Fürstentag zu Jüterbog 1611

Frank Göse

Schon in den ersten Jahren des gerade eingeläuteten 17. Jahrhunderts boten sich dem hellsichtigen Beobachter im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation einige untrügliche Zeichen für jene dann 1618 ausbrechende Katastrophe, die bei den Zeitgenossen als der „Teutsche Krieg“ bzw. unmittelbar nach seinem Ende als „Dreißigjähriger Krieg“ tituliert werden sollte. Im politischen System des Reiches knirschte es erheblich, wovon eine Reihe kleinerer Konflikte, aber auch zunehmende Störungen in der politischen Kommunikation zwischen den Entscheidungsträgern an den damaligen Fürstenhöfen kündeten. Noch aber funktionierten die Verbindungen halbwegs und man zeigte sich in der Lage, aufkommenden Streit im Vorfeld auf dem Verhandlungsweg zu entschärfen und eine militärische Eskalation zu verhindern. Dabei kam persönlichen Begegnungen der Fürsten ein kaum zu unterschätzender Wert zu, auch wenn das außenpolitische „Tagesgeschäft“ immer mehr durch professionell arbeitende Räte übernommen wurde.  

Ort und Personen

Ein besonders prominentes Exempel solcher „Gipfeldiplomatie“, das in jeder Hinsicht reichspolitische Dimension besaß, boten die Vorgänge in der heute im Süden des Landes Brandenburg liegenden Stadt Jüterbog. Hier versammelten sich in den ersten Monaten des Jahres 1611 zeitweilig bis zu 14 Reichsfürsten, um über eine Reihe von politischen Problemen zu verhandeln. Die Flämingstadt war vor allem deshalb für eine solche hochkarätige Begegnung geeignet, weil sie etwa auf halbem Wege zwischen der kursächsischen Residenz in Dresden und dem kurbrandenburgischen Hof in Berlin-Cölln lag. Und der sächsische und der brandenburgische Kurfürst sollten auch die prominentesten Gäste dieser Verhandlungen sein. Für solche schon seit langem durchgeführte bilaterale Treffen zwischen den brandenburgischen und sächsischen Kurfürsten als den wichtigsten Repräsentanten des Obersächsischen Reichskreises empfahl sich Jüterbog indes nicht nur wegen der gerühmten Gasthöfe und der Möglichkeit, hier für das von den Fürsten mitgeführte umfangreiche Gefolge ein angemessenes Quartier bereitzustellen. Darüber hinaus lag die Stadt quasi auf „neutralem“ Boden. Das Erzstift Magdeburg, zu dessen Territorium die Enklave Jüterbog-Dahme gehörte, war ja Bestandteil des Niedersächsischen Kreises. Gastgeber und selbst auch anwesend war der Magdeburger Administrator Christian Wilhelm, ein jüngerer Bruder des brandenburgischen Kurfürsten Johann Sigismund (Abb. 1).

Die beiden um Meinungsführerschaft im Obersächsischen Reichskreis ringenden Kurfürsten achteten sehr genau darauf, dass ihnen bei der Wahl des Verhandlungsortes „kein Präjudiz“ widerfahre, wie man im zeitgenössischen Verständnis eine angemaßte Vorteilsnahme zu bezeichnen pflegte. Schließlich hat man sich ins Bewusstsein zu rufen, dass man zu dieser Zeit noch kaum von einem „Staaten“-Europa sprechen konnte. Vielmehr verstanden sich die damaligen hochadligen Akteure als eine große Familie, als eine „société des princes“ – eine Fürstengesellschaft.

