handschriften erfordert gewisse Vorkenntnisse und Fertigkeiten. Daher sollte Teil D vor allem im Kontext von Projektarbeiten oder mit älteren Schülerinnen und Schülern verwendet werden.

Im Quellen- und Literaturverzeichnis befinden sich neben Quellenangaben auch Verweise auf weitere fach- und fachdidaktische Literatur.

Eine um Quellen und Darstellungen zur historischen Nutzung und zum zeitgenössischen Umgang mit dem Hüfnerhaus erweiterte Fassung wurde bereits in Form einer DVD veröffentlicht: Beetz, Petra /Riedel, Peter (Hrsg.): Hüfner und „Hüfnerhaus“ in Beeskow. Eine bäuerliche Gemeinschaft im Wandel der Zeit. Materialien für historisches Lernen in der Schule und vor Ort, Universität Potsdam (Audiovisuelles Zentrum / Professur für Didaktik der Geschichte) 2015.

Abbildungsnachweis

Abb. 1-5 Peter Riedel

Empfohlene Zitierweise

Beetz, Petra/Riedel, Peter (Hrsg.): Hüfner und „Hüfnerhaus“ in Beeskow - Eine bäuerliche Gemeinschaft im Wandel der Zeit, publiziert am 26.06.2018; in: Schule und Unterricht, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)

 

Der Slawenaufstand des Jahres 983

Ein Ausstellungsprojekt des Friedrich-Ludwig-Jahn Gymnasiums Rathenow und der Bischofsresidenz Burg Ziesar

Laufzeit: 15. Juni bis 31. Oktober 2013

Udo Geiseler / Clemens Bergstedt

Allgemeine Angaben

Schule
Friedrich-Ludwig-Jahn Gymnasium
Jahnstraße 33
14712 Rathenow
Tel: 03385 / 51 20 79
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Kooperationspartner
Bischofsresidenz Burg Ziesar
Dr. Clemens Bergstedt
Mühlentor 15a
14793 Ziesar
Tel: 033830 / 12 7 36
Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Beteiligte Schüler
20 Schüler des berufsorientierten Seminarkurses Jgst. 11/12
12 Schüler des Schwerpunktunterrichtes Geschichte Jgst. 9

Beteiligte Lehrkräfte
Udo Geiseler
Fachlehrer Geschichte/Deutsch u. Seminarkursleiter
Tel: 0171 / 934 06 12
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Zeitvolumen des Projekts
Jahrgangsstufe 11/12: 2 Wochenstunden über 10 Monate, zusätzlich drei Projekttage mit jeweils ca. 8 Stunden
Jahrgangsstufe 9: 2 Wochenstunden über 8 Monate

Vorstellung und Kurzbeschreibung

Die Ausstellung „Heiden griffen zu den Waffen – Der Slawenaufstand des Jahres 983“ war vom 15. Juni bis zum 31. Oktober 2013 im Museum der Bischofsresidenz Burg Ziesar zu sehen. Sie war ein Gemeinschaftsprojekt der Bischofsresidenz Burg Ziesar und des berufsorientierten Seminarkurses mit dem Schwerpunktfach Geschichte der Jahrgangsstufe 11/12 am Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium Rathenow. In 18-monatiger Arbeit haben die Schüler dieses Kurses unter fachlicher Begleitung und Anleitung des Kursleiters und des Museumsleiters die Ausstellung erarbeitet und präsentiert.

Eine Teilaufgabe innerhalb des Projektes übernahmen Schüler des Schwerpunktunterrichts der Jahrgangsstufe 9, die ein Modell des slawischen Kultortes Rethra als Bestandteil der Ausstellung konzipierten und bauten.

Die Ausstellung beschränkte sich nicht auf die Nacherzählung von Ursachen und Folgen des Slawenaufstandes des Jahres 983. Vielmehr ging es um das wechselvolle und spannungsreiche Verhältnis zwischen den Slawen und ihren sächsischen Nachbarn, das aus verschiedenen Perspektiven beschrieben wurde. Dadurch wurde eine einseitige Interpretationsstruktur vermieden. Neben dem bereits erwähnten – von Schülern selbst hergestellten – Modell des legendären slawischen Kultzentrums Rethra wurden militärische Ausrüstungsgegenstände, slawischer Schmuck und ein Modell der slawischen Burg Brandenburg gezeigt. Höhepunkt der Ausstellungseröffnung war eine von den Schülern durchgeführte Modenschau mit Kleidung des 10. Jahrhunderts.