Die Verhandlungen sollten im Jüterboger Rathaus durchgeführt werden, denn nur dort fand man die geeigneten Räumlichkeiten vor, die von ihrem Ambiente und der Größe her die nötigen Voraussetzungen für solche Ereignisse bieten konnten (Abb. 2, 3). Am 4. Februar 1611 nahm jenes Ereignis nun seinen Lauf, das unter dem Namen des „Fürstentages zu Jüterbog“ in die Geschichte eingehen sollte. Beteiligt waren neben den kurbrandenburgischen und kursächsischen Landesherren (Abb. 4, 5) zwei als „Mediatoren“ fungierende Fürsten: der Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt (Abb. 6) und der einer Nebenlinie der Hohenzollern angehörende fränkische Markgraf Christian von Brandenburg-Bayreuth (Abb. 7). Daneben nahmen noch weitere zwölf Fürsten, wenn auch nicht durchgängig, an den in Jüterbog geführten Gesprächen teil.

Was diesen Fürstentag aber nun von den anderen bislang in Jüterbog ausgerichteten Verhandlungen abhob, war die Tatsache, dass es diesmal vornehmlich um die Beilegung politischer Differenzen zwischen Brandenburg und Kursachsen gehen sollte, deren Ursprung in einem weit entfernt liegenden Teil des Reiches lag. Es ging um die Beilegung von politischen Differenzen, die im Zusammenhang mit dem Jülich-Klevischen-Erbfolgestreit standen. Dabei handelte es sich um einen zwei Jahre zuvor offen ausgebrochenen Konflikt, der das Reich an den Rand eines umfassenden Krieges geführt hatte (Ollmann-Kösling1996; Groten 2011).

Jülich-Klevische Erbfolge

Am 25. März 1609 war mit Herzog Johann Wilhelm der letzte männliche Angehörige der das Herzogtum Jülich-Kleve regierenden Dynastie verstorben. Es handelte sich bei diesem im westfälischen und niederrheinischen Gebiet liegenden Territorium (mit Düsseldorf als Residenz) um eine der wirtschaftlich reichsten Regionen im damaligen Reich. Die Lösung der Nachfolgefrage war indessen auf Grund sich widersprechender erbvertraglicher Regelungen umstritten. Als wichtigste Erbanwärter stellten Pfalz-Neuburg und Kurbrandenburg Ansprüche, in deren Dynastien Töchter aus dem Jülicher Herzogshaus eingeheiratet hatten. Aber auch Kursachsen berief sich auf frühere kaiserliche Privilegien, nach denen den Wettinern eine Erbfolge zustünde (Ritter 1873, 1-80). Und schließlich versuchte auch der Kaiser in seiner Eigenschaft als Oberlehnsherr des Reiches die Angelegenheit an sich zu ziehen. Dagegen wandten sich Pfalz-Neuburg und Kurbrandenburg und einigten sich im „Dortmunder Rezess“ vom Juli 1609 auf eine zunächst provisorische gemeinsame Verwaltung der herrenlos gewordenen Gebiete.

Der Konflikt am Niederrhein war aber damit zugleich eingewoben in die das Reich damals prägenden konfessionspolitischen Differenzen am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges. 1608 wurde die Union gegründet – ein Bündnis evangelischer Reichsstände unter Führung der Kurpfalz, in das 1610 auch Kurbrandenburg eintrat; 1609 folgte die katholische Liga mit Bayern an der Spitze. Demnach stand zu befürchten, dass der Kaiser und die katholischen Reichsstände die sich abzeichnende Stärkung der evangelischen Fürsten – sowohl der Pfalzgraf von Neuburg Wolfgang Wilhelm als auch der brandenburgische Kurfürst Johann Sigismund (reg. 1608-1619) gehörten ja zu diesem Zeitpunkt der lutherischen Konfession an – infolge der Jülicher Erbschaft nicht so ohne Weiteres hinnehmen würden. Der evangelischen Seite war darum sehr daran gelegen, den sächsischen Kurfürsten gewissermaßen „mit ins Boot“ zu holen. Als wirtschaftlich bedeutendstes lutherisches Fürstentum hoffte man mit Kursachsen in einer für die evangelischen Reichsstände sehr bedenklichen Situation eine fühlbare Stärkung der eigenen Position zu erreichen. Allerdings hatten die sächsischen Kurfürsten seit der Mitte des 16. Jahrhunderts eine zumeist kaisertreue Haltung eingenommen und standen auch der protestantischen Union sehr reserviert gegenüber. Es sprach nun einiges dafür, Kursachsen gerade über Gespräche mit der brandenburgischen Seite für ein solches Projekt zu gewinnen. Kurbrandenburg hatte sich schon des Öfteren in der Reichspolitik an der Dresdener Position orientiert und galt seit langem als „Juniorpartner“ der kursächsischen Politik. Beide Herrscherhäuser – Wettiner und Hohenzollern – waren zudem durch eine Erbverbrüderung miteinander verbunden. Eben solche dynastischen Verbindungen bestanden auch zu den hessischen Landgrafen, deren Teilnahme an den bevorstehenden Verhandlungen in Jüterbog deshalb sinnvoll erschien. 

Landgraf Moritz von Hessen-Kassel war es auch, der im Herbst 1609 angesichts der wachsenden Probleme im Jülich-Klevischen-Erbfolgestreit die Initiative ergriff und auf einen engeren Schulterschluss der erbverbrüderten Häuser (Hessen, Sachsen und Brandenburg) im Interesse einer allgemeinen evangelischen Union setzte. Die Berücksichtigung Sachsens als Anwärter auf den Jülich-Klevischen Erbbesitz schien dabei das probateste Mittel darzustellen, dieses Fürstentum, das bisher eher auf die kaiserliche Karte gesetzt hatte, mit in die Verhandlungen einzubinden und damit vielleicht sogar doch noch für die Protestantische Union zu gewinnen. Nachdem vor allem der hessen-darmstädtische Landgraf Ludwig in einer Art „Pendeldiplomatie“ in den letzten Wochen des Jahres 1610 sowohl in Berlin als auch in Dresden das Terrain sondiert hatte, zeichnete sich in den ersten Januartagen des neuen Jahres ab, dass beide Kurfürsten ihre Zustimmung zu Verhandlungen geben würden. Nachdem kurzzeitig auch das thüringische Erfurt als Alternative erwogen worden war, einigte man sich nun auf Jüterbog als Verhandlungsort. Am 5. Januar 1611 ließ der sächsische Kurfürst Christian II. (reg. 1591-1611) in einem Schreiben wissen, dass er es „gern sehen“ würde, dass die „angeregte Zusammenkunfft innerhalb Vierzehen tagen von Dato an zue Werck gerichtet werden möchte“. Er stimme ferner zu, dass hierfür „kein bequemerer Ortt als Jüterbock ... vorzueschlagen“ (Sächs. HStA Geheimer Rat Loc8807/1, fol. 383).  

Verlauf des Treffens

Von dieser Absichtsbekundung bis zur realen Umsetzung des Vorhabens gingen jedoch noch einige Wochen ins Land. Insbesondere müssen auch die äußeren Rahmenbedingungen für solche Fürstentreffen bedacht werden, so z. B. die damalige Reisegeschwindigkeit. Diese lag für eine größere Reisegesellschaft bei drei bis fünf Meilen (ca. 30-50 km) pro Tag. Jeder der nach Jüterbog kommenden Fürsten brachte zudem ein zahlreiches Gefolge mit, so dass auch entsprechende logistische Vorkehrungen für die Versorgung der Menschen, aber auch der Pferde, getroffen werden mussten.