Die Aufgabe der Schüler innerhalb des Projekts bestand in der Entwicklung einer Ausstellung von der ersten thematischen Idee bis zur Umsetzung. Zielstellung war es, die Schüler mit den vielfältigen Aufgabenbereichen innerhalb eines solchen Vorhabens bekannt zu machen. Dazu gehörten die fachliche Annäherung an die gesellschaftlichen Verhältnisse im ostfränkisch-deutschen Königreich im 10. Jahrhundert, die intensive Auseinandersetzung mit den Quellen und der Fachliteratur zum Slawenaufstand, das Kennenlernen der spezifischen Mittel des Mediums „Ausstellung“, das Übertragen fachlicher Ideen in eine Ausstellungskonzeption, Erarbeiten von Texten, Recherchen von potentiellen Objekten, Diskussion von Ergebnissen, Herstellen von Publikationen (Plakat und Flyer), Öffentlichkeits- und Pressearbeit sowie die Vorbereitung und Durchführung der Eröffnungsveranstaltung einschließlich der Präsentation der Ergebnisse vor Publikum.

Die Projektgruppe der Jahrgangsstufe 9 hatte sich für die Modellentwicklung und -gestaltung zunächst mit der fachwissenschaftlichen Diskussion über die Lokalisierung des Kultortes auseinandergesetzt. Von einer der vielen Lokalisierungsmöglichkeiten ausgehend, rechneten die Schüler die topografischen Grundgegebenheiten maßstabsgerecht auf das Modell um, setzten sich kritisch mit der historischen Beschreibung des Ortes auseinander und gestalteten im Vergleich mit archäologisch rekonstruierten slawischen Kultorten das Aussehen und die Gestalt der Tempelanlagen und Befestigungssysteme.

Projektauslöser / Idee

Seit dem Schuljahr 2013/2014 gibt es im Land Brandenburg für die gymnasiale Oberstufe so genannte Seminarkurse, in denen fächerverbindend wissenschaftspropädeutisch oder berufsfördernd gearbeitet wird. Die schulischen Kursleiter sind angehalten, für die Zusammenarbeit externe Partner zu gewinnen, um einen Praxisbezug der Kursarbeit zu gewährleisten.

Vor diesem Hintergrund ergab sich die Idee, die seitens des Museums ohnehin geplante Ausstellung zum Inhalt eines solchen Kurses zu machen. Grundsätzlich schien eine solche Idee machbar, weil das Ausstellungsthema ein inhaltlich begrenztes war, so dass es in dem zur Verfügung stehenden Zeitrahmen des Kurses möglich erschien, die Ausstellung zu realisieren. Bevor an die Eröffnung eines solchen Kurses gedacht werden konnte, war es zunächst notwendig, einen konkreten Arbeits- und Unterrichtsplan zu erstellen, um zu prüfen, ob ein solches Vorhaben in einem Kurs geleistet werden kann. Wichtig war dabei auch, entsprechend den Vorgaben des Rahmenplans den Charakter des Kurses berufsorientierend zu gestalten. So wurde von vornherein in den Planungen berücksichtigt, dass die Tätigkeiten eines Wissenschaftlers, eines Museologen, eines Designers und Grafikers und eines Öffentlichkeitsarbeiters vorgestellt und von den Schülern in Teilen übernommen werden.

Nachdem dieser Plan vorlag, entschieden sich beide Seiten, der Schulleitung und den Schülern das Angebot für diesen Kurs zu unterbreiten.

Projektentwicklung

Für die Umsetzung des Projekts war von Beginn an ein mehrstufiges Modell geplant, dessen einzelne Komponenten aufeinander aufbauten. Mit zunehmender Projektdauer wurden die jeweiligen Themenbereiche in sich differenzierter und komplexer, ihre Verknüpfungen untereinander nahmen zu.

Die erste Phase beinhaltete die Erarbeitung der fachlichen Grundlagen, und sie umfasste zeitlich den größten Umfang (August bis Dezember 2012). Dazu gehörten Vorlesungen und ihre Nachbearbeitung, das Studium von Quellen und Fachliteratur und deren Auswertung, die Erarbeitung eines soliden Faktengerüsts. Ein weiterer Schwerpunkt innerhalb dieser Phase bildete der Besuch der Ausstellung „Otto der Große und das Römische Reich. Kaisertum von der Antike zum Mittelalter“ in Magdeburg (3. Dez. 2012). Zur Vorbereitung auf den Besuch wurden Rezensionen über besagte Ausstellung gelesen und Arbeitsgruppen gebildet, die sich unter bestimmten Schwerpunkten die Ausstellung gezielt anschauen sollten: 1) Inszenierungs- und Präsentationsformen, 2) Kategorien von Ausstellungsobjekten, Verhältnis von Originalen und Nachbildungen, 3) Kategorien von Ausstellungstexten, Gestaltung und Diktion der Texte, 4) Besucherführung und -verhalten. Alle Schüler sollten darüber hinaus über die Wirkung der Ausstellung auf sich selbst reflektieren. In den anschließenden Stunden wurden die Ergebnisse ausgewertet und diskutiert.

Die zweite Phase galt der Entwicklung einer Ausstellungsidee und dem Entwurf eines Drehbuchs (Januar-Februar 2013). In einem Workshop in Ziesar machten sich die Schüler mit den räumlichen Bedingungen vor Ort vertraut. Unmittelbar danach wurden Ideen und Grobkonzeptionen mit denkbaren thematisch-räumlichen Schwerpunktsetzungen diskutiert. Am Ende stand der Entwurf eines Drehbuchs, das die thematischen Schwerpunkte nach Räumen geordnet enthielt, potentielle Objekte und die dazu gehörigen Texte auflistete sowie Laufwege, Sichtachsen u. a. berücksichtigte.

Die dritte Phase begann nach den Ferien mit der Ausarbeitung des Drehbuchs (März-April 2013). Dazu wurden verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, die sich einem bestimmten Thema innerhalb des Drehbuchs zuwendeten und hier alle notwendigen Recherchen zu Objekten und Ausstellungstexten vornahmen. Ebenso begannen die Entwurfsarbeiten zu Flyer und Plakat, die Erstellung von Karten, und die Gruppe für Öffentlichkeitsarbeit nahm ihre Arbeit auf (Recherchen potentieller Gäste zur Eröffnung, Voranfragen). Die Zwischenergebnisse wurden mit Kursleiter und Museumsleiter diskutiert, korrigiert, Hinweise zum weiteren Vorgehen gegeben, Termine abgestimmt. Dazu gehörte auch, in einer Doppelstunde gemeinsam an einem Ausstellungstext zu arbeiten, um methodisch eine mögliche Vorgehensweise anzudeuten und um als Ermutigung für den eigenen Schreibprozess zu wirken. Ende April waren alle Ergebnisse ans Museum zu übergeben.

In der vierten und letzten Phase wurde die Eröffnung der Ausstellung geplant und umgesetzt (Mai-Juni 2013). Dazu gehörten Einladungsschreiben, Erstellen von Pressetexten, die Vorbereitung des Ablaufs der Eröffnung. Statt langer Reden sollte es eine Modenschau geben, die die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Slawen und Sachsen anhand der Kleidung zeigte. Zu diesem Zweck wurde ein Workshop durchgeführt, für den zwei Spezialisten für mittelalterliche Bekleidung gewonnen werden konnten, die den Schülern die Spezifik von Kleidung und Bewaffnung des 10. Jahrhunderts vermittelten und eine szenische Darstellung mit vier Schülern einstudierten. Nach der erfolgreichen Eröffnung, an der neben der Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg, Martina Münch, ca. 50 Gäste teilnahmen, erfolgte die Nachbearbeitung. Fotos wurden archiviert, Presseartikel gesammelt und in Kursunterlagen aufgenommen.

Besonderheiten / Charakteristika

Das Projekt besaß mit dem Termin der Ausstellungseröffnung eine klare Zielorientierung, d. h. eine hohe Verbindlichkeit war für alle Projektteilnehmer von Anfang an gegeben und daraus erwuchs eine Verantwortung des Einzelnen, seine Aufgabenstellungen zu erfüllen.

Nach der fachlich-inhaltlichen Einarbeitungsphase setzten Prozesse der ständigen Differenzierungen bezüglich der Themen und Aufgaben ein. Dabei zeigten sich – zum Teil auch unerwartet – Stärken einzelner Schüler, die dann ganz gezielt für das Projekt genutzt wurden. So konnten Schüler mit Wissen und Fähigkeiten überzeugen, die im Unterricht eher selten nachgefragt werden. Dazu einige Beispiele: Im Bereich Design übernahm ein Schüler die Gestaltung des Flyers und des Plakats und brachte beides in Zusammenarbeit mit dem Museum zur Druckreife. Ein anderer Schüler besorgte die technischen Dateien für die Hörstation, ein anderer kümmerte sich während des Ausstellungsaufbaus im Rahmen eines Schülerpraktikums für die technische Realisierung der Hörstation. Zwei Schülerinnen übernahmen die Öffentlichkeitsarbeit (Anfragen, Einladungen, Pressearbeit) einschließlich der Organisation und Durchführung der Eröffnungsveranstaltung. Vier Schüler, die sich besonders für mittelalterliche Kleidung und Bewaffnung interessierten, studierten eine kleine Szene ein, die zur Eröffnung vorgespielt wurde.