Angesichts der unterschiedlichen Anreisezeiten der beteiligten Fürsten kamen die Verhandlungen in Jüterbog nur schleppend in Gang. Das Prozedere wurde auch dadurch erschwert, dass die Fürsten – zumindest in der Hauptphase der Beratungen – nicht direkt miteinander verhandelten, sondern in der Weise, „daß diese sache nicht mündlich sondern schriftlich tractirt werden solte“ (Sächs. HStA Geheimer Rat Loc8807/3, fol. 53). In der Praxis sah dies so aus, dass der brandenburgische Kurfürst im nördlich von Jüterbog gelegenen Zinna, sein sächsischer Standesgenosse mit seinem Gefolge auf dem ca. 15 km von Jüterbog entfernten Schloss Glücksburg (bei Mügeln) residierte, das auf kursächsischem Territorium lag. In Jüterbog wurden indes die anderen an den Verhandlungen beteiligten Fürsten sowie die kursächsischen und brandenburgischen Räte beherbergt. Im Jüterboger Rathaus trafen sich die mit genauen Instruktionen ausgestatteten sächsischen und brandenburgischen Gesandten, wie auch die als Mediatoren fungierenden hessischen Landgrafen und der fränkische Markgraf Christian von Brandenburg-Bayreuth. Von brandenburgischer Seite führten die Geheimen Räte Adam und Wedige Reimar Gans Edle Herren v. Putlitz, Friedrich Pruckmann und Erasmus Moritz die Verhandlungen, während der Kanzler Bernhard v. Pölnitz, der Kammer-Präsident Casper v. Schönberg, der Oberhofrichter Elias v. Brandenstein, sowie die Räte Dr. Marcus Gerstenberg und Joachim v. Loß die Interessen des sächsischen Kurfürsten vertraten. Zur kursächsischen Delegation gehörten auch noch Vertreter Sachsen-Coburg-Gothas und Sachsen-Weimar-Eisenachs, also der ernestinischen Linie der Wettiner (Sächs. HStA Geheimer Rat Loc8807/3, fol. 385).

So ganz unlieb dürfte diese Verhandlungspraxis zumindest dem sächsischen Kurfürsten nicht erschienen sein. Christian II. galt nicht gerade als besonders arbeitsam; Tafel- und Jagdfreuden behagten ihm mehr als das eintönige Aktenstudium in der Ratsstube oder die sich infolge langatmiger juristischer Deduktionen hinziehenden Verhandlungen. Aus den überlieferten Quellen wird deutlich, dass er mehrfach – gelegentlich auch mit anderen Fürsten – in den Wäldern um Glücksburg seiner Jagdleidenschaft frönte.

Die räumliche Distanz zwischen den beiden für die Jüterboger Gespräche wichtigsten Fürsten erschwerte zwangsläufig die Verhandlungspraxis und gab Raum für Misstrauen. Argwöhnisch belauerten sich die beiden Hauptkontrahenten von Schloss Glücksburg bzw. von Zinna aus. Am 2. März hatte Christian II. zum Beispiel durch seine Räte erfahren, dass der brandenburgische Kurfürst in Jüterbog mit den Mediatoren „mahlzeit gehalten“ habe. Da er nun „soviel als möglich gern wissen möchten, was vorgelauffen“, wies er seine Räte an, sie sollen „in geheim bei den H. Unterhändlern oder Iren Rethen euch dessen erkhundigen“ (Sächs. HStA Geheimer Rat Loc8808/1, fol. 8). Am 9. März teilten die sächsischen Räte ihrem auf Neuigkeiten harrenden Kurfürsten in Glücksburg mit, dass man den Postboten in Jüterbog zwar drei Stunden aufgehalten habe, dennoch „ist uns bis auf diese Zeit nichts“ Berichtenswertes „zukommen“ (Sächs. HStA Geheimer Rat Loc8808/1, fol. 8). 

Ergebnisse

Am 21. März, dem Gründonnerstag des Jahres 1611, fanden die Verhandlungen mit der Vertragsunterzeichnung ihren Abschluss (Mörner 1867, Nr. 19). Aus diesem Anlass hatten sich alle 14 teilnehmenden Fürsten in Jüterbog versammelt; detailliert wurde die erste persönliche Begegnung des sächsischen und brandenburgischen Kurfürsten während des Verhandlungsmarathons im Protokoll festgehalten: Demnach habe der Brandenburger „ufm Rathause gewarttet. Sobald aber Ihre Chur und Fürstl. Gn. entgegen gangen haben einander die Hand geben, hernach sich mit ein and in ein besonderes gemach, dorinnen folgents 14 Chur- und Fürstl. Personen Taffel gehalten, verfüget, sich miteinand freundlich besprochen; Unterdessen sind die drei Fürstl. Unterhändler etwa ein Dreiviertel Stund in einem anderen Gemach beisammen gewesen, haben sich der Propositionen […] verglichen, hernach zu denselben sich begeben“ (Sächs. HStA Geheimer Rat Loc8807/3, fol. 443).

Das wichtigste und deshalb auch im offiziellen Vertragsdokument an erster Stelle aufgeführte Ergebnis des Jüterboger Fürstentages lag in der „Reception“, also der Aufnahme des Hauses Sachsen in den Mitbesitz der Jülich-Klevischen Lande. Das Kurfürstentum Sachsen sollte also bis zu einer endgültigen rechtlichen Klärung des Erbfolgestreites gleichberechtigt mit Brandenburg und Pfalz-Neuburg in die gemeinsame Verwaltung dieser Territorien eintreten. Der bei einer späteren juristischen Regelung obsiegende Teil hätte dann an die unterlegenen Fürsten eine noch genauer auszuhandelnde Geldsumme zu zahlen. Beiden Vertragspartnern war zudem auferlegt worden, sich um die „Ratification“ der Abmachung durch den dritten Erbanwärter, also Pfalz-Neuburg, zu bemühen, sonst würde sich der Vertrag als ziemlich wertlos erweisen. Es handelte sich also um Abmachungen, die auf Grund der kaum kalkulierbaren Reaktion Pfalz-Neuburgs letztlich sehr im Vagen bleiben mussten. Demzufolge hielt sich der politische Wert der Einigung in engen Grenzen, auch wenn man von kursächsischer Seite den Ausgang der Jüterboger Verhandlungen, die „uns einen glückseligen und friedreichen ausgang bescheret“ zunächst publizistisch feierte (zit. nach: Zeißler 1910, 66).

In Berlin galt es in den nächsten Monaten abzuwägen, ob man lieber mit Kursachsen oder Pfalz-Neuburg das Jülich-Klevische Erbe teilen wolle, „da die Theilung auf die Dauer nicht zu vermeiden“. Für die sächsische Option sprach aus brandenburgischer Sicht das Machtpotential der albertinischen Wettiner und die Gemeinschaft im Kurkolleg, auch würde dies eventuelle Konflikte mit dem in die Jülicher Händel eingebundenen Kaiser vermeiden helfen. Für ein Zusammengehen mit Pfalz-Neuburg konnte man hingegen die Einigung im Dortmunder Rezess anführen, sowie das ja nach wie vor bestehende Misstrauen gegenüber Sachsen, weil – so eine warnende Stimme – „durch die jüterbocksche Handlung das Haus Brandenburg von Sachsen gleichsam überpocht worden“. Denn gerade weil „das Haus Sachsen im Gefühl seiner Macht auch andere kur- und fürstliche Häuser zu überpochen und in allen Reichssachen sich das Directorium anzumaßen in Gewohnheit gekommen“, müsse man demselben zu größerer Erweiterung nicht noch die Hand bieten (zit. nach: Droysen, 426). Von dem bleibenden Misstrauen zwischen Dresden und Berlin kündet auch eine Reihe von Quellenbelegen aus der Zeit unmittelbar nach dem Jüterboger Fürstentag. So riet zum Beispiel der kurbrandenburgische Geheime Rat Adam Gans Edler zu Putlitz seinem Kurfürsten am 21. Juni 1611 von einem erneuten Treffen mit Christian II. ab. Man wisse doch zur Genüge, dass die sächsischen Räte „sich mitt den catholicorum conformiren“ und einen Keil in das protestantische Lager treiben wollen (GStA PK I. HA Rep 41 Nr. 332, fol. 341).