Das Arbeiten in thematischen Schwerpunktgruppen war aber nur die eine Seite, die andere bestand in einer kontinuierlichen Abstimmung der Gruppen untereinander, was ein hohes Maß an Selbstständigkeit und -organisation voraussetzte, denn in einer Ausstellung greifen viele Teilbereiche ineinander.

Probleme und Lösungen

Das begrenzte Stundenvolumen des Seminarkurses, eine Doppelstunde pro Woche, erzwang von vornherein ein pragmatisches Vorgehen. Es war klar, dass die Schüler nicht an allen Phasen der Ausstellungsrealisierung (Aufbau, Gestaltung, Satz und Endkorrektur der Texte und Bilder, Druckbegleitung) beteiligt sein würden. Deshalb war es wichtig, die Schwerpunkte auf die konzeptionellen Arbeiten zu legen, deren Umsetzung dann das Museumsteam übernahm. Die gemeinsam erarbeiteten Vorgaben erstellten den verbindlichen Handlungsrahmen, so dass die Schüler sicher sein konnten, dass ihre Ideen auch realisiert wurden.

Die Kursteilnehmer besaßen weder eine besondere Vorbildung hinsichtlich des Themas „Mittelalter“ noch hatten sie sich bisher mit dem Medium „Ausstellung“ beschäftigt. Im Kurs konnte zu diesen Themenbereichen nur ein knapper fachlicher Einstieg vermittelt werden. Für die Entwicklung einer tragfähigen Ausstellungsidee war Hilfestellung seitens des Kursleiters und des Museumsleiters nötig. Dies geschah aber nicht durch eine „von oben“ verordnete  Lösung, um zu vermeiden, dass es nicht eine Ausstellung von Erwachsenen wird, für die die Schüler herhalten. In einem Ideenworkshop wurden die verschiedenen Ideen in ihrem Für und Wider teilweise auch kontrovers diskutiert. Am Ende stand die von allen getragene Grundidee, das Thema mit Hilfe einer gedachten Spiegelachse zu präsentieren.

Die Ergebnisse der Schüler konnten zum größten Teil nur Zwischencharakter erlangen, eine Begleitung und Nacharbeit durch Fachleute war unumgänglich. Dies wurde – von Anfang an – klar kommuniziert, um keine falschen Erwartungshaltungen zu wecken und mögliche Überforderungen zu vermeiden. Gerade in den Diskussionen, die die Schüler mit Kursleiter und Museumsleiter führten, wurden die Zielstellungen vor diesem Hintergrund offen angesprochen. Wichtig war es, gemeinsam mit den Schülern den Weg hin zur Ausstellung zu beschreiten und das Unfertige – verstanden als ein Zwischenergebnis – als das Normale auch und gerade beruflicher Praxis zu verstehen. Dadurch vermittelte sich ein Bewusstsein für die Komplexität und dem teilweise hohen Anspruch der Aufgaben, was wiederum einen realistischen Blick für das eigene Leistungsvermögen eröffnete. Beispielsweise wurde in einer Doppelstunde an einem einzigen Ausstellungstext gearbeitet. Das Ergebnis waren zwei fertige Sätze, die aber nur einen Teil des gesamten Textes darstellten. Hier machten die Schüler die Erfahrung, wie schwierig es ist, einen ausstellungstauglichen Text zu verfassen.

Angaben zur Finanzierung des Projekts

Die Ausstellung wurde zum überwiegenden Teil vom Museum der Bischofsresidenz Burg Ziesar finanziert (Druck- und Satzkosten, Transportkosten, Versicherung, Material, Workshop zur Kleidung und Bewaffnung), die Schule beteiligte sich mit dem Transport und der Bereitstellung von Leihgaben sowie der Verteilung von Flyern und Plakaten.

Abbildungsnachweis

Abb. 1-7 Bischofsresidenz Burg Ziesar

Empfohlene Zitierweise

Bergstedt, Clemens/Geiseler, Udo: „Heiden griffen zu den Waffen“ - Ein Ausstellungsprojekt des Friedrich-Ludwig-Jahn Gymnasiums Rathenow und der Bischofsresidenz Burg Ziesar, publiziert am 07.12.2017; in: Schule und Unterricht, URL: http://www.brandenburgikon.de (TT.MM.JJJJ)