Abschließend sei nur der Ausgang jenes Konfliktes knapp geschildert, der bereits damals das Reich und Teile Europas in einen größeren Krieg geführt hätte: Der Jülich-Klevische-Erbfolgestreit endete zunächst mit einem Kompromiss zwischen den beiden Hauptanwärtern auf das Erbe, Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg. Im Jahre 1614 wurde im Xantener Vertrag eine Teilung der umstrittenen Gebiete erzielt: Während dem Pfalzgrafen die Herzogtümer Jülich und Berg (mit Düsseldorf als Residenz) zugesprochen wurden, erhielt Kurbrandenburg Kleve, Mark, Ravenstein und Ravensberg. Beide Fürsten hatten in der Zwischenzeit einen Konfessionswechsel vollzogen, um damit dauerhaft ihre Chancen auf den gewünschten Erwerb des gesamten niederrheinischen Erbes zu erhöhen. Johann Sigismund trat zum reformierten Bekenntnis über, u. a. in der Hoffnung damit zugleich eine wirksame Hilfe durch die niederländischen Generalstaaten zu erhalten. Der Pfalzgraf hingegen wurde katholisch und bemühte sich um militärische Hilfe aus Spanien. Diese Orientierungen hatten zur Folge, dass beide Landesteile viele Jahre eine fremde militärische Besatzung (niederländische bzw. spanische Truppen) zu erdulden hatten. Sachsen indes blieb hier künftig außen vor, hat aber nie ganz die Ansprüche auf diese Gebiete aufgegeben, was noch lange Zeit in der Titulierung der sächsischen Kurfürsten als Herzöge von Jülich-Berg seinen sinnfälligen und der Zeit gemäßen Ausdruck gefunden hatte.

Quellen

Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden [Sächs. HStA], Geheimer Rat Loc. 8807/1 „Zwanzigstes Buch Jülicher Sachen“.

Sächs. HStA, Geheimer Rat Loc. 8807/3 „Zweiundzwanzigstes Buch Jülicher Sachen“.

Sächs. HStA Geheimer Rat Loc. 8808/1 „Jüterbockische Zusammenkunft“.

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem [GStA PK], I. HA Rep. 41 Nr. 332.

Literatur

Droysen, Johann Gustav: Geschichte der preußischen Politk. Zweiter Theil. Zweite Abtheilung. Leipzig 1870.

Groten, Manfred u.a. (Hrsg.): Der Jülich-Klevische Erbstreit 1609. Seine Voraussetzungen und Folgen. Düsseldorf 2011.  

Moerner, Theodor von (Bearb.): Kurbrandenburgs Staatsverträge 1601-1700. Berlin 1867, Nr. 19 (S. 51-53).

Ollmann-Kösling, Heinz: Der Erbfolgestreit um Jülich-Kleve (1609-1614). Regensburg 1996.

Ritter, Moriz: Sachsen und der Jülicher Erbfolgestreit. In: Abhandlungen der Historischen Classe der Kgl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 12. Band. 2. Abtheilung. München 1873, S. 1-80.

Zeißler, Gerhard: Kursachsens Politik in den letzten Regierungsjahren Christians II. (1608-1611). Weida 1910.

Abbildungsnachweis

Abb. 1 Merian, Matthäus: Historischer Chronicken Continuation Oder Warhaffte Beschreibung aller denckwürdigen Geschichten : so sich hin und wider in der Welt/ vom Jahr Christi 1629. biß in das Jahr 1633. zugetragen. Frankfurt a.M. 1633, S. 233.

Abb. 2, 3 Puttrich, Ludwig: Denkmale der Baukunst des Mittelalters in Sachsen. 2. Abteilung. Zweiter Band. Leipzig 1844-50.

Abb. 4, 5, 6, 7 Fürstlich Waldecksche Hofbibliothek (Hrsg.), Klebebände (Band 1) (Universitätsbibliothek Heidelberg http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:16-diglit-38633, CC-BY-SA 3.0)

Empfohlene Zitierweise

Göse, Frank: Fürstentag zu Jüterbog 1611, publiziert am 20.03.2018; in: Historisches Lexikon Brandenburgs, URL: http://www.brandenburgikon.de/ (TT.MM.JJJJ)

Kategorien

Epochen: Konfessionelles Zeitalter
Themen: Ereignisse


